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Die Iraner sind erschöpft

Zwei Iraner in Teheran betrachten die Schlagzeilen am Zeitungsstand
Zwei Iraner in Teheran betrachten die Schlagzeilen am Zeitungsstand (© Imago Images / Anadolu Agency)

Die iranische Bevölkerung reagiert auf den israelischen Angriff nicht so, wie es sich das herrschende Mullah-Regime wünscht.

Wenn ein Kilo Lammfleisch acht und ein Kilo Bohnen sieben Euro kosten, das Durchschnittsgehalt eines Beamten aber nur zweihundertfünfzig und die monatliche Durchschnittspension sogar nur hundertachtzig Euro betragen; wenn über neunzig Millionen Menschen seit fünfundvierzig Jahren unter einer radikalen theokratischen Diktatur zu kuschen haben; wenn in einem Land aufgrund von Sanktionen Menschen mitunter einen qualvollen Sterbensweg erleiden müssen, weil es keine Medikamente gibt; wenn eine Landeswährung seit Jahren rasant an Wert verliert und damit die Wirtschaft zum Kollabieren bringt; wenn eine Kaste religiös-politischer Extremisten eine ganze Nation durch Kleidungs- und Verhaltensvorschriften terrorisiert – ja, dann ist es Zeit für einen Wechsel der politischen Führung.

Machtlos und betäubt

Auf den Angriff Israels auf die Islamische Republik Iran, der sicherlich noch längere Zeit fortgesetzt werden wird, reagierte die Bevölkerung großteils so, wie eine Iranerin es zusammenfasste:

»Die Menschen in Persien sind so machtlos und betäubt wie jemand, der von einer giftigen Schlange gebissen wurde und auf das Gegenmittel wartet.«

Ob dieses Gegenmittel Israel sein kann, bleibt abzuwarten. Sein Angriff versetzt die Bevölkerung entgegen der gängigen Meinung jedoch nicht in Angst und Schrecken, sondern löst ganz im Gegenteil geradezu Hoffnung auf Erlösung aus. Es ist die Hoffnung auf ihre Befreiung vom Joch, das sie erdrückt und zum Schweigen bringt – und deshalb haben viele Menschen keine Angst vor dem momentanen Kriegsgeschehen. Denn in Wahrheit ist die Bevölkerung viel zu erschöpft und apathisch, um auf welche Art auch immer auf den Angriff reagieren zu können. So liegt ein ganzes Land in Agonie.

Währenddessen läuft der Propaganda-Apparat des Mullah-Regimes auf Hochtouren. Auf allen Medienkanälen wird die Bevölkerung zur Solidarität aufgerufen; es wird gelogen und es werden falsche Informationen weitergegeben, was das Zeug hält –, doch wenn eine Bevölkerung physisch und psychisch so sehr am Boden liegt, dass sie kaum Luft zum Atmen hat, nützt die beste Propaganda nichts mehr, denn das Volk macht nicht mehr mit.

Tägliche Angst

Die Bevölkerung macht nicht mehr mit, weil sie zu sehr damit beschäftigt ist, sich um das tägliche Überleben zu kümmern, das ihm seine Regierung seit Langem nicht mehr bieten kann. Die Menschen machen nicht mehr mit, weil sie Tag für Tag befürchten müssen, anlasslos auf offener Straße verhaftet zu werden, um anschließend verhört, gedemütigt, gefoltert, inhaftiert oder auch getötet zu werden.

Und sie machen auch und vor allem deshalb nicht mehr mit, weil sie die Repressionen, Verbote, Gesetze und Verordnungen schlichtweg nicht mehr ertragen. Sie ertragen auch nicht mehr die massive Überwachung all ihres Tuns durch die Schergen ihres fundamentalistischen Herrschaftssystems. Mit anderen Worten: Die Iraner und Iranerinnen ertragen es nicht mehr, ihrer Individualität, ihrer persönlichen Freiheit und ihrer Privatsphäre beraubt zu sein.

In den Abgrund

Die iranische Bevölkerung hat im Laufe der letzten Jahre immer schmerzhafter erleben müssen, wie das gesamte Polit-, Gesellschafts- und Wirtschaftssystem von einer in allen Belangen extremen Polit-Kaste radikal in den Abgrund geführt wurde. So sind die Iraner an einer Hamas, einer Hisbollah oder einer Huthi-Miliz nur insofern interessiert, als sie am eigenen Leib in Form von Lebensmittelknappheit die massive finanzielle Förderung dieser Terrororganisationen durch ihre eigene Regierung zu spüren bekommen.

Dass ihr Land nun von Israel ins militärische Visier genommen wurde, beängstigt die Bevölkerung nur bedingt; auch sie kennt die Ziele, die auf militärische und atombezogene Einrichtungen fokussiert sind. Die Menschen treffen zwar Vorkehrungen – so holen viele Familien ihre alleinstehenden Verwandten und Freunde zu sich und legen Vorräte an –, aber verharren im Wesentlichen in ihrer Agonie, zu der sie seit Jahren verurteilt sind.

Man kann der iranischen Bevölkerung nur wünschen, all die situationsbedingten Schwierigkeiten, die in der nächsten Zeit auf sie zukommen werden, halbwegs gut zu überstehen – und vielleicht auch von ihrem Mullah-Regime endlich befreit zu werden.

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