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Erdogans Erlösungsantisemitismus: „Kein Baum wird die Juden schützen“

Auf Antrag des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan fand vorgestern ein Sondergipfel der Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC) in Istanbul statt, auf dem die Anerkennung des „besetzten Jerusalem“ als Hauptstadt eines Palästinenserstaates beschlossen und die Rolle des USA als Vermittler im Friedensprozess zwischen Israel und den Palästinensern für beendet erklärt wurde.

Bereits im Vorfeld des Gipfels hetzte Gastgeber Erdogan gegen den jüdischen Staat, den er als „Terroristen“ bezeichnete, der sich am „unschuldigen Opfer“ Palästina vergehe und Kinder töte.

Wer allerdings glaubte, dass damit der Höhepunkt erreicht war und Erdogan diese Neuauflage der antisemitischen Ritualmordlegende nicht mehr übertreffen könne, der hatte sich verschätzt. Denn in seiner Rede zum Abschluss des Gipfels erhob Erdogan Foltervorwürfe gegen Israel und erneuerte seinen Vorwurf des Kindermords, wobei die Blutschuldanklage noch deutlicher in den Vordergrund trat als zuvor schon:

„Das Schicksal Jerusalems kann nicht einem Land überlassen werden, das sich von Blut ernährt und seine Grenzen erweitert, indem es Kinder, Zivilisten und Frauen brutal ermordet.“ [Hervorhebung von Mena Watch.]

An den US-Präsidenten – den er in seiner Rede ebenfalls angriff und als „Partner beim Blutvergießen“ bezeichnete – gerichtet, fragte Erdogan schließlich: „Hey Trump! Stehst Du etwa hinter diesem Israel? Hier gibt es Besatzung, hier gibt es Folter, hier gibt es Terror. Verteidigst Du das etwa?“

Israel verwandle Jerusalem in ein „Gefängnis für Muslime“, so Erdogan in seiner Abschlussrede, in der er schließlich wenig verklausuliert die Vernichtung der jüdischen Bevölkerung Israels forderte: „Vor 1940“ habe es „keinen jüdischen Staat“ gegeben, führte der türkische Präsident aus und drohte dann, „jene, die meinen, die Stadt zu besitzen“ – also Israels Juden – würden zu gegebener Zeit „keinen Baum finden, hinter dem sie sich verstecken können“.

Dies mag für den uneingeweihten Beobachter auf den ersten Blick nach einer „merkwürdigen Aussage“ oder einer „wortmalerischen Wendung“ klingen, wie der Sprecher der Jewish Agency Avi Mayer feststellte. Doch unbedacht oder gar harmlos war Erdogans Bemerkung keineswegs, war sie doch eine Anspielung auf einen der wohl judenfeindlichsten Hadithe – also einen dem Propheten Mohammed zugeschriebenen Ausspruch –, der sich finden lässt:

„Die letzte Stunde wird nicht schlagen, bis die Muslime die Juden bekämpfen und töten, sodass die Juden sich hinter Steinen und Bäume verstecken. Die Steine oder Bäume sagen jedoch: O, Muslim! O, Diener Gottes, ein Jude versteckt sich hinter mir. Komm und töte ihn!“

Auf diesen Hadith also – der sich nicht zufällig auch in der Charta der Hamas findet – spielte der türkische Gastgeber in seiner Rede vor der Organisation für Islamische Zusammenarbeit also an. Seine Ausführungen zu Israel und Jerusalem sind damit als wenig „verhüllte Drohung“ zu charakterisieren, „jeden einzelnen Juden zu töten“, wie der aus der Türkei geflohene Journalist Abdullah Bozkurt in einem Twitter-Kommentar anmerkte: als antisemitische Brandrede also.

Die Vorstellung, dass die Verfolgung und Ermordung von Juden Frieden und Gerechtigkeit bringt, bezeichnete der israelische Historiker Saul Friedländer als „Erlösungsantisemitismus“. Friedländer hatte den Begriff im Zuge seiner Beschäftigung mit dem Nationalsozialismus und der Vernichtung des europäischen Judentums geprägt.

Dass es nun der Präsident eines NATO-Mitglieds ist, der ebenfalls solchen Vorstellungen anhängt, sollte dann vielleicht doch ein bisschen mehr Beunruhigung hervorrufen, als es Erdogans Jerusalem-Rede – im Gegensatz zu der von Donald Trump in der vergangenen Woche – hierzulande getan hat. Von einer öffentlichen Verurteilung von Erdogans antisemitischer Besitzerklärung für Jerusalem durch die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini oder den deutschen Außenminister Sigmar Gabriel etwa ist bis jetzt nichts bekannt.

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