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Die »jüdische Nakba« (Teil 7): Die Juden des Jemen

Juden in einem Bergdorf im Jemen im Jahr 1902. (© imago images/UIG)
Juden in einem Bergdorf im Jemen im Jahr 1902. (© imago images/UIG)

Mit der Flucht der Juden aus dem Jemen ging eine der ältesten jüdischen Gemeinden der Welt zu Ende.

Flucht und Vertreibung der Juden aus arabischen Ländern im 20. Jahrhundert waren nahezu total und können nicht bloß mit der Entstehung des Staates Israel in Verbindung gebracht werden. Der sich in der »jüdischen Nakba« manifestierende Antisemitismus hatte seine Ursachen im Judenbild des Koran und dem Export des europäischen Antisemitismus. Die Errichtung des Staates Israel war damit der Anlass, aber nicht der Grund für die Auslöschung der jüdischen Gemeinden in der arabischen Welt.

Bis zu König Salomon zurück

Die Beziehung des Jemen zum Land Israel wird bis auf die Zeit des biblischen Königs Salomon zurückgeführt. Die Präsenz von Juden im Süden der arabischen Halbinsel geht auf mehrere Ursprünge zurück – manchen dürften einheimisch gewesen sein, andere kamen als Zuwanderer aus Nordafrika, Babylon, der Levante und dem heutigen Israel. Die jüdische Gemeinde im Jemen galt als eine der ältesten außerhalb Israels. Obwohl sie geographisch isoliert war, unterhielt sie rege Kontakte zu anderen jüdischen Gemeinden in Babylonien und Ägypten.

Vom ersten bis zum sechsten Jahrhundert, also in der Zeit noch vor der Ausbreitung des Islam, existierte im Jemen das Königreich Himyar, dessen Führungsschicht im vierten Jahrhundert einen monotheistischen Glauben annahm, der heute allgemein dem Judentum zugerechnet wird. Im Laufe der Zeit eroberten äthiopischen Christen die Macht, bevor das ehemals jüdische Königreich zu einer Provinz des persischen Sassanidenreichs und dann des sich ausbreitenden islamischen Reiches wurde.

In der islamischen Zeit ging die Bedeutung des Judentums im Jemen zurück, die Juden galten, wie überall sonst im islamischen Reich auch, als Dhimmis (»Schutzbefohlene«), die eine spezielle Steuer zahlen und anderen diskriminierenden Regeln und Vorschriften Folge leisten mussten. Dennoch hatten Juden des Jemen zwischen dem 9. und dem 12. Jahrhundert regen Anteil am Geistes- und Wirtschaftsleben, insbesondere in Perioden, in denen gegen die Bezahlung höherer Schutzsteuern die übrigen Dhimmi-Regeln weniger streng geachtet wurden.

Ab dem 16. Jahrhundert verschlechterte sich die Lage der Juden im Jemen dramatisch, er wurde zu einem der wenigen Gebiete in der arabischen Welt, in denen es Zwangsbekehrungen zum Islam gab. Besonders nachteilig wirkten sich die Entwicklungen rund um den Pseudo-Messias Schabbtai Zvi aus, der eine große Gefolgschaft hinter sich vereinen konnte, bevor er schließlich überraschend zum Islam übertrat. 1679 wurden die Juden des Jemen verbannt, was sich aber so negativ auf das Land auswirkte, dass ihnen bald die Rückkehr gestattet wurde.

Im späten 19. Jahrhundert begann die Zeit der Auswanderung bzw. Flucht vieler Juden aus dem Jemen in das Gebiet des heutigen Israel, angetrieben nicht zuletzt durch eine neue Welle von Zwangskonversionen zum sunnitischen Islam. Um dem Druck zu entgehen, zogen einige Juden auch in den Norden des Jemen, wo ein weitaus toleranterer Zweig des schiitischen Islam vertreten war.

Unter der Herrschaft des Imam Yahya im frühen 20. Jahrhundert wurden im Jemen 1911 strengste Dhimmi-Regeln wiedereingeführt. Juden durften nur noch im Damensitz Pferde reiten, ein Muslim durfte nicht berührt werden, Juden wurden gesetzlich dazu beordert, die Latrinen zu säubern. Gemäß des sogenannten Waisengesetzes wurden Waisenkinder automatisch zu Muslimen erklärt. Juden verheirateten daher bereits selbst sieben bis acht Jahre alte Kinder, um sie im Falle eines Ablebens der Eltern von dem Waisenstatus und damit der Zwangseingemeindung in den Islam zu schützen. Angesichts der großen Zahl an jüdischen Emigranten verbot der Imam Yahya schließlich die Auswanderung.

Ende einer 2000-jährigen Präsenz

Infolge der UN-Teilungsresolution, welche die Schaffung eines jüdischen und eines arabischen Staates im Mandatsgebiet Palästina vorsah, kam es 1947 im Jemen zu einem Pogrom, bei dem in Aden unter tätiger Mithilfe u.a. von Polizisten 82 Juden ermordet und Dutzende weitere verletzt wurden. Synagogen, jüdische Geschäfte und Hunderte jüdische Wohnhäuser wurden zerstört.

Bis zur Gründung Israels im Mai 1948 hatten bereits rund 100.000 Juden – und damit ein beträchtlicher Teil der jüdischen Gemeinde – den Jemen Richtung Israel verlassen. Zwischen 1949 und 1950 wurden die rund 50.000 übriggebliebenen Juden durch Israel freigekauft und mit einer Luftbrücke von Aden nach Israel gebracht.

Die 2000-jährige Präsenz der Juden im Jemen war damit auf wenige Hundert verbliebene zusammengeschrumpft, von denen wiederum ein großer Teil im Zuge des seit 2004 andauernden Bürgerkriegs das Land verließ, in dem eine der Kriegsparteien, die vom Iran unterstützten schiitischen Huthis, auch durch ihren vehementen Antisemitismus auffällig wurden. 2021 machten Berichte die Runde, denen zufolge die Huthis auch noch die letzten verbliebenen jüdischen Familien des Jemen vertrieben haben sollen.

Empfohlene weitergehende Literatur:

In der Reihe erschienen:

Die »jüdische Nakba« wird verschwiegen
Die »jüdische Nakba« (Teil 2): Geschichte der muslimischen Judenfeindschaft
Die »jüdische Nakba« (Teil 3): Die Vertreibung aus Ägypten 
Die »jüdische Nakba« (Teil 4): Das Ende der jüdischen Gemeinde im Irak 
Die »jüdische Nakba« (Teil 5): Das Verschwinden der jüdischen Gemeinde in Marokko
Die »jüdische Nakba« (Teil 6): Der Libanon, Syrien und die Ritualmordlegende zwischen 1840 und heute
Die »jüdische Nakba« (Teil 6): Der Libanon, Syrien und die Ritualmordlegende zwischen 1840 und heute
Die »jüdische Nakba« (Teil 7): Die Juden des Jemen
Die »jüdische Nakba« (Teil 8): Die Flucht der Juden aus Algerien, Tunesien und Libyen
Die »jüdische Nakba« (Teil 9): Die Verfolgung der Juden im Iran
Die »jüdische Nakba« (Teil 10): Abschließende Zusammenfassung

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