„Ein schöner Verriss“: Ein Israelkritiker lobt die Süddeutsche Zeitung

René Wildangel rezensierte in der Süddeutschen Zeitung Matthias Küntzels Buch „Nazis und der Nahe Osten“
René Wildangel rezensierte in der Süddeutschen Zeitung Matthias Küntzels Buch „Nazis und der Nahe Osten“ (Quelle: Hentrich & Hentrich, Thomas Angermann / CC BY-SA 2.0)

Was Ludwig Watzal und René Wildangel über Matthias Küntzels Buch „Nazis und der Nahe Osten“ schreiben.

Um Ludwig Watzal war es still geworden. Jetzt aber forderte ihn mein Buch „Nazis und der Nahe Osten“ heraus.

Als Israelhasser par excellence hatte sich Watzal vor gut 15 Jahren eine gewisse Prominenz erworben. Er war damals der einzige Mitarbeiter der Bundeszentrale für Politische Bildung, der seine ambivalente Position zum islamistischen Terrorismus offen demonstrierte, weshalb mehrere jüdische Organisationen seine Entlassung forderten.

Er publizierte wiederholt auf einer Homepage, die sich mit Hamas, Hizbollah und Mahmoud Ahmedinejad solidarisch zeigte.

Er verbreitete, so das Berliner Zentrums für Antisemitismusforschung „die typischen Klischees vom jüdischen Kapital und jüdischer Macht“. Die Bundeszentrale untersagte ihm, Nahost-bezogene Themen zu bearbeiten; ihm wurde gar verboten, bei privater publizistischer Betätigung seinen Arbeitgeber zu nennen.

Nicht nur Watzal ist sich treu geblieben, …

Und er ist sich treu geblieben. Am 13. Juni 2020 kommentierte er mein Buch auf einem Facebook-Account mit dem vielsagenden Titel „Siedlung, Mauer und Checkpoint“, den ein Button mit dem Slogan „BOYCOTT Apartheid, BOYCOTT Israel“ ziert.

Küntzels „neuestes Machwerk“, schreibt er dort,

„trieft vor abgestander (sic) Ideologie. Er gehört zu den politischen Agitatoren, die den zionistisch eingefärbten ‚Nazi-Antisemitismus‘ dem Islam unbedingt ans Revers heften wollen. Mit diesem Entlastungsantisemitismus scheint Küntzel Israel von seinen kollosalen (sic) Verbrechen freisprechen zu wollen. Alle Küntzel-Bücher leiden an der politischen Verbohrtheit und Wahnhaftigkeit des Autors. Sie sind das Papier nicht wert, auf dem sie gedruckt sind.“

Hier ist nicht nur der Gefühlsausbruch als solcher interessant, sondern auch das Wort vom „zionistisch eingefärbten ,Nazi-Antisemitismus‘“. Es verweist auf das antijüdische Phantasma vom heimlichen Pakt, den es zwischen Zionisten und Nazis gegeben haben soll. Was er mit „Entlastungsantisemitismus“ meint, steht hingegen in den Sternen.

… sondern auch die Süddeutsche Zeitung

Anlass für Watzals Intervention ist die Buchrezension von René Wildangel, die die Süddeutsche Zeitung am 18. Mai 2020 publizierte. „Ein schöner Verriss des Pamphlets von Matthias Küntzel“, lobt Watzal diesen Text.

Er kann hierüber in der Tat frohlocken. Wildangel vermeidet zwar Vokabeln wie „Machwerk“ oder „Wahnhaftigkeit“, doch ist er sich mit Watzal darin einig, dass Bücher über den Nahen Osten eines jedenfalls nicht dürfen: Israel „entlasten“ (Watzal) oder gar „freisprechen“ (Wildangel). Andernfalls geht der Daumen nach unten.

Wildangel schreibt:

„Küntzels monokausale Erklärung der ,Verbreitung  eines islamisch eingefärbten Nazi-Antisemitismus in der arabischen Welt‘ fügt sich in ein geschichtspolitisches Narrativ, das Israel von der eigenen Verantwortung im israelisch-palästinensischen Konflikt freisprechen soll.“

Auf die Relevanz der von mir neu erschlossenen Quellen kommt es nicht an. Ob ich sie richtig oder falsch interpretiere, ist nebensächlich. Entscheidend ist, dass sich das Resultat historischer Forschung nicht „in ein geschichtspolitisches Narrativ einfügt“, das Israel eventuell zum Vorteil gereichen wenn nicht sogar „freisprechen“ könnte.

Der Tunnelblick der Ideologie hat Vorrang vor dem Versuch der Annäherung an die historische Realität. Das Korsett der politischen Korrektheit bestimmt, was historisch wahr ist oder falsch. Auf diese Weise setzt sich das Paradigma der 1968er – je radikaler die Kritik an Israel, desto „progressiver“ ihr Autor – fort.

Vorsätzliche Ignoranz

Natürlich ist es Wildangels gutes Recht, das eigentliche Thema meiner Studie – den islamischen Antisemitismus – zu ignorieren und das zentrale Dokument meines Buchs, den Aufruf „Islam und Judentum“ von 1937, unbeachtet zu lassen. Damit gibt er jedoch gleichzeitig zu erkennen, worüber er nicht sprechen, welche Topoi er auch in Zukunft eher meiden will.

Da ist zum Beispiel die nicht unbedeutende Frage nach dem Verhältnis zwischen Antisemitismus und Nahostkonflikt: Haben die Zuspitzungen des Nahostkonflikts den Antisemitismus bewirkt, oder der Antisemitismus jene Zuspitzungen?

Für diese Diskussion ist das Gründungsdokument des islamischen Antisemitismus, der bislang unbeachtet gebliebene Aufruf „Islam und Judentum“ bedeutsam, da er bereits 1937, also in einer Frühphase des Nahostkonflikts Verbreitung fand. Doch wir haben verstanden: Darüber soll nicht geredet werden; Themen dieser Art sollen Wildangels Publikum nicht verstören.

Hat diese vorsätzliche Ignoranz Bestand? Ich glaube das nicht. Mein Buch präsentiert erstmals Dokumente, die neue Fragen aufwerfen; Fragen, die auf die Dauer weder die Wissenschaft noch die Öffentlichkeit ignorieren kann.

Altbekannte Reaktionen

Mich erinnern die Einlassungen Watzals und Wildangels an die ersten Reaktionen auf mein Buch „Djihad und Judenhass“, das 2002 erschien und vom Antisemitismus der Muslimbruderschaft handelte. Mir wurde damals schon „politische Propaganda“ unterstellt.

Ich würde den „Antisemitismus … im Interesse einer politischen Parteinahme instrumentalisier(en)“ und so „in das propagandistische Fahrwasser ultrakonservativer Kultur-und Zivilisationskrieger vom Schlage eines Samuel Huntington“ geraten. (So Christoph Burgmer am 6. Januar 2003 im Deutschlandfunk)

Es sei „um so erstaunlicher und erschreckender“, schrieb René Wildangel über „Djihad und Judenhass“, „dass dieses Buch mit seinen fragwürdigen Thesen öffentlich wahrgenommen wird.“ (Wildangel, „Zwischen Achse und Mandatsmacht“, Berlin 2007, S. 45) Es wurde besonders in den USA wahrgenommen, mit Preisen ausgezeichnet und in sechs Sprachen übersetzt.

Es ist also keine 20 Jahre her, dass ich, weil ich Islamisten als Antisemiten bezeichnete, beschimpft wurde. Mittlerweile ist der grundsätzliche Zusammenhang von Islamismus und Antisemitismus in der Öffentlichkeit wie auch bei den Sicherheitsbehörden unumstritten. (Dass aus diesem Wissenszuwachs keine oder falsche Schlüsse gezogen werden, steht auf einem anderen Blatt.)

Eine ähnliche Entwicklung erhoffe ich mir für das neue Buchs. Es wird sich nicht auf Anhieb durchsetzen. Liest man zum Beispiel das vierte Kapitel, „hält man sich kurz am Sofa fest, denn es ist scharf, neu, kompliziert – und widerspricht den populären, linkspopulistischen Betrachtungen vom Judenhass im Nahen Osten“, schrieb am 31. Mai Anna Prizkau in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

In der Tat! Es widerspricht dem linkspopulistischen Konsens; die Reaktionen von Watzal und Wildangel bestätigen es.

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