Homosexuelle sind vor allem im arabischen Raum noch immer massiven Repressalien ausgesetzt. Sie werden verfolgt, verhaftet und gefoltert. Nun wurde in Syrien die allererste Gruppe zur Verteidigung von LGBT-Rechten gegründet.
Homosexuelle in Syrien sind ebenso mit täglicher Diskriminierung und Gewalt konfrontiert wie mit einer Politik und rechtlichen Lage, durch die sie kriminalisiert werden. Artikel 520 des syrischen Strafgesetzbuchs stellt Homosexualität unter Strafe und sieht im Fall einer Verurteilung eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren vor.
Ein nur unter Pseudonym auftretender Betroffener erzählt gegenüber Al-Monitor, dass er wegen der Verfolgung, der er in Aleppo wegen seiner Homosexualität ausgesetzt war, zunächst in die Türkei geflüchtet ist, wo Homosexualität zwar nicht verboten, aber die Lage aufgrund der gesellschaftlichen Diskriminierung nicht viel besser ist, weswegen er – bislang erfolglos – weiter nach Westeuropa flüchten wolle.
Ein weiterer Betroffener, der aus der Region Rif Dimashq nahe von Damaskus nach Nordwestsyrien geflüchtet ist, erzählt:
»Jemand hat mich an [das islamistische Bündnis] Hayat Tahrir al-Sham (HTS) verraten, ich wurde verhaftet und war acht Monate lang den schlimmsten Formen der Folter und Erniedrigung ausgesetzt.
Als ich im Zuge einer Generalamnestie entlassen wurde, zog ich in ein Gebiet unter der Kontrolle der [oppositionellen] Syrischen Nationalen Armee, weil ich Angst hatte, sofort wieder verhaftet zu werden. Aber wegen meiner sexuellen Orientierung und der gesellschaftlichen Intoleranz finde ich keine Arbeit. Aus Angst vor körperlicher oder physischer Gewalt bin ich gezwungen, in kompletter Geheimhaltung zu leben.«
Vor diesem Hintergrund versuchen syrische LGBT-Aktivisten, Kampagnen zu organisieren, mit denen sie die gesellschaftlichen Stereotypen angreifen und verändern sowie rechtliche Gleichberechtigung erreichen wollen. Aufgrund der schwierigen Lage war vielen der Kampagnen aber kein langes Leben beschieden, und ernstzunehmende Fortschritte blieben bislang aus.
Am 24. März jedoch gründeten Aktivisten aus der syrischen LGBT-Community die Bewegung der Beschützer der Gleichheit (GEM), die sich der Verteidigung der Menschenrechte für Homosexuelle widmet und eine der ersten Organisationen ihrer Art in Syrien darstellt. GEM versteht sich als Nichtregierungsorganisation, die sich um die Belange aller Homosexuellen in Syrien und der syrischen Diaspora weltweit kümmert, wie es auf ihrer Website heißt:
»GEM arbeitet auf der gesellschaftlichen und diplomatischen Ebene für den Schutz und die Vertretung der Menschenrechte aller gefährdeten syrischen LGBTQIA+-Personen, unabhängig von deren politischer Ausrichtung oder ihres religiösen und ethnischen Hintergrundes.
Unsere Programme unterstützen die Grundbedürfnisse der syrischen LGBTQIA+-Personen, bieten ganzheitliche Schutzeinrichtungen in unsicheren Verhältnissen an, dokumentieren Menschenrechtsverletzungen gegenüber LGBTQIA+-Personen und betreiben Forschung sowie Interessenvertretung, die LGBTQIA+-Rechte in Syrien fördern sollen.«
Der GEM-Vorstandsvorsitzende, der es vorzog, anonym zu bleiben, erklärte gegenüber Al-Monitor, dass er selbst unmittelbar von der grassierenden Homosexuellenfeindlichkeit in Syrien betroffen war, was den Ausschlag für seinen Aktivismus und die Gründung von GEM gab:
»Kürzlich wurde ich festgenommen und erfuhr Gewalt, weil ich homosexuell bin, während es keine einzige Organisation in Syrien gab, die sich der Verteidigung der Rechte von LGBT-Personen widmet. Das brachte mich, zusammen mit einer Reihe weiterer Aktivisten, dazu, GEM zu gründen.«
Sein Zielpublikum erreiche GEM über traditionelle und soziale Medien sowie über Partnerorganisationen und seine eigenen Mitglieder. Besonders wichtig seien dabei der Datenschutz und die Wahrung der Privatsphäre, um den Klienten nicht dadurch, dass ihre Fälle öffentlich werden, noch weiteren Schaden zuzufügen.
»Nur so können wir deren Sicherheit garantieren. Nachdem wir die Misshandlung unserer Klienten überprüft und dokumentiert haben, bieten wir ihnen finanzielle Unterstützung an, um ihnen dabei zu helfen, ihre Situation zu verbessern und in ein sicheres Umfeld zu ziehen.«
Einer der Betroffenen, die in den Genuss solch finanzieller Unterstützung kam, erzählt ebenfalls, wie er von HTS verhaftet und eingesperrt wurde:
»Ich wurde daran gehindert, meine Familie zu kontaktieren, und mir wurde nicht erlaubt, einen Anwalt zu nehmen. Als meine mentale und körperliche Gesundheit aufgrund der Folter immer schlechter wurde, haben sie mich vier Tage nach meiner Festnahme in ein Spital transferiert, aus dem ich dann entlassen wurde.
Doch haben Mitglieder der HTS-Sicherheitsdienste auch danach noch einen Monat lang fast täglich Razzien bei mir durchgeführt. Als ich die 7.000 Dollar von GEM bekommen habe, konnte ich aufs Land nördlich von Aleppo ziehen, von wo ich nun versuche, in die Türkei und weiter nach Europa zu kommen.«
Während des syrischen Bürgerkriegs verschlechterte sich mit der allgemeinen Menschenrechtslage auch die Situation für Homosexuelle. So waren sie Opfer von Verschleppungen, Verhaftungen und sexuellen Übergriffen in diversen Regionen Syriens.
Das Desinteresse der internationalen Gemeinschaft macht es für NGO schwer bis unmöglich, etwas gegen die verheerende Situation zu tun. So gibt es noch nicht einmal tragfähige Statistiken über Gewalt gegen Homosexuelle in Syrien, auch deswegen, weil die Betroffenen aus Angst vor Repression und weiterer Gewalt oft schweigen.
Der Direktor des Syrischen Netzwerks für Menschenrechte, Fadel Abdul Ghany, macht die starke Ablehnung durch alle Religionen und sozialen Kulturen hindurch dafür verantwortlich, dass die Situation der Homosexuellen in Syrien so katastrophal ist und sich kaum bessert.
»Keine Organisation ist wirklich in der Lage, sie zu schützen. Hinzu kommt noch die große Zahl an Übergriffen und Misshandlungen, denen LGBT-Personen in Syrien ausgesetzt sind und die von Festnahme, Verschleppung, Folter bis hin zu Mord gehen können. So etwas passiert, wenn Menschenrechtsorganisationen es unterlassen, über diese Misshandlungen aufzuklären, die Verstöße gegen die persönlichen Freiheiten sind.«