Von den einstmals 864.000 Juden in den arabischen Ländern und den 150.000 im Iran leben nach der »jüdischen Nakba« heute insgesamt zirka 16.500 in diesen Staaten.
Im Zuge des israelischen Unabhängigkeitskriegs – der auf die arabische Ablehnung der Teilungsresolution der Vereinigten Nationen im November 1947 und den Angriff der Nachbarstaaten auf den neu gegründeten jüdischen Staat im Mai 1948 folgte – verließen nach Berechnungen der UNO rund 726.000 der damals auf dem Territorium lebenden Araber Israel, wobei die Schätzungen hier auseinandergehen: Laut israelischen Berechnungen waren es lediglich 520.000, die ehemalige Mandatsmacht Großbritannien sprach von 810.000, die arabische Seite von rund einer Million Menschen, die das Gebiet aufgrund von Flucht und teilweise auch Vertreibung verließen.
Alles in allem handelte es sich um etwa 50 Prozent der arabischen Bevölkerung des Israel zugesprochenen Teils des britischen Mandatsgebiets. Die Zurückbleibenden bildeten den Kern der arabischen Israelis, die heute mit rund 1,5 Millionen ein Fünftel aller Bürger des jüdischen Staates stellen.
Einzigartiger Status
Die Empfehlungscharakter habende UNO-Resolution 194 der Generalversammlung vom 11. Dezember 1948 begrenzte die Forderung nach Rückkehr bewusst auf die im Kriegsverlauf Geflohenen, machte ihre Friedensbereitschaft zur Bedingung ihrer Rückkehr und verlangte zugleich die Integration der Palästinenser in jene Staaten, in die sie geflohen waren.
Israels Regierung wollte das palästinensische Flüchtlingsproblem erst nach Kriegsende im Rahmen von Friedensverhandlungen in Angriff nehmen. Die unterlegenen arabischen Staaten verweigerten diese Verhandlungen jedoch und deuteten die UNO-Resolution 194 als völkerrechtlichen Anspruch auf ein kollektives Rückkehrrechht für alle geflohenen und vertriebenen Palästinenser und ihre Nachkommen nach Israel.
Während für alle nicht-palästinensischen Flüchtlinge der Welt eine UNO-Hilfsorganisation existiert, der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR), wurde mit der UN-Resolution 302 am 8. Dezember 1949 eine eigene UNO-Organisation (UNWRA) allein für palästinensische Flüchtlinge geschaffen, die in der Folge den Flüchtlingsstatus auf nachfolgende Generationen ausdehnte. Nicht eine einzige der vielen UNO-Resolutionen zum arabisch-israelischen Konflikt beschäftigte sich dagegen mit dem Schicksal der jüdischen Flüchtlinge aus arabischen Ländern und dem Iran.
Von über einer Million auf 16.500
In unserer Reihe über die »jüdische Nakba« haben wir den Umfang der Vertreibung und Flucht von Juden aufgezeigt. Von den einstmals 864.000 Juden in den arabischen Ländern und den 150.000 im Iran leben heute insgesamt zirka 16.500 in diesen Staaten, was eine Flüchtlingszahl von insgesamt etwa einer Million ergibt.
1948 | 2023 | |
Ägypten (Teil 3) | 80.000 | 13 |
Irak (Teil 4) | 135.000 | 5 |
Marokko (Teil 5) | 238.000 | 5.000 |
Libanon (Teil 6) | 10.000 | 15 |
Syrien (Teil 6) | 15.000 | 15 |
Jemen (Teil 7) | 150.000 | 0 |
Algerien (Teil 8) | 1300.00 | 0 |
Tunesien (Teil 8) | 71.000 | 1500 |
Libyen (Teil 8) | 35.000 | 0 |
Arabische Welt gesamt | 864.000 | 6.548 |
Iran (Teil 9) | 150.000 | 10.000 |
Insgesamt | 1.014.000 | 16.548 |
Im Gegensatz zum Umgang der arabischen Staaten mit den palästinensischen Flüchtlingen bemühte sich Israel um die Integration der jüdischen Flüchtlinge, ohne aus ihrem Schicksal politisches Kapital schlagen zu wollen: Erst am 30. November 2014 wurde der Gedenktag für die Vertreibung der Juden aus arabischen Ländern begangen.

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Empfohlene weiterführende Literatur:
- Botschaft des Staates Israel: Die vergessenen jüdischen Flüchtlinge, Berlin 2016.
- Georges Bensoussan: Die Juden der arabischen Welt. Die verbotene Frage, Hentrich & Hentrich, Berlin 2019.
- Stephan Grigat: Antisemitic Anti-Zionism: Muslim Brotherhood, Iran, and Hezbollah. In: Armin Lange/Kerstin Mayerhofer/Dina Porat/Lawrence Schiffman (Ed.): Confronting Antisemitism in Modern Media, the Legal and Political Worlds. An End to Antisemitism. Vol. 5, de Gruyter, Berlin/Boston 2021.
- Stephan Grigat: Die Einsamkeit Israels. Zionismus, die israelische Linke und die iranische Bedrohung, Konkret Verlag, Hamburg 2014.
- Lyn Julius: Uprooted. How 3000 Years of Jewish Civilisation in the Arab World Vanished Overnight, Vallentine Mitchell, London 2018.
- Bernard Lewis: Die Juden in der islamischen Welt. Vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert, Beck, München 2004.
In der Reihe erschienen:
Die »jüdische Nakba« wird verschwiegen
Die »jüdische Nakba« (Teil 2): Geschichte der muslimischen Judenfeindschaft
Die »jüdische Nakba« (Teil 3): Die Vertreibung aus Ägypten
Die »jüdische Nakba« (Teil 4): Das Ende der jüdischen Gemeinde im Irak
Die »jüdische Nakba« (Teil 5): Das Verschwinden der jüdischen Gemeinde in Marokko
Die »jüdische Nakba« (Teil 6): Der Libanon, Syrien und die Ritualmordlegende zwischen 1840 und heute
Die »jüdische Nakba« (Teil 7): Die Juden des Jemen
Die »jüdische Nakba« (Teil 8): Die Flucht der Juden aus Algerien, Tunesien und Libyen
Die »jüdische Nakba« (Teil 9): Die Verfolgung der Juden im Iran
Die »jüdische Nakba« (Teil 10): Abschließende Zusammenfassung