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Sheikh Jarrah: Vorgeschichte der Auseinandersetzungen um Grundstücke

Sheikh Jarrah mit dem Embassador Hotel im Jahr 1948
Sheikh Jarrah mit dem Embassador Hotel im Jahr 1948 (© Imago Images / Artokoloro)

Das Viertel Sheikh Jarrah ist benannt nach Hussam al-Din al-Jarrahi, dem Leibarzt von Sultan Saladin, dem Eroberer Jerusalems gegen die Kreuzfahrer. Jarrahis Grab befindet sich in dem Viertel, in dem im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts die ersten Privathäuser entstanden, nachdem Rabah al-Husseini 1865 dort gebaut hatte.

Im Jahr 1876 erwarben zwei jüdische Stiftungen – der Sephardische Gemeinderat und der (aschkenasische) Generalrat der Kongregation von Israel – die ebenfalls in der Gegend befindliche Grabstätte von Shimon Hatzadik, einem wichtigen Hohepriester aus der Zeit des Zweiten Tempels, in dessen Nähe 1891 mit dem Bau des jüdischen Viertels Nahalat Shimon begonnen wurde.

Jonathan Spyer, Jerusalem Post

1948, als die von britischen Offizieren geführte (trans-)jordanische Arabische Legion auf den Osten Jerusalems vorrückte, rief die Hagana die Bewohner der Viertel Nahalat Shimon und Shimon Hatzadik auf, ihre Häuser zu verlassen und sich in den mehrheitlich jüdischen Westen der Stadt in Sicherheit zu bringen.

Wie im jüdischen Viertel der Altstadt gesehen, war es die Praxis der Legion, die jüdische Bevölkerung in ihrer Gesamtheit aus den von ihr eroberten Gebieten zu vertreiben. Die Bewohner von Shimon Hatzadik flohen den Anordnungen gemäß aus ihren Häusern, und die Gebiete lagen anschließend verlassen.

1956 sorgte die jordanische Regierung in Zusammenarbeit mit dem Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina‑Flüchtlinge (UNRWA) für die Unterbringung von 28 palästinensischen Flüchtlingsfamilien auf dem Gebiet der verlassenen Wohnanlagen im Stadtteil Shimon Hatzadik. Die Familien mieteten die anschließend errichteten Wohnungen von der jordanischen Regierung und zahlten eine symbolische Miete.

Im Sechs-Tage-Krieg von 1967 kam ganz Jerusalem, einschließlich Sheikh Jarrah und dem Gebiet der Stadtteile Shimon Hatzadik und Nahalat Shimon, unter die Kontrolle und Gerichtsbarkeit Israels. Die Grundstücke in diesem Gebiet, einschließlich des Geländes, in dem die Flüchtlinge und deren Nachkommen wohnten, wurden an den Generalverwalter im Justizministerium übertragen.

Die jüdischen Organisationen, die das Gebiet im Jahre 1876 gekauft hatten, begannen ein Verfahren zur Eigentumsrückstellung. Im Jahr 1972 wurden ihre Ansprüche anerkannt und das Eigentum an den Flächen wurde auf sie übertragen und im Grundbuch eingetragen.

1982 beantragten die beiden jüdischen Stiftungen, 23 arabische Familien, die im Gebiet Shimon Hatzadik wohnhaft geblieben waren, von den Grundstücken in Ihrem Eigentum zu verweisen. Damals wurde eine Vereinbarung getroffen, nach der die arabischen Familien das Eigentum der Stiftungen anerkannten und im Gegenzug den Status von geschützten Mietern erhielten.

Diese Vereinbarung erhielt den Status eines Gerichtsbeschlusses, und auf dieser Grundlage wurde der Antrag der Stiftungen, die Familien zu delogieren, abgelehnt. Im Zuge der Vereinbarung wurden den Familien langfristige Mietrechte eingeräumt und im Gegenzug verpflichteten sie sich, Miete an die Eigentümer zu zahlen und die Wohnungen instandzuhalten.

In der Praxis wurden in der Folgezeit jedoch weiterhin keine Mieten gezahlt, und nach Angaben der jüdischen Stiftungen wurden von den Mietern ungenehmigte Renovierungen und Umbauten an den Gebäuden vorgenommen. Außerdem hätten die arabischen Mieter Strukturen des alten jüdischen Viertels, einschließlich der Synagoge, beschädigt und versucht, diese zu zerstören, so die Stiftungen.

Im Jahr 1993 leiteten sie deshalb weitere rechtliche Schritte ein, diesmal um die Mieter wegen Säumigkeit bei der Bezahlung der vereinbarten Miete zu delogieren. Im Jahr 2001 akzeptierte das Jerusalemer Magistratsgericht die Forderung der Stiftungen. In einer Reihe von nachfolgenden Prozessen wurde versucht, die Delogierung der säumigen Mieter zu erreichen, von denen einige gegen das Urteil berufen hatten.

Die beiden jüdischen Stiftungen verkauften daraufhin ihre Grundstücke in dem Shimon Hatzadik an eine Organisation namens Nahalat Shimon International, die 2008 einen Plan für den Räumung der nicht-Miete-zahlenden Familien (inzwischen etwa 500 Personen) und für den Bau eines jüdischen Viertels mit 200 Wohneinheiten in dem Gebiet vorlegte.

In der Folge wurden vier der Familien delogiert (die Familien al-Kurd, Ghawi, Hanun und Sabbagh). Für weitere wurden Räumungsbescheide erlassen, die jedoch nicht umgesetzt wurden. Momentan sind 13 Haushalte mit insgesamt 300 Personen von einer Räumung bedroht, sobald alle Rechtsmittel ausgeschöpft sind.

Der Fall wurde gerade jetzt wieder aktuell, weil der Oberste Gerichtshof kürzlich über die Berufung von drei Familien entscheiden sollte. Sollte der Oberste Gerichtshof ihre Berufung letztlich abweisen, stehen keine weiteren Rechtsmittel zur Verfügung und der Weg für die Zwangsräumung wäre frei.

(Aus dem Artikel „Sheikh Jarrah, Shimon Hatzadik: A tale of two gravesites in Jerusalem, der in der Jerusalem Post erschienen ist. Übersetzung von Alexander Gruber.)

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