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„Es ist mir gleichgültig, von welcher Seite der Antisemitismus kommt“

Der Präsident der Grazer jüdischen Gemeinde Elie Rosen
Der Präsident der Grazer jüdischen Gemeinde Elie Rosen (Quelle: Twitter, © Imago Images / imagebroker)

Statement des Präsidenten der Grazer jüdischen Gemeinde, Elie Rosen, zu den tätlichen Angriffen auf die Synagoge und auf seine Person.

Elie Rosen

Für die mir und der Jüdischen Gemeinde Graz in den vergangenen Stunden zuteil gewordene Anteilnahme und entgegengebrachte Solidarität darf ich mich auf diesem Wege recht herzlich bedanken. Mein Dank gilt auch den politischen Vertretern von Stadt, Land und Bund, die uns erneut den glaubwürdigen Eindruck vermittelt haben, dass jüdisches Leben in Graz, der Steiermark und in Österreich Zukunft haben soll.

Ich habe stets darauf hingewiesen, dass es mir gleichgültig ist, von welcher Seite Antisemitismus kommt: von Links, von Rechts, von oben oder von unten. Er ist und bleibt gleichermaßen inakzeptabel und unappetitlich. Unappetitlich ist es für uns auch, wenn Vorfälle wie jene von Graz, dazu benützt werden, um hieraus (auch in Foren) politisches Kleingeld zu schlagen. Wo die eine Seite der anderen Seite quasi beweisen möchte, wo denn nun die besseren Antisemiten zu Hause sind. Ein derartiger Missbrauch der Ereignisse bzw. von Opfern des Antisemitismus ist schändlich.

Ich habe – basierend auf einschlägigen Studien – in der Vergangenheit stets darauf hingewiesen, dass dem israelbezogenen Antisemitismus eine immer stärker werdende Bedeutung zukommt. Es ist auch jene Form des Antisemitismus der uns als jüdischer Gemeinde in Graz am offensivsten entgegenschlägt. Dabei geht es nicht um einen legitimen politischen Diskurs, sondern den Versuch – insbesondere durch Doppelstandards – den jüdischen Staat und letztlich Juden in aller Welt zu desavouieren.

Die Unterstützer der Israelboykott-Bewegung BDS in Graz, denen es ja angeblich immer nur um den Staat Israel und nicht um die Juden der Diaspora geht, habe ich in den letzten Tagen – ganz ungewohnt – nur schweigend wahrgenommen.

Überrascht war ich aber, bei den Solidaritätsbekundungen heute Nachmittag politische RepräsentantInnen an vorderster Front zu sehen, die die Anti-BDS Resolutionen des Grazer Gemeinderates letzten Herbst nicht zu unterstützen vermochten, und in ihren Räumlichkeiten alljährlich Gäste/Künstler empfangen, die mit der Stoßrichtung von BDS ganz gut im Einklang stehen. Gerade sie schwangen neben den noch recht frischen „Free Palestin“ (sic!) Schmierereien am jüdischen Gemeindehaus ihre Reden und/oder gaben sich ein Stelldichein.

Wer die Existenz eines israelbezogenen Antisemitismus, ja einen Zusammenhang zwischen dem Haß gegenüber dem Staats Israel und einen Haß gegenüber Juden zu verneinen können meint, der leugnet jene Realität, wie sie sich der Jüdischen Gemeinde in Graz in den letzten Tagen offenbart hat.

Wenn ein Redakteur einer steirischen Tageszeitung dem Grunde nach allen ernstes vermeinte, er könne den propalästinensischen Parolen auf der Synagoge „eher nichts“ antisemitisches abgewinnen, so ist dies ein Hohn von kaum erreichter Dreistigkeit. Oder Dummheit, weil sich diese Parolen eben auf einem jüdischen Gebetshaus aufgebracht fanden und nicht auf einer Würstelbude am Grazer Hauptplatz.

Hatte der Herr Redakteur allen Ernstes Grund zur Annahme, dass dem Sprayer propalästinensischer Statements, der mit Steinen Fensterscheiben zertrümmerte, unbekannt war, dass es sich bei dem Gebäude um eine Synagoge oder bei einer Synagoge gar um ein jüdisches Gebetshaus handelt. Ebenso wenig, wie der selbe Täter nicht von ungefähr und in schändlicher Weise, dass Lokal der Rosalila Pantherinnen ins Visier genommen hat. Auch Ihnen gilt meine Solidarität. Haß kennt keine Grenzen, das hat uns schon unsere Vergangenheit gelehrt.

Ich bedanke mich an dieser Stelle bei all jenen, die uns schon in der Vergangenheit im Kampf gegen Antisemitismus unterstützt haben. Ich bedanke mich bei all jenen, die in unserer Gesellschaft für eine Wertebild kämpfen, wie es sich uns aus System der Europäischen Menschenrechtskonvention erschließt.

Ein Wertesystem der Gleichbehandlung von Menschen ohne Unterschied des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, der Ethnie, der sexuellen Orientierung oder Identität, der Lebens- und Liebesweisen etc. Ein Wertesystem, das über Jahrzehnte erkämpft werden musste und nicht selbstverständlich ist.

Es gilt dieses Wertsystem tagtäglich wie eine Pflanze zu pflegen, es zu verteidigen und derart zu bewahren. Es gilt all jene in die Schranken zu weisen, die vermeinen dieses Wertesystem eben durch sich selbst zur Fall zu bringen. Die vermeinen, es dazu mißbrauchen zu können, um extremistischen Gedankengut und einer Welt des Hasses oder der Gewalt zum Durchbruch zu verhelfen.

Seien wir wachsam.
Herzlichst, Ihr
Elie Rosen

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