Der Gründer der Organisation, die sich nach Terroranschlägen um das Einsammeln der Leichenteile kümmert, ist wegen des Vorwurfs von sexuellem Missbrauch von Minderjährigen in die Kritik geraten.
Update von Ulrich W. Sahm
Der Gründer der Hilfsorganisation Zaka und Kandidat für den diesjährigen Israel-Preis hat einen Selbstmordversuch unternommen und liegt jetzt in einem „ernsten Zustand“ im Schaarei Zedek Hospital in Jerusalem.
Zahav wurde beschuldigt, Sexualverbrechen an zahlreichen Frauen und Kindern begangen zu haben. Daraufhin wurde ihm der Israelpreis aberkannt. Am Donnerstagabend sollte zu dem Fall eine ausführliche Dokumentation auf dem Fernsehensender Channel 12 veröffentlicht werden. Es wird spekuliert, dass das der Anlass für den Selbstmordversuch war.
Sanitäter fanden Zahav ohne Puls in seiner Wohnung. Noch hat es keinen Prozess gegen ihn gegeben, sodass die Beschuldigung sexueller Vergehen vorerst nur Medienregerüchte sind, die gerichtlich nicht bestätigt wurden.
Raimund Fastenbauer
Die in Israel hochangesehene Organisation ZAKA (hebr.: Zihuy Korbanot Ason – deutsch: „Identifizierung von Opfern“) wurde 1989 von Yehuda Meshi-Zahav nach einem Terroranschlag auf einen Linienbus in Jerusalem gegründet.
Zweck der Organisation ist die komplette Einsammlung von Leichenteilen für die Beerdigung als religiöse Aufgabe der „Nächstenliebe“ und um das Identifizieren von Opfern zu erleichtern. Überlebenden wird erste Hilfe geleistet, Angehörige werden betreut, man sucht nach Vermissten. Angehörige der ehrenamtlichen Freiwilligenorganisation erhalten eine Spezialausbildung und müssen auf Abruf verfügbar sein. Familienväter benötigen das Einverständnis des Ehepartners.
Gelegentlich treffen Angehörige von ZAKA sogar bereits vor dem Eintreffen von Polizei und Rettung am Ort des Geschehens ein. Die ersten Mitglieder von ZAKA waren strengorthodoxe Juden, inzwischen findet man unter ihnen auch profane jüdische Israelis und Angehörige der Minderheiten.
Vom Antizionisten zum Israel-Preisträger
Meshi-Zahav selbst stammt aus dem Jerusalemer Stadtviertel Mea Shearim und gehörte in seiner Jugend der ultraorthodoxen antizionistischen Sekte Neturei Karta an. Diese Sekte lehnt nicht nur den Staat Israel als Blasphemie ab, da Juden erst nach Kommen des Messias das Recht auf Errichtung eines Staates und der Rückkehr dorthin hätten, sondern bekämpft ihn aktiv. Ihr Anführer Amram Blau, ein Onkel Meshi-Zahavs, bot sich einst einer PLO-Regierung als „Minister für jüdische Angelegenheiten“ an.
Meshi-Zahav jedoch löste sich vom Milieu seiner Jugend und galt in der Folge als Symbol der Einheit zwischen Orthodoxie und Staat, als Bindeglied zwischen religiösen und säkularen Israelis. Als Zeichen seiner Wertschätzung durch den Staat Israel wurde er am Unabhängigkeitstag eingeladen, die Kerze zu entzünden.
Zum 70. Jahrestag der Staatsgründung legte er in einem symbolischen offenen Brief an seinen verstorbenen Onkel die Gründe seines Sinneswandels dar: Der Staat Israel hätte sich „bewährt“ und sei damit ein Vorbild für Juden und Nichtjuden. „Ruhe in Frieden, mein lieber Onkel Rabbi Amram. Es gibt keinen Grund mehr zu kämpfen.“
Heuer sollte Meshi-Zahav der Israel-Preis verliehen werden.
Missbrauchvorwürfe
Doch vor wenigen Tagen veröffentlichte die israelische Tageszeitung Haaretz einen Bericht basierend auf Aussagen von mehreren Personen, wonach Meshi-Zahav seine Position zum sexuellen Missbrauch von minderjährigen Opfern beiderlei Geschlechts genutzt haben soll. Er wies die Vorwürfe zurück und beschuldigte extremistische Anführer in der ultraorthodoxen Gemeinde, ihm schaden und sich für seinen Weg und dafür, dass seine Kinder Wehrdienst leisten, rächen zu wollen.
Kurz darauf gab Meshi-Zahav seinen Verzicht auf den Israel-Preis bekannt und legte die Leitung von ZAKA in einem Brief an seine Mitarbeiter vorübergehend zurück. Die israelische Polizei kündigte die Einleitung einer Untersuchung an und wies jedoch Meshi-Zahav ab, der – begleitet von Medienvertretern – selbst in der Polizeidirektion erschien, um sich zu rechtfertigen: Eine Vorladung werde erst vorbereitet, erklärte die Polizei, der man nicht vorgreifen wolle.
In israelischen Medien wurde Meshi-Zahav in der Folge als „orthodoxer Jeffrey Epstein“ bezeichnet, seine Taten wären in streng orthodoxen Kreisen schon lange bekannt gewesen, jedoch sei Schweigen bewahrt worden. Meshi-Zahav – ein seine Position ausnutzender Vergewaltiger oder ein von seinen Gegnern Verleumdeter? Wo auch immer die Wahrheit liegt: ZAKA hat das nicht verdient.