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Die Hisbollah – 40 Jahre staatlich geförderter Terrorismus

Kämpfer der libanesischen Hisbollah bei ihrem Einsatz auf Seiten von Assad in Syrien
Kämpfer der libanesischen Hisbollah bei ihrem Einsatz auf Seiten von Assad in Syrien (© Imago Images / Xinhua)

Wie die Hisbollah im Auftrag des Iran den Libanon schädigt und in unnötige Konfrontationen mit Israel und den arabischen Staaten am Golf treibt.

Yaakov Lappin

Die Spannungen zwischen der Hisbollah im Libanon und Israel sind zurzeit größer als sonst, da die vom Iran unterstützte Terrororganisation mit Angriffen auf die israelische Gasbohrinsel Karish im Mittelmeer droht. Nach der neuesten »Gleichung« der Hisbollah werden die Drohungen wahr, wenn Israel die Bohrinsel in Betrieb nimmt, bevor es in den von den USA vermittelten Verhandlungen mit dem Libanon zu einer Einigung über die Seegrenzen kommt.

Laut den Berichten des Alma-Forschungszentrums für Verteidigung in Nordisrael haben die Hisbollah und ihr Generalsekretär Hassan Nasrallah in den vergangenen drei Monaten einen nicht enden wollenden Strom von Drohungen sowie ideologischen und religiösen Rechtfertigungen für Gewalt veröffentlicht, darunter Koranpassagen, in denen es heißt, Gott stehe »Muslimen, die Ungerechtigkeit bekämpfen« bei.

Staatlich unterstütze Terrorgruppe

Diese Spannungen sind jedoch nur das jüngste Kapitel in der 40-jährigen Geschichte der Hisbollah, die 1982 von schiitischen libanesischen Aktivisten mit iranischer Unterstützung gegründet wurde, nachdem Israel im selben Jahr in den Libanon einmarschiert war.

»Es gibt in der modernen Geschichte keine andere Terrororganisation, die von einem Staat über so viele Jahre hinweg so massiv unterstützt wurde«, meinte Boaz Ganor, Gründer und Geschäftsführer des Internationalen Instituts für Terrorismusbekämpfung in Herzliya. Bewerte man die Erfolge und Misserfolge der Hisbollah, müsse man laut Ganor zwar feststellen, die Hisbollah sei in den letzten vier Jahrzehnten zwar immer stärker geworden sei und habe viele Erfolge vorzuweisen habe, dürfe dabei »aber nicht vergessen darf, dass sie dies nicht aus eigener Kraft getan hat, sondern weil sie eine iranische Stellvertreterorganisation ist«.

Die Hisbollah wurde vom Iran geschaffen und geformt und ist von der Islamischen Republik abhängig, so Ganor gegenüber dem Jewish News Syndicate (JNS). »Die Organisation erhält jährlich Hunderte Millionen Dollar, um ihre Aktivitäten zu finanzieren, sie erhält schwere, hochmoderne Waffen aus dem Iran, Ausbildung, politische Unterstützung und schiitisch-islamistische ideologische und religiöse Anleitung.«

Meilensteine 2000 und 2006

Der Leiter der Forschungsabteilung des Alma-Zentrums, Tal Beeri, erinnerte daran, dass der erste Generalsekretär der Hisbollah von 1989 bis 1991, Subhi Al-Tufayli, von den Iranern abgesetzt wurde, weil er sich »geweigert hatte, die politische Arena zu betreten. Heute ist er einer der schärfsten Kritiker der Hisbollah und steht in seinem Haus in der östlichen Bekaa-Ebene des Libanon unter einer Art Hausarrest.«

Al-Tufayli wurde von Abbas Al Mussawi abgelöst, der 1992 bei einem israelischen Hubschrauberangriff getötet wurde und den Weg für die Ära von Hassan Nasrallah ebnete. Nasrallahs lange Regierungszeit bedeutet, dass »die Hisbollah heute das ist, was sie ist, weil sie Nasrallah ist«, sagte Beeri.

Ein weiterer wichtiger Meilenstein sei der Mai des Jahres 2000 gewesen, als sich die israelischen Streitkräfte aus dem israelischen Sicherheitsstreifen im Südlibanon zurückzogen und es so der Hisbollah ermöglichten, eines der wichtigsten schiitischen Bevölkerungszentren im Libanon zu übernehmen. Seit dem Jahr 2000 genießt die Hisbollah im gesamten Libanon Handlungsfreiheit, insbesondere in den schiitischen Regionen im Süden des Landes, die heute ihr Hauptbetätigungsgebiet sind, und in denen die Hisbollah und der Iran ihre Front gegen Israel aufgebaut haben.

Der zweite Libanonkrieg von 2006 ist ein weiterer wichtiger Meilenstein in der Entwicklung der Hisbollah. Beeri zufolge wurde dieser Krieg von der israelischen Öffentlichkeit zwar als Misserfolg betrachtet, in Wirklichkeit sei er jedoch ein operativer Erfolg gewesen, der »nicht unbedeutend war« und eine Art Trauma für die Hisbollah verursachte. »Dieses Trauma hat die Terrororganisation veranlasst, strukturierter, vorsichtiger und risikobewusster zu werden«, erklärte er. »Die Hisbollah stellt ›Gleichungen‹ auf, um Klarheit mit Israel zu schaffen.«

Ein Teufelskreis

Zu den Erfolgen der Hisbollah gehöre laut Ganor die Tatsache, dass sie als »operativer Arm« gegründet wurde, um die Position des Irans in der innerlibanesischen schiitischen Arena zu stärken, und diese Rolle später auf den gesamten Libanon ausweiten konnte. »Heute ist die Hisbollah die iranische Speerspitze im Konflikt mit Israel«, sagte Ganor und fügte hinzu, dass sie sich zu einer »hybriden Terrororganisation« entwickelt habe, also zu einer großen Organisation, die ganze Gebiete und Bevölkerungen kontrolliert.

Die Hisbollah dominierte zunächst das ostlibanesische Bekaa-Tal, den Südlibanon und Teile von Beirut, bevor sie sich zum zentralen und führenden Akteur in der gesamten libanesischen Arena entwickelte. »Sie gründete eine politische Partei und schickte zahlreiche Vertreter ins Parlament. In Wirklichkeit ist die Hisbollah der Königsmacher im Libanon, und sie hat das letzte Wort«, sagt Ganor. Sie habe das Sagen darüber, ob eine bestimmte Koalition den Libanon regieren kann oder nicht, und wenn die Hisbollah diese Koalition nicht wolle, dann könne diese sie nicht regieren, und die innenpolitische Situation im Libanon verschlechtert sich massiv.

Beeri bezeichnete dieses mächtige Auftreten der Hisbollah als einen Staat im Staat und fügte hinzu, es sei nicht ganz klar, »welcher Staat denn nun eigentlich in welchem Staat ist«. Es wäre »schwierig, die Aussage zu widerlegen, dass der Libanon innerhalb des Hisbollah-Staates liegt«, sagte er. »Letztendlich basiert das Erfolgsrezept der Hisbollah auf dem Aufbau einer ›Widerstandsgemeinschaft‹. Das ist es, was es der Hisbollah ermöglicht, eine feste Größe in der Region zu bleiben. Und das ist es auch, warum sie nicht verschwinden wird.«

Dazu gehört die Schaffung einer parallelen zivilen Infrastruktur, die der schiitischen Basis der Terrororganisation zur Verfügung gestellt wird und von der diese Basis vollständig abhängig ist, was wiederum ihre Unterstützung für die Hisbollah gewährleistet.

Libanesischer Arm des Iran

Ganor zufolge hat sich die Organisation in den letzten Jahren auch zu einer hoch strukturierten militärischen Kraft mit einer großen Anzahl von Kämpfern und modernen Waffen entwickelt, da sie durch ihre Beteiligung am syrischen Bürgerkrieg Kampferfahrung gesammelt hat. Beeri stimmte dem zu und sagte, die Hisbollah habe durch ihre Intervention in Syrien und trotz der hohen Verluste, die sie erlitten hat, einen Qualitätssprung im Vergleich zu früher gemacht. »Dieses Engagement gab den letzten Anstoß, sich von einer halbmilitärischen Guerilla-Organisation in eine Armee zu verwandeln, die über eine Befehlskette, Einheiten, ein Kommando und eine Koordination zwischen ihren Kräften verfügt«.

Es handele sich dabei nicht um eine staatliche, sondern um eine terroristische Armee, die vom Iran unterstützt wird, erläuterte Beeri, was nach Ansicht von Ganor auch beudeten könnte, dass die Organisation in der Zukunft einen raschen Niedergang erlebt, eben weil es ihrn nicht gelungen ist, sich von ihrer Abhängigkeit vom Iran zu lösen, bedeutet. »Würde dieser fundamentalistische Staat [Iran] beschließen, die wirtschaftliche und militärische Sauerstoffzufuhr zur Hisbollah zu unterbrechen, würde die Hisbollah in ihrer derzeitigen Form schnell zusammenbrechen«, meinte er.

Trotz der wiederholten Versuche Nasrallahs und anderer Mitglieder der Hisbollah-Führung, sich als authentische libanesische Organisation darzustellen, die die libanesischen Interessen über die iranischen stellt, glaube der Großteil der libanesischen Öffentlichkeit, und hier speziell der Teil außerhalb der schiitischen Gemeinschaft, nicht an diese Behauptungen. »Die Hisbollah sieht sich deshalb viel interner Kritik ausgesetzt«, brachte Ganor dies auf den Punkt

Dass die Hisbollah der Aufforderung des Irans, sich auf dem syrischen Schlachtfeld zu engagieren, so schnell nachgekommen sei, führte Ganor als eines der deutlichsten Beispiele für ihre Bindung an Teheran an. Es bestehe kein Zweifel daran, dass ein hypothetischer Zusammenbruch des Ayatollah-Regimes in Teheran und die Machtübernahme durch eine normale Regierung der Hisbollah schaden wird, stimmte Beeri zu.

Kritiker der Hisbollah würden ermutigt, und ihre libanesischen Gegner, wie die libanesischen Streitkräfte, würden sich gestärkt fühlen, die Terrororganisation zu konfrontieren, auch in bewaffneten Auseinandersetzungen. In so einer Situation könnte »die Hisbollah könnte auch von Sunniten, Drusen und schiitischen Oppositionellen herausgefordert werden, die derzeit zahnlos sind.«

Gleichzeitig, so schätzt Beeri, würde die Hisbollah eine solche Herausforderung wahrscheinlich überleben, da Nasrallah seine libanesisch-schiitische Basis bewahrt hat. »Es stimmt, die Hisbollah würde ihre Finanzierung durch den Iran verlieren, aber sie kann Alternativen finden. Sie verfügt über eine unabhängige Einnahmequelle, die durch den Drogenhandel gespeist wird. Letztendlich kann die Hisbollah aufgrund ihrer zivilen Infrastruktur einen Weg finden, um zu überleben«, so Beeri, der darauf hinwies, dass mehr als fünfzig Prozent der libanesischen Bevölkerung der schiitischen Konfession angehören.

Machterweiterung zum Nachteil des Libanon

Heute, vierzig Jahre nach ihrer Gründung, droht die Hisbollah erneut mit einem Angriff auf Israel, und Jerusalem müsse diese Drohung ernst nehmen, so Beeri. Die Terrororganisation werde »nicht zögern, Israel anzugreifen, wenn sie zu dem Schluss kommt, dass dies in ihrem Interesse ist«, warnte er. Eine Politik der Abschreckung funktionier gegen sie nicht, da »diese Art des Denkens nicht in ihrem Denken oder ihrer DANN liegt.« Die Hisbollah denke an ihre Basis und ihre Herren in Teheran, aber sie mache sich keine Gedanken über die Zerstörung der libanesischen Wirtschaft oder Infrastruktur. »Wenn die Hisbollah feststellt, dass ein Angriff auf Israel ihrem Hauptinteresse dient, dann wird sie ihn auch durchführen.«

Letztendlich ist die Hisbollah dem Auftrag der iranischen islamischen Revolution, deren Vertreter sie ist, treu, meint Beeri. Wenn sie »vor der Entscheidung steht, zwischen der iranischen islamischen Ideologie und der Treue zum iranischen Obersten Führer oder dem politischem Pragmatismus wählen zu müssen, wird sie sich für Ersteres entscheiden. Es ist wahr, dass die Hisbollah kein hundertprozentiger Ja-Sager des Irans ist, aber wenn es hart auf hart kommt, entscheidet sie sich für ihn.«

Das bedeutet auch, dass sich die Hisbollah voll und ganz der langfristigen iranischen Vision der Zerstörung Israels verschrieben hat. »Das ist ihre Denkweise. Sie glaubt, dass der Staat Israel untragbar ist, und sie wird alles tun, um ihn zum Zusammenbruch zu zwingen.« Die Hisbollah werde niemals den Gedanken annehmen, dass Israel eine Tatsache ist, mit der man leben müsse, wie es die gemäßigten arabischen Staaten getan haben. »Kein Mitglied des harten Kerns der Hisbollah wird das je akzeptieren«, sagte Beeri.

Nach Ansicht von Ganor ist die Zukunft der Hisbollah zweifellos eng mit der Zukunft des Ayatollah-Regimes im Iran verbunden. »Solange dieses Regime Bestand hat und vielleicht auch noch stärker wird, und wenn dem Iran weitere Mittel zufließen, sollte ein neues Atomabkommen unterzeichnet werden, dann wird die Hisbollah einer der direkten Hauptnutznießer dieses Geldes sein und ihre Macht im Libanon und in der Region wird noch wachsen«, warnte er. »Wenn jedoch das Regime der Ayatollahs zusammenbricht und das iranische Volk es vorzieht, sich von seinen Fesseln zu befreien, kann sich die Hisbollah in ihrer jetzigen Form nicht halten und muss ihr Wesen ändern, oder sie wird zusammenbrechen.«

»So, wie die Dinge jetzt stehen, scheint die Hisbollah eine wichtige Rolle bei den wirtschaftlichen und sozialen Schwierigkeiten zu spielen, in die der Libanon geraten ist«, analysierte Ganor und verwies auf die auf Kosten des Libanon gehenden Übernahme staatlicher Schlüsselpositionen, auf den Export von Drogen aus dem Libanon nach Syrien und in die Golfstaaten und auf den Angriff auf das libanesische Justizsystem, sobald dieses die destabilisierenden Aktionen der Hisbollah untersucht.

Die Außenpolitik der Hisbollah verwickelt den Libanon nicht nur in unnötige Auseinandersetzungen mit Israel, schloss Ganor seine Ausführungen, sondern auch in Spannungen mit den arabischen Golfstaaten unter Führung Saudi-Arabiens – und es verzögert die Integration des Libanons in die Familie der Nationen.

Der Artikel erschien auf Englisch beim Jewish News Syndicate. (Übersetzung von Alexander Gruber.)

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