Moran Stella Yanai berichtete in einem Interview mit der Washington Post von ihrer Entführung durch Hamas-Terroristen in den Gazastreifen und ihrer vierundfünfzigtägigen Geiselhaft.
Am Morgen des 7. Oktober 2023, als Terroristen auf dem Gelände des Nova Music Festivals wüteten, versuchte die vierzigjährige Schmuckdesignerin Moran Stella Yanai zu fliehen. Fünf Stunden lang irrte sie durch die Wüstenlandschaft des Negev und durch Kartoffelfelder, während sie ihren Eltern Sprachnachrichten schickte, da sie überzeugt war zu sterben. Schließlich stieß sie auf eine Gruppe von Terroristen, die sie dank ihrer begrenzten Arabischkenntnissen überzeugen konnte, keine Israelin zu sein, indem sie ihnen ihre Halskette mit ihrem zweiten Vornamen in arabischen Buchstaben zeigte.
In dem von den Terroristen veröffentlichten Livestream bettelt Yanai, beschimpft als »eine der jüdischen Hündinnen«, in einem Graben stehend, um ihr Leben – und wurde tatsächlich freigelassen. Auch einem anderen Trupp konnte sie entgehen; nicht jedoch dem dritten, der sie nach einem Sturz von einem Baum, in dem sie sich versteckt hatte und wobei sie sich einen Knöchel brach, gefangen nahm und mit einem Auto in den Gazastreifen verschleppte.
Die größte Party
Während der gesamten Fahrt fühlte sich Yanai, wie sie erzählte, »wie ein gejagtes Tier«, das von den Terroristen ununterbrochen geschlagen wurde. Der Anführer zog sie an den Haaren und zwang sie, ihre Augen offenzuhalten, um die sie anstarrenden Bewaffneten und die an den Straßen stehenden, feiernden Bewohner wahrzunehmen: »Sie führten sich auf, als hätten sie einen Preis gewonnen«, erinnerte sich Yanai gegenüber der Washington Post. »Es war die größte Party, die ich je gesehen habe. Wie bei einem Stier, der in eine riesige Arena gebracht wurde.« – Willkommen in Gaza, sagte der Bandenchef.
Als ihre Entführer sie in ein Krankenhaus brachten, betete sie um einen »Schlag auf den Kopf, dann werde ich nichts fühlen«. Im Spital wurde sie in anzüglicher Weise von Männern umringt, die ihr die Schuhe auszogen, ihre Taschen leerten und den Schmuck abnahmen. Der Arzt, der ihr einen Gips anlegte, sprach zwar Hebräisch, aber »er grinste mich nur an. Es war wie in einem Horrorfilm. Das war der Moment, in dem ich in meinem Kopf umschaltete und verstand, dass ich mich in einer sehr schlechten Situation befand. Von da an hieß es: Anfangen zu überleben.«
Psycho-Qualen
Während eines Ortswechsels wurde Yanai von einigen besonders brutalen Aufsehern der Gipsverband heruntergerissen, um sie anschließend zu zwingen, sechs Stockwerke mit hochhackigen, zu großen Schuhen hinunterzugehen.
Die Männer seien immer in Sichtweite gewesen, auch beim Gang auf die Toilette, und hätten neben ihr und den anderen Geiseln geschlafen. »Sie haben mich nicht vergewaltigt oder angefasst«, andere Entführte jedoch sehr wohl: »Ihre Geschichten haben mich erschüttert. Aber sie haben mir auch so viel Kraft gegeben, um noch härter für meine Brüder und Schwestern zu kämpfen, um sie nach Hause zu holen«, auch wenn Yanais Aufpasser ihr einreden wollten, ihre Familie hätte sie vergessen und es gäbe kein Israel mehr, in das sie zurückkehren könnte. Auch würden die Nachbarn sie umbringen, sollte sie zu viel Lärm machen, und die israelische Luftwaffe sie tot sehen wollte.
Während der Gefangenschaft durfte sie, außer auf Aufforderung, weder sprechen, um etwas bitten noch weinen oder andere Emotionen zeigen. Einmal wurde sie gezwungen, ihr Gesicht in die Hände zu legen und wie ein »verlorenes kleines Mädchen« zu schmollen, oder durfte nur mit leiser, hoher Stimme sprechen, wenn sie in einer choreografierten Aufführung um Essen oder Wasser bitten musste, worüber sich die Wachen amüsierten. »Sie benutzten uns als Spielzeug«, fügte sie hinzu.
Mit jedem Umzug wuchs Moran Stella Yanais Besorgnis um ihr Leben. Während ihrer Gefangenschaft wurde sie von unterschiedlichen Bewachern in sieben verschiedene Häuser gebracht. Im ersten Unterschlupf gingen Besucher, darunter Frauen und Kinder, ein und aus, um sie »anzustarren« und sich die von den Entführern über sie erfundenen Geschichten anzuhören. Wie sie später in gebrochenem Englisch erfuhr, sei sie eine Araberin, die ihr Land verraten habe und für die Israelischen Verteidigungsstreitkräfte rekrutiert worden sei.
Die letzte Woche verbrachte Yanai mit dem ebenfalls entführten Itay Svirsky, der eines Nachts von Hamas-Terroristen weggeschleppt wurde. »Du bleibst«, befahlen sie Yanai. Beim Abschied vereinbarten die beiden, in schriftlichem Kontakt zu bleiben. »Itay, vergiss nicht, dass du zu den außergewöhnlichsten Männern gehörst, die ich je gekannt habe«, waren ihre letzten Worte an den Mitgefangenen. Im Januar verkündete die Hamas in einem Video den Tod von Itay Svirsky und Yossi Sharabi, einer weiteren Geisel.
Die Freilassung
Als Moran Stella Yanai nach vierundfünfzig Tagen Gefangenschaft am 29. November 2023 im Rahmen eines vorübergehenden Waffenstillstandsabkommens, das Katar und die Vereinigten Staaten zwischen der Hamas und Israel erreicht hatten, freigelassen wurde, wog sie um fast acht Kilogramm weniger und war durch die Explosionen halb taub geworden. Anschließend begann sie in einem israelischen Krankenhaus eine Physiotherapie wegen ihres verletzten Knöchels, wobei ein komplexes regionales Schmerzsyndrom, bedingt durch die unsachgemäße Behandlung in Gaza, diagnostiziert wurde.
Dass sie sich durch das nun veröffentlichte Interview mit der Washington Post zu Wort meldet, entspräche ihrem Pflichtgefühl, für jene zu sprechen, die noch immer als Geiseln gehalten werden. »Sie können sich dort drinnen nicht selbst verteidigen. Ich möchte, dass meine Schwestern und Brüder aus dieser Hölle herauskommen.«