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Verschleiertes Leid: Das dunkle Erbe des arabischen Sklavenhandels

Denkmal für die Opfer des arabischen Sklavenhandels auf der Insel Sansibar
Denkmal für die Opfer des arabischen Sklavenhandels auf der Insel Sansibar (© Imago Images / Pond5 Images)

Arabische Ketten schnitten ähnlich tief in die Haut der Afrikaner wie europäische – dafür aber rund ein Jahrtausend länger. Dennoch bleibt der transsaharische Sklavenhandel bis heute ein kaum beachtetes Kapitel globaler Gewaltgeschichte.

Die Free-Palestine-Bewegung behauptet, für eine universelle Solidarität mit den Entrechteten einzutreten. Ob mit oder ohne Kufiyas treten pro-palästinensische Aktivisten im Gewand des De- und Postkolonialismus auf: Antikoloniale Rhetorik, Solidarisierung mit unterdrückten Völkern, Kritik am westlichen Imperialismus – all das sind Bestandteile eines Narrativs, das sich als moralisch integer und historisch bewusst präsentiert. So wird Israel als Apartheid-Regime präsentiert, und dementsprechend werden Juden pauschal als weiße Kolonialisten dämonisiert.

Diese Zuschreibungen sind aus zahllosen historischen, politischen und soziologischen Gründen falsch; eine ausführliche Entgegnung würde den Rahmen dieses Artikels sprengen. Wesentlich ist aber, zu begreifen, wie solche Narrative instrumentalisiert werden, um der eigenen Bewegung Legitimität zu verschaffen. Gerade das dekoloniale Selbstbild entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als kartografisch lückenhaft.

Afrikas Schmerz – vor allem jener, der durch arabisch-islamische Expansion und Sklaverei verursacht wurde – bleibt ein weißer Fleck auf ihrer moralischen Landkarte: ausgeblendet, verdrängt, bewusst übergangen. Schwarze Geschichte wird selektiv erinnert, koloniale Gewalt nur dann verurteilt, wenn sie aus westlicher, sprich: weißer Hand stammt. Aber es ist höchste Zeit, ein Licht auf den langen Schatten zu werfen, der sich unter der Mondsichel ausbreitete.

Gaza als Dreh- und Angelpunkt des Sklavenhandels

Arabisch war nie eine indigene Sprache Afrikas. Es kam, wie der Islam selbst, mit dem Schwert. 639 n. Chr. begann die islamische Eroberung Ägyptens, und nur wenige Jahrzehnte später, 671, fiel Karthago (im heutigen Tunesien) an die arabischen Streitkräfte. Diese Expansion öffnete den Weg für ein umfassendes Handelsnetz, das Afrika in den Einflussbereich des arabisch-islamischen Reiches zog.

Handelsrouten verbanden das westliche und östliche Afrika mit Nordafrika und der arabischen Welt. Tunesien war ein westliches Drehkreuz in diesem Netzwerk – von dort aus wurden viele Versklavte weiter nach Norden und Osten transportiert. Auch Ägypten war ein zentraler Umschlagplatz für den Handel mit versklavten Afrikanern. In Kairo existierten eigene Quartiere und Märkte, an denen Menschen öffentlich verkauft wurden.

Dabei spielte ein gewisser Ort namens Gaza keineswegs eine Nebenrolle. Gaza – ebenjenes heute berühmt-berüchtigte Krisengebiet. Der schmale Küstenstreifen, strategisch zwischen Afrika und dem levantinischen Raum gelegen, war Jahrhunderte lang eine Durchgangsstation im arabisch-islamischen Versklavungssystem. Afrikaner, die über Ägypten verschleppt wurden, passierten häufig genau dieses Gebiet auf dem Weg nach Syrien, Arabien oder Persien.

Dass Gaza heute ausschließlich als Chiffre für palästinensisches Leid erinnert wird, während seine Rolle in der Geschichte afroarabischer Gewaltbeziehungen weitgehend verdrängt bleibt, ist kein Zufall. Es ist ein Symptom jener selektiven Erinnerungskultur, die arabisch-islamische Dominanz aus der Kolonialkritik systematisch ausspart. Doch ausgerechnet in Gaza hinterließ die Sklaverei, die schon im Osmanischen Reich längst institutionalisiert war und bis weit ins 20. Jahrhundert andauerte, tiefe Spuren. Zwar wurde die Praxis unter dem britischen Mandat für Palästina offiziell verboten, doch noch in den 1930er Jahren dokumentierten Verwaltungsberichte die informelle Haussklaverei in arabischen Haushalten.

Bis heute wirkt dieses Erbe nach: Das Viertel der afro-palästinensischen Minderheit in Gaza, Al Jalla, wird im Volksmund abfällig als »Al Abeed« – die Versklavten – bezeichnet. Ein solches System, das Menschen allein aufgrund ihrer Herkunft sozial ausgrenzt, abwertet und stigmatisiert, erfüllt den zentralen Tatbestand dessen, was man gemeinhin als Rassismus oder Apartheid bezeichnet.

Der Blutzoll der Barbarei

Schätzungen zufolge kostete der arabisch-islamische Sklavenhandel bis zu achtzehn Millionen afrikanischer Menschen das Leben – Opfer von Verschleppung, unmenschlichen Transportbedingungen, Misshandlungen und massenhafter Ermordung. Im Gegensatz zum europäisch-atlantischen Sklavenhandel, der vor allem kräftige Männer für die Plantagenwirtschaft der Amerikas begehrte, konzentrierte sich der islamisch geprägte Menschenhandel verstärkt auf Frauen – als Konkubinen oder Hausangestellte. Allerdings waren Eunuchen hoch begehrt.

In den Vereinigten Staaten wurden männliche Versklavte »nur« sporadisch kastriert – meist als Strafe für »Vergehen« wie Fluchtversuche oder grobe Ungehorsamkeit. Beim islamischen Sklavenhandel hingegen war die Entfernung der Hoden und manchmal auch des gesamten Genitalbereichs eine routinemäßige Prozedur. Das Ziel war, die Opfer »sicher« für den Einsatz in Harems zu machen. Diese Praxis wurde von eigens beauftragten Khannas durchgeführt. Oberägypten, vor allem die Gegend um Asyūt, diente als bedeutendes Zentrum dieser grausamen Praxis. Auch im Gebiet von Hadiya im heutigen Südäthiopien, in einem Ort namens Wašalawā, wurden versklavte Jungen systematisch kastriert, bevor sie auf die Märkte Nordafrikas und des Nahen Ostens weitertransportiert wurden.

Die Eingriffe geschahen häufig ohne jegliche Betäubung, unter primitiven hygienischen Bedingungen – mit rostigen Messern, Feuer und bloßen Händen. Historiker gehen davon aus, dass sechzig Prozent der Verstümmelten an ihren Verletzungen starben. Bevölkerungsgruppen wurden so durch die gezielte Auslöschung männlicher Reproduktionsfähigkeit dezimiert – mit langfristigen demografischen, sozialen und kulturellen Verheerungen.

Institutionalisierte Ignoranz

Der transsaharische Sklavenhandel dauerte rund ein Millennium länger als der ohnehin schon furchtbare europäische Sklavenhandel. Die Menschenverachtung im Rahmen des islamischen Imperialismus war zudem viel deutlicher auf Verstümmelung und sexuelle Ausbeutung gerichtet. Doch weshalb herrscht so viel Ignoranz gegenüber dem eigentlich ausführlich dokumentierten Übel?

Diese Ignoranz ist das Produkt propagandistischer Tendenzen in der akademischen Welt. Die primären »Gatekeeper« zur Geschichte sind Akademiker, und es hat sich bei vielen mittlerweile über Generationen hinweg ein festes Bild des Islam als antikolonialer Befreiungskraft etabliert.

Hinzu kommt, dass viele progressive Kreise äußerst sensibel gegenüber dem Vorwurf der Islamophobie sind, was kritische Auseinandersetzungen mit der dunklen Geschichte islamisch geprägter Gesellschaften tabuisiert. Doch der tiefere Grund dieser ideologischen Bevorzugung ist schlichter Rassismus: Die Ausblendung der Opfer des transsaharischen Sklavenhandels ist die letztendliche Manifestation einer Hierarchie, die das Leid von Schwarzen Afrikanern für das vorherrschende politische Narrativ als entbehrlich betrachtet.

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