Kulturstaatsministerin stellt sich schützend vor antisemische Kampagne

Claudia Roth wird die nächste deutsche Kulturstaatsministerin
Claudia Roth wird die nächste deutsche Kulturstaatsministerin (© Imago Images / Leonhard Simon)

Der Kulturstaat Deutschland bekommt eine neue Kulturstaatsministerin: Claudia Roth (Bündnis 90 / Die Grünen). Diejenigen, die jüdische Israelis boykottieren wollen, wird das freuen. Denn Claudia Roth hat Sympathien für sie und will die Zusammenarbeit mit ihnen unbedingt schützen und aufrechterhalten.

Das machte sie 2019 klar, als sie die Resolution des Deutschen Bundestages „Der BDS-Bewegung entschlossen entgegentreten – Antisemitismus bekämpfen“ ablehnte und anschließend in einer Stellungnahme, die sie zusammen mit Jürgen Trittin und einigen anderen Grünen veröffentlichte, erklärte, warum.

Sie könne „dem Antrag von CDU/CSU, SPD, FDP und der Mehrheit der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen nicht zustimmen“, so Roth. Zwar hätten „verschiedene Umfragen“ gezeigt, „dass antijüdische Vorurteile, Einstellungen und Haltungen in den Staaten der Europäischen Union stark ansteigen“. Deshalb sei es ihr wichtig zu „unterstreichen“, dass es „keine legitime Rechtfertigung für antisemitische Haltungen“ gebe.

Es folgte ein Abschnitt, in dem Claudia Roth die „mörderischen Folgen“ des Antisemitismus anprangert; das „unbedingte Nein zum Hass auf Jüdinnen und Juden gleich welcher Staatsangehörigkeit“ zum „Teil der deutschen Staatsräson“ erklärt; betont, dass „Antisemitismus eine Bedrohung sowohl für Jüdinnen und Juden als auch für die freiheitlich-demokratische Grundordnung“ sei; und es „beunruhigend und nicht hinnehmbar“ findet, „wenn (sic!) Antisemitismus in den vergangenen Jahren zugenommen hat und die jüdische Gemeinschaft zunehmend verunsichert ist“.

Denkt Claudia Roth an Antisemitismus, dann ist sie in Sorge – und zwar macht sie sich „Sorgen“ darüber, dass „Städte und Gemeinden“ womöglich „keine Räumlichkeiten für die BDS-Bewegung oder Gruppierungen, die deren Ziele aktiv verfolgen“ mehr „zur Verfügung stellen“ könnten. Weiter schreibt sie:

„Seit Jahren ruft die 2005 aus der palästinensischen Zivilgesellschaft entstandene Bewegung Boycott, Divestment and Sanctions (abgekürzt BDS) zur Isolation und zum wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Boykott des Staates Israel auf. Sie will damit gewaltfrei ein Ende der israelischen Besatzung palästinensischer Gebiete sowie des völkerrechtswidrigen Siedlungsbaus in den besetzten Gebieten erreichen.“

Dass BDS ein „Ruf“ „der palästinensischen Zivilgesellschaft“ sei, ist ein Propagandamythos. BDS war von Anfang an alles andere als „zivil“. Ein aus der Hamas, der Fatah, der PFLP, der DFLP und anderen Terrororganisationen bestehendes Bündnis der „Nationalen und Islamischen Kräfte“ veröffentlichte am 10. Februar 2001 (fünf Monate nachdem Jassir Arafat die „Zweite Intifada“ angeordnet hatte) eine Erklärung, in der es heißt:

„Die Nationalen und Islamischen Kräfte erwarten die Stärkung der Rolle aller Kräfte des palästinensischen Volkes in einer umfassenden Konfrontation; die Kräfte rufen die populären Institutionen und Organisationen auf, die Aktivitäten der Komitees für Rückkehrrecht zu aktivieren, israelische Produkte zu boykottieren und gegen die Normalisierung zu arbeiten.“

Der „Rat der Palästinensischen Nationalen und Islamischen Kräfte“ gibt auch heute noch in der BDS-Organisation den Ton an. Der Boykott ist die Fortsetzung des Boykotts, den die Arabische Liga im Dezember 1945 gegen Juden in Palästina verhängte und der ab 1948 den Staat Israel betraf. (Frühere Formen des Boykotts gegen palästinensische Juden gab es sogar schon in den 1920er Jahren.)

Kulturstaatssekretärin, die kein Problem mit Kulturboykott hat

Claudia Roth gibt in dem oben zitierten Absatz zu erkennen, dass sich der Boykott auch gegen jüdische Künstler richtet: Sie erwähnt den Begriff Kulturboykott. Auch mit einem „Kulturboykott“ hat die neue Kulturstaatsministerin also keine Probleme.

Hören wir, was BDS selbst zu den drei Formen des Boykotts sagt:

  • Wirtschaftsboykott: „Die israelische Wirtschaft ist in besonderem Maße vom internationalen Handel und von internationalen Investitionen abhängig, was sie besonders anfällig für internationale Wirtschaftsboykotte macht.“
  • Kulturboykott: „Wenn internationale Künstler in israelischen Kulturstätten und Institutionen auftreten, tragen sie dazu bei, den falschen Eindruck zu erwecken, Israel sei ein ‚normales‘ Land wie jedes andere.“
  • Wissenschaftsboykott: „Da sie sich weigern, Unterdrückung zu normalisieren, unterstützen viele akademische Vereinigungen, Studentenvertretungen und Gewerkschaften sowie Tausende von internationalen Akademikern jetzt den akademischen Boykott Israels.“

Claudia Roth lobt all das als „gewaltfrei“. Die Ziele von BDS übersetzt sie so, dass sie für ein grünes deutsches Publikum akzeptabel klingen sollen: BDS wolle lediglich

„ein Ende der israelischen Besatzung palästinensischer Gebiete sowie des völkerrechtswidrigen Siedlungsbaus in den besetzten Gebieten erreichen.

Dabei lässt das Manifest von BDS bewusst offen, wie das Verhältnis zwischen Israel*innen und Palästinenser*innen geregelt werden soll. Es beinhaltet kein klares Bekenntnis zur Zwei-Staaten-Regelung oder zum Existenzrecht Israels.“

Claudia Roth muss entweder Insiderwissen haben oder sich sehr stark mit „BDS“ identifizieren: Woher sonst könnte sie wissen, dass die Boykotteure eine Sache „bewusst offen“ gehalten hätten? Es klingt, als wäre Roth dabei gewesen und wollte die Weisheit und das Bewusstsein der BDS-Führer loben.

Dass es bei BDS „kein klares Bekenntnis zur Zwei-Staaten-Regelung oder zum Existenzrecht Israels“ gebe, ist ein grotesker Euphemismus, mit dem Ziel, den Radikalismus von BDS zu verschleiern. Auf der BDS-Website heißt es über die jüdische „Besatzung“, diese reiche „bis mindestens 1948 zurück“. Mindestens!

BDS, heißt es in einer Selbstdarstellung, befürworte einen „kompletten Boykott Israels, bis Israel sein dreifaches System der Unterdrückung beendet, nicht einfach bloß seine Besatzung der West Bank und Gazas“.

Auch BDS-Führer Omar Barghouti lässt bei seinen zahlreichen öffentlichen Auftritten nie einen Zweifel daran, was das Ziel von „BDS“ ist. Er sagt:

„Ich bin komplett und kategorisch gegen Binationalismus, weil er davon ausgeht, dass es gleiche moralische Rechte auf das Land gäbe und wir darum beide nationalen Rechte miteinander versöhnen müssten. Ich bin komplett dagegen.“

Er betont:

„Man kann das Recht auf Rückkehr der Flüchtlinge nicht mit einer Zwei-Staaten-Lösung vereinbaren. (…) Eine Rückkehr der Flüchtlinge würde Israels Existenz als jüdischer Staat beenden.“

Und er sagt klipp und klar (bei Min. 04:56):

„Wenn die Flüchtlinge zurückkehren, dann hat man keine Zwei-Staaten-Lösung. Dann gibt es Palästina neben Palästina.“

BDS ist eine antisemitische Kampagne …

Das Ziel von BDS ist die Zerstörung des Staates Israel, jegliche Kompromisse oder Bestrebungen nach Aussöhnung und Koexistenz werden als „Normalisierung“ abgelehnt. Auch nur mit jüdischen Israelis zu reden, wäre „Normalisierung“ und ist verpönt.

BDS heißt Judenboykott und das Ziel ist das gleiche wie bei dem von der Arabischen Liga erklärten Boykott von 1945: „Juden raus aus Palästina.“ Claudia Roth aber preist BDS und erzählt dem deutschen Publikum Dinge, die nicht stimmen, und die die Kampagne harmlos oder gar moralisch erscheinen lassen sollen.

Es sei falsch, so Roth,

„BDS, alle beteiligten Organisationen und Einzelpersonen pauschal als antisemitisch zu bezeichnen … Damit werden weite Teile der palästinensischen Zivilbevölkerung, aber auch vereinzelte israelische Initiativen, die sich gewaltfrei für ein Ende der völkerrechtswidrigen Besetzung einsetzen und vor diesem Hintergrund BDS unterstützen, in die antisemitische Ecke gestellt.“

Nein, sie werden nicht in die „antisemitische Ecke“ gestellt, sie betreiben eine durch und durch antisemitische Kampagne.

… und Claudia Roth verteidigt sie

Fall es irgendjemanden in diesem Haufen gibt, dem das nicht von Anfang an klar gewesen sein sollte, muss man ihn zur Umkehr aufrufen, auf dass er etwa sagt: „Oje, ich habe mich an einer antisemitischen Kampagne beteiligt, deren Ziel es war, eine Psychologin von einer internationalen Konferenz in Südafrika auszuladen, weil sie israelische Jüdin ist. Das war falsch und ich schäme mich dafür.“

Claudia Roth aber will keinen einzigen BDS-Antisemiten eines Besseres belehren. Sie verteidigt die Täter vielmehr und will sie in ihrem Tun bestärken:

„Der Antrag [die Resolution des Deutschen Bundestages; S.F.] fordert die Bundesregierung zudem auf, keine Projekte mehr finanziell zu fördern, die die BDS-Bewegung aktiv unterstützen. Damit drohen diverse entwicklungspolitische Projekte in Palästina, aber auch die Zusammenarbeit politischer Stiftungen mit zahlreichen Akteur*innen der israelischen und palästinensischen Zivilbevölkerung in Frage gestellt zu werden. (…)

Aus allen diesen Gründen können wir diesem Antrag nicht zustimmen.“

Es gibt also eine Zusammenarbeit deutscher Parteistiftungen mit Antisemiten. Das stimmt: Die Heinrich-Böll-Stiftung der Grünen arbeitet etwa mit den Terrorunterstützern der PFLP-nahen Organisation Addameer zusammen. Und das soll sich offenbar auch nicht ändern, wenn es nach Claudia Roth geht.

Es ist, schrieb Alex Feuerherdt 2019 angesichts mancher grüner Reaktionen auf die Anti-BDS-Resolution des Deutschen Bundestages, „als wäre BDS in den palästinensischen Gebieten eine Art Naturgesetz, das man nun mal hinzunehmen hat und nicht grundsätzlich infrage stellen darf“.

Ein anderer Vergleich: Es ist, als hätte in der Bundesrepublik der 1960er Jahre jemand argumentiert, der Deutsche Bundestag dürfe nicht die Verbrechen des Nationalsozialismus verurteilen, weil es ja im Parlament, der Regierung, der Verwaltung und der Justiz so viele Altnazis gebe, die sich dann brüskiert fühlen könnten.

Es ist Claudia Roth lieber, wenn jüdische Israelis in Deutschland schikaniert, beschimpft und ausgegrenzt werden, als dass irgendein BDS-Antisemit glaubt, er wäre nicht mehr ganz so wohlgelitten. Das qualifiziert sie für das Amt der Kulturstaatssekretärin. Sie wird ihren Einfluss nutzen.

Wenn es in den nächsten vier Jahren Diskussionen gibt, weil BDS-Unterstützer mit staatlichem Geld zur Ruhrtriennale eingeladen werden; oder vielleicht auch ein BDS-Philosoph, der einst verhindert hat, dass eine israelische Psychologin an einer internationalen Konferenz in Südafrika teilnehmen darf – dann werden die Antisemiten die Stimme der Regierung hinter sich wissen. Aber das ist in Deutschland ja nichts Neues.

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