Von Marlene Gallner
Am 4. Oktober 2017 wurde im Rahmen des Jüdischen Filmfestivals Wien der Dokumentarfilm „A Life for the Revolution“ von Doris Kittler gezeigt. Das vorgebliche Ziel des Films, die jüdisch-britische Sozialistin Chanie Rosenberg zu portraitieren, tritt dabei jedoch in den Hintergrund. Stattdessen liefert er in erster Linie Propagandamaterial für Jeremy Corbyn und den antisemitischen Turn der britischen Labour Party unter dessen Führung. Corbyn wird als Idol verklärt und der wachsende Antisemitismus in der Partei als Bagatelle verharmlost.
Einige bekannte Fürsprecher Corbyns betonen immer wieder, dass innerhalb der Labour Party kein Antisemitismus zu finden sei – so etwa der Filmemacher Ken Loach erst kürzlich in einem BBC-Interview: Wenige Augenblicke nach dieser Aussage verriet Loach sich jedoch selbst und behauptete vor laufender Kamera freimütig, dass zu diskutieren sei, ob der Holocaust stattgefunden habe oder nicht. Auf welchen Begriff von Antisemitismus Loach rekurriert, kann nur spekuliert werden, wenn die Leugnung des Holocaust für ihn nicht unter diesen fällt. Auch auf der offiziellen Labour Party Conference diesen September plädierte ein Vortragender, Miko Peled, öffentlich für das Recht, den Holocaust infrage zu stellen. Darüber hinaus verglich er – ähnlich wie bereits der ehemalige Londoner Bürgermeister Ken Livingstone vor ihm – Zionisten mit Nazis und erntete für diese Aussage Zuspruch innerhalb der Partei. Dass solchen Aussagen und solcher Stimmung auch Taten folgen, ist leider nicht überraschend. So wurden auf derselben Konferenz vorletzte Woche Flugblätter verteilt, die zum Ausschluss des Jewish Labour Movement aus der Labour Party aufriefen.
Das Ausblenden des Antisemitismus ist keinesfalls so harmlos, wie es die Regisseurin Doris Kittler im anschließenden Q&A meinte. Solches Verschweigen trägt dazu bei, die antisemitischen Ausfälle Corbyns zur nicht weiter erwähnenswerten Bagatelle zu verharmlosen und redet Menschen das Wort, die behaupten, die Partei sei frei von antijüdischen Ressentiments. Dementsprechend wird es für Personen, die den Antisemitismus der Labour Party kritisieren – wie beispielsweise die Partei–Mitglieder David Hirsh und Lesley Klaff – immer schwieriger, überhaupt gehört und ernst genommen zu werden. Kittlers Film kann umstandslos als Referenz dienen, um die Labour Party von jedem gegen sie gerichteten Antisemitismusvorwurf reinzuwaschen. Verschwiegen wird etwa bis zum Schluss, dass Rosenberg selbst während ihres so prominent ins Feld geführten Israelaufenthalts zur Antizionistin wurde, weswegen sie schließlich auch nach Großbritannien übersiedelte. Es wird also nicht nur Rosenbergs Person verzerrt dargestellt, sondern dem Publikum bleibt auch der falsche Eindruck, sie wäre als jüdische Zionistin überzeugt von Corbyn. „A Life for the Revolution“ funktioniert also wie die Labour-Untersuchung zum Antisemitismus in der Partei und verschweigt zentrale Fakten, die die zu erzählende Geschichte stören könnten. Indem der Film Corbyn und damit den antisemitischen Turn der Labour Party in den letzten Jahren verklärt und idealisiert, trägt er dazu bei, einen fruchtbaren Boden für den Antisemitismus auszubauen.
Es überrascht, dass auf einem jüdischen Filmfestival ein Film über die Labour Party gezeigt wird, der deren virulenten Antisemitismus ausspart und einen Antisemiten zum Idol verklärt. Dass die Regisseurin des Dokumentarfilms, Doris Kittler, die im Übrigen auch Kuratorin des Jüdischen Filmfestivals Wien ist, den Nachfragen aus dem Publikum zu Antizionismus und Holocaustleugnung einfach ausgewichen ist, zeugt im besten Fall von Unwissenheit oder aber von Mutwilligkeit und damit dem bewussten Akt, einen Pro-Corbyn-Film zu drehen. Letzteres liegt näher. Schließlich bewegt sich Kittler selbst im Umfeld der Wiener Linkswende, einer Organisation, die offen zu einer „dritten Intifada“ aufruft und davon schreibt, dass Israel endlich „in die Knie“ gezwungen werden müsse.
Am Samstag, den 14. Oktober 2017, steht „A Life for the Revolution“ ein weiteres Mal auf dem Programm, wieder mit einem anschließenden Gespräch mit der Regisseurin. Wenn der Film schon unbedingt ein zweites Mal gezeigt werden muss, dann sollte dies wenigstens nicht geschehen, ohne im Rahmenprogramm dessen gravierende Ausblendungen zu thematisieren.