Ehemaliger Al-Qaida-Rekrutierer sagt, der Westen habe mit seinem raschen Abzug aus Afghanistan den Terrorgruppen weltweit einen großen Propagandasieg beschert.
Josh Layton, Metro
Ein ehemaliger Rekrutierer der Terrororganisation Al-Qaida sagte, er habe seit der Ankündigung des US-Abzugs aus Afghanistan beobachtet, dass die Anhänger von Dschihad-Bewegungen wie dem Islamischen Staat, in Asien als IS-Khorosan (IS-K) bekannt, sich vermehrt online miteinander austauschen. Der Abzug des letzten US-Soldaten vom Flughafen in Kabul am Montagabend, so warnte er, wird von Al-Qaida als „makelloser Erfolg“ dargestellt, der Osama bin Ladens antiwestliche Prophezeiung bestätige.
Morton, der jetzt Experte für die Bekämpfung des Extremismus ist, sagte, die Rückkehr der Taliban habe zu einem weltweiten Aufschwung extremer Ansichten geführt, dem man nur mit einer Konzentration auf die Menschenrechte begegnen könne. Auf einer Konferenz, die das Counter Extremism Project (CEP) anlässlich des 20. Jahrestages des 11. Septembers veranstaltete, erklärte Morton, dass die Zahl der Online-Chats von Dschihadisten massiv gestiegen sei.
„Wir sind jetzt mit der Vision konfrontiert, dass der Endsieg den Muslimen zufallen wird. Das wird sich nicht nur auf das Denken und die Mentalität der Dschihadisten auswirken, sondern auch auf die der Islamisten. Es wird zu einer Stärkung des Arguments beitragen, dass nur der gewaltsame Dschihad den von radikalen Muslimen angestrebten Wandel herbeiführen kann.
Und es wird auch einen Einfluss auf die Interpretation der Prophezeiung haben – und damit auf den IS-Versuch, die Taliban abzulösen, denn für die Dschihadisten ist Khorosan der arabische Namen Afghanistans. Die Prophezeiung besagt, dass die schwarze Fahne des Dschihad in Khorosan wehen wird und nicht aufzuhalten sein wird, bis sie Jerusalem erreicht.
Noch vor wenigen Monaten, ja sogar Wochen, haben wir erlebt, wie in den Köpfen der Dschihadisten im Grunde ein Zustand der Verzweiflung war: das Kalifat des IS war zerschlagen, sie waren nicht in den Medien, sie waren nicht in der Presse… Doch seitdem… Ich habe gesehen, wie die dschihadistischen Chats im Internet, insbesondere in arabischer Sprache, mindestens um das Acht- bis Zehnfache zugenommen haben.“
Morton wies weiter darauf hin, dass die Tötung des Mediensprechers der afghanischen Regierung, Dawa Khan Manapal, durch die Taliban in den Tagen vor dem Fall Kabuls der PR-Strategie von Al-Qaida vor dem 11. September ähnelte:
„Wann zwei Terrorgruppen miteinander zu konkurrieren und einander technisch bekämpfen, handelt es sich um einen Wettbewerb um Publicity und Presse. Terroristen kümmern sich nicht darum, wie viele Menschen sie töten, sondern darum, wie viele Menschen dabei zusehen. Wir werden einen massiven ideologischen Krieg zwischen den Dschihadisten weltweit erleben.“
Morton erklärte nach der Konferenz gegenüber Metro.co.uk, dass Al-Qaida, die sowohl eine lokale als auch eine globale Perspektive hat, schon jetzt versucht, aus dem Abzug der Koalition nach der 20-jährigen Intervention in Afghanistan Kapital zu schlagen.
„Für Al-Qaida ist dies die Bestätigung, dass Bin Ladens Krieg gegen den äußeren Feind, d. h. die USA und ihre westlichen Verbündeten, ein voller Erfolg war. Bin Laden erklärte, er werde die Amerikaner bis zum Bankrott ausbluten lassen, indem er sie in Afghanistan in einen Guerillakrieg verwickelt, wie es die afghanischen Mudschaheddin gegen die Sowjets taten.
Jeder Dschihadist, jeder Islamist und jeder Mensch, der den Islam mit Politik vermischt, fühlt sich vom Narrativ, dass eine andere Supermacht besiegt wurde, tief angesprochen. Das primäre Narrativ, das die Radikalisierung vorantreibt, ist in der Tat die David-gegen-Goliath-Mentalität; und so ist dies nur eine weitere Bestätigung für ihre Weltsicht, dass Terrorismus funktioniert.“
(Aus dem Artikel „Former Al-Qaeda recruiter warns of rise in online jihadist propaganda after US withdrawal“, der bei Metro erschienen ist. Übersetzung von Alexander Gruber.)