Gemeinsames Feindbild Frau: Iran und Afghanistan

FürPropagandaveranstaltungen sind Frauen auch im frauenfeindlichen Iran gut genug, wie hier bei einer Festveranstaltung zu Ehren einer neuen Überschallrakete. (© imago images/ZUMA Wire)
FürPropagandaveranstaltungen sind Frauen auch im frauenfeindlichen Iran gut genug, wie hier bei einer Festveranstaltung zu Ehren einer neuen Überschallrakete. (© imago images/ZUMA Wire)

Der Lage der Frauen ist im Iran zwar deutlich besser als in Afghanistan, die Unterdrückung von Frauen ist aber für beide Regime zentral.

Der Außenminister der Islamischen Republik Iran, Hossein Amir-Abdollahian, ließ unlängst mit seiner Bemerkung aufhorchen, dem Taliban-Regime im benachbarten Afghanistan wegen dessen Frauenunterdrückung abzusprechen, islamisch zu agieren. Konkret sprach der Vertreter der schiitischen Islamisten in Teheran dabei die Regelung seines sunnitisch-islamistischen Widerparts in Kabul an, Mädchen ab zwölf Jahren nicht mehr an Schulen und Universtäten studieren zu lassen.

Nun ist es zwar so, dass Frauen im Iran – natürlich nur, sofern sie den gesetzlich aufgezwungenen Hidschab tragen – zwar Schulen besuchen und studieren dürfen, aber im Allgemeinen ist die Diskriminierung und Unterdrückung von Frauen ebenso eine der tragenden Säulen im Iran der Mullahs wie im Afghanistan der Taliban. So verschärfte Teheran nicht nur unlängst die Repression gegen Frauen, die sich im Zuge der seit Mahsa Aminis Tod im September anhaltenden Proteste der Kopftuchpflicht widersetzen, sondern seit Monaten finden auch zahlreiche chemische Anschläge auf Mädchenschulen statt, an deren Aufklärung das Regime offenbar nicht das geringste Interesse hat.

Wie aus einem aktuellen CNN-Bericht hervorgeht, greifen Vertreter eines islamischen Rigorismus in Afghanistan nun zur exakt selben Methode, um Schulmädchen und deren Eltern einzuschüchtern und sie noch aus den kleinen Residuen zu vertreiben, die ihnen im Bereich der Bildung offengeblieben sind.

So wurden am vergangenen Wochenende im afghanischen Bezirk Sangcharak fast achtzig Grundschülerinnen vergiftet und mussten in ein Krankenhaus gebracht werden. Die Polizei hat nach Angaben des Leiters des regionalen Bildungsministeriums Mohammad Rahmani die Ermittlungen aufgenommen, sei aber noch im Unklaren über den Täter, das Motiv und die Art des gegen die Schulkinder eingesetzten Gifts. »Nachdem sie morgens in der Schule angekommen waren, fühlten sich die Schülerinnen plötzlich schwindlig, hatten Kopfschmerzen und Übelkeit«, beschrieb Rahmani die Symptome, die jenen ähneln, die man aus Berichten aus dem Iran kennt.

Und auch bei der Frage der Abtreibung etwa unterscheidet sich das Regime der Taliban kaum von dem der Ayatollahs: nicht nur ist sie in beiden Ländern verboten, vielmehr setzt die Islamische Republik ihren gesamten Repressionsapparat ein, dieses Verbot auch durchzusetzen. So drohte der Beamte des Gesundheitsministeriums Saber Jabari Faruji kürzlich ein strengeres Vorgehen gegen illegale Abtreibungen an und verkündete die Aufstellung einer »Nafs« (Persisch für »Leben«) genannten »Abtreibungspatrouille«, um dem aus der Sicht des Regimes gefährlichen Bevölkerungsrückgang entgegenzuwirken.

Die neue Einheit soll von den Basidsch-Milizen gestellt werden, eine der Islamischen Republik treu ergebene paramilitärische Freiwilligentruppe der Revolutionsgarden. Deren Einsätze zur Durchsetzung der strengen Bekleidungsvorschriften für Frauen waren im Rahmen der Proteste aus taktischen Gründen zwar zurückgefahren worden, doch nun scheint die Miliz im Rahmen des aktuellen Anziehens der Repressionsschraube ein Comeback zu erleben.

Bereits im vergangenen Jahr verabschiedete das iranische Parlament ein Gesetz, das es den öffentlichen Gesundheitsdiensten verbietet, Familienplanung anzubieten, worunter Verhütungsmittel, Abtreibungspillen, Vasektomien und Tubenektomien fallen. Ohne Zugang zu Verhütungsmitteln sind illegale Kliniken im Untergrund der letzte Ausweg für Frauen, die sich, aus welchen Gründen auch immer, zu einer Abtreibung entscheiden. Neben dem ökonomischen Druck im zusehends von Verarmung betroffenen Iran gibt es nämlich auch noch den sozialen bzw. politischen Druck: So drohen unverheirateten schwangeren Frauen Geldstrafen, soziale Ächtung und sogar Peitschenhiebe. Nun aber sollen die neuen Abtreibungspatrouillen dafür sorgen, auch noch die letzte Möglichkeit zur Beendigung einer ungewollten Schwangerschaft zu unterbinden.

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