„Christen haben in Israel Religionsfreiheit, und die Kirchen vieler christlicher Ausrichtungen besitzen und verwalten in Jerusalem und anderen Städten ihre Kirchen, Klöster und Patriarchate. Dennoch ist der Anteil der Christen im Land und in der Region verschwindend gering. Im gesamten Nahen Osten, wo das Christentum tief verwurzelt ist, waren Anfang des letzten Jahrhunderts noch etwa ein Drittel der Bewohner Christen. Aufgrund von Kriegen und Verfolgung, nicht zuletzt auch wegen der jüngsten Konflikte im Irak und in Syrien, sind es heute weniger als ein Zehntel.
‚Christen erfahren einen physischen und spirituellen Genozid hier im Nahen Osten! Das betrifft nicht nur ihr Leben, sondern auch ihre Kultur, ihre Sprache und ihre Tradition‘, wettert Shadi Khalloul, der in Israel vor einigen Jahren die ICAA, eine Organisation zur Erhaltung und Wiederbelebung des christlichen und insbesondere des aramäischen Glaubens und seiner Kultur, ins Leben gerufen hat. Auch im Heiligen Land nahm der Bevölkerungsanteil der Christen im letzten Jahrhundert ständig ab und liegt derzeit bei 1,7 Prozent.
Markus Stephan Bugnyar, Rektor des Österreichischen Hospizes in Jerusalem, sieht Anfeindungen seitens der muslimischen Araber und die westliche Ausrichtung der christlichen Araber als eine der Ursachen für die Abwanderung der Christen. (…) Überdies hätten viele Christen in Israel hohe Positionen in Politik und Wirtschaft inne und verfügten damit über die finanziellen Mittel, um ihre Kinder im Ausland studieren zu lassen.
Ein weiterer Hauptfaktor für die schwindende christliche Repräsentanz im Heiligen Land ist wohl auch die im Vergleich zu den israelischen Muslimen und den Juden recht geringe Geburtenrate bei den christlichen Familien. ‚Doch da darf man sich nicht täuschen lassen. Absolut hat die Zahl der Christen hier in Israel auf jeden Fall zugenommen‘, meint Bugnyar. Und so beherbergt Israel die einzige christliche Gemeinde im Nahen Osten, die noch wächst. (…)
Khalloul und seine Mitstreiter betonen immer wieder, wie schwierig die Situation ihrer christlichen Brüder und Schwestern in anderen Ländern des Nahen Ostens sei. Während Christen im jüdischen Staat unter einem demokratischen Regime in Freiheit und Sicherheit leben dürften, würden ihre Glaubensbrüder im Rest des Nahen Ostens verfolgt, in Ägypten, in Gaza und unter der palästinensischen Autonomiebehörde ebenso wie in Iran und Libanon, ganz zu schweigen vom Völkermord an Christen und Jesiden im Irak und in Syrien.
Deshalb hält Khalloul es für wichtig, dass die Christen in Israel bei der Verteidigung des Landes, das auch ihre Heimat ist, mithelfen: ‚Wenn das Land uns Schutz und Sicherheit gibt, müssen wir ein Teil davon sein. Wir brauchen die israelische Armee, damit der extreme Islam nicht auch hier die Christen vertreibt.‘“ (Daniela Segenreich: „Was geschieht mit den Christen in Israel?“)