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Die drohende Rückkehr des Osmanischen Reichs

Die sunnitische Achse: Erdogan trifft sich Ende Januar mit einer Hamas-Delegation in Ankara
Sunnitische Achse: Erdogan trifft sich Ende Januar mit einer Hamas-Delegation in Ankara (Imago Images / Xinhua)

Wenn der neue US-Präsident Donald Trump gegen die schiitische Achse unter iranischer Führung vorgeht, sollte er dabei die sunnitische Achse des türkischen Präsidenten Erdogan nicht aus den Augen verlieren.

Teile von Syrien sind weniger Teil des Staates Syrien als vielmehr ein integraler Bestandteil des aufstrebenden Neo-Osmanischen Reichs des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Einen ähnlichen Fall stellte der Irak dar, der seit dem amerikanischen Rückzug und bis vor Kurzem de facto eine Art Erweiterung der Islamischen Republik Iran war. Die Feststellung einer solchen regionalen Entwicklung unterscheidet sich grundlegend von der Wahrnehmung in der globalen öffentlichen Meinung und dem allgemeinen Eindruck: Sie ist nicht nur für die Länder des Nahen Ostens relevant, sondern auch symptomatisch für eine umfassendere Frontstellung des radikalen Islams gegen die westliche Welt.

In diesem Zusammenhang kann die jüngste Revolution in Syrien nicht nur als Sieg der islamistischen Milizen von Ahmed al-Sharaa gegen das Assad-Regime gesehen werden, sondern auch als Ausnutzung einer – nicht zuletzt durch die Schläge Israels gegen die schiitische Achse herbeigeführten – erstklassigen Gelegenheit für die Türkei zur Stärkung ihres Einflusses und ihrer Macht. Die Entwicklungen in Syrien sind insofern auch ein Spiegelbild der Auseinandersetzung zwischen dem schiitischen Islam, angeführt von der Islamischen Republik Iran, und dem sunnitischen Islam, angeführt von Erdogans Türkei und finanziert von Katar, wobei jede Seite versucht, so viel Territorium und Ressourcen als möglich zu erobern.

Im Wettstreit um die Errichtung einer islamischen Herrschaft auf der Grundlage der Scharia arbeitet jede Seite mit Nachdruck daran, von ihr gesteuerte Zellen im Westen zu schaffen. Das Ergebnis dieser gründlichen und systematischen Arbeit, die in den letzten Jahrzehnten sowohl von sunnitischen als auch von schiitischen Kräften unterstützt wurde, ist seit dem 7. Oktober 2023 besonders deutlich zu spüren. Es zeigt sich in vielen westlichen Städten in Form von der Spaltung dienen sollenden Demonstrationen, Gewalt gegen Einheimische und der organisierten Abhaltung muslimischer Massenandachten an öffentlichen Orten.

Alternative Israel

Die Türkei ist vorerst der große Gewinner des jüngsten Feldzugs in Syrien. Der türkische Präsident Erdogan ist auch der Architekt einer alternativen Energietransportroute in den Iran, welche die Kosten für Energie nach Europa und in den Westen durch die Nutzung seines Einflusses im Block der Turkstaaten (Turkmenistan, Usbekistan, Aserbaidschan usw.) und in Syrien sowie durch die kürzlich erfolgte Stärkung seiner Beziehungen zu Saudi-Arabien verkürzen und senken wird. 

Erdogan beabsichtigt, eine Route zu schaffen, die seine Vormachtstellung festigt und die Menschen in der Region und im Westen dazu veranlasst, auf den Kauf billigerer Energie aus Ankara angewiesen zu sein. Dieser Fall wird eintreten, es sei denn, das israelisch-saudisch-amerikanische Abkommen, das wegen des Hamas-Angriffs und des darauffolgenden Gazakriegs auf Eis lag, wird doch noch beschlossen und unterzeichnet. In diesem Fall könnte die Pipeline-Route den Weg über Syrien – und damit in weiterer Folge die Türkei – unnötig machen, da Israel seinen Platz bei der Schaffung einer alternativen, billigeren zur bereits bestehenden und von der Islamischen Republik Iran geführten einnehmen wird.

Erdogan, Anhänger eines politischen Islams und Unterstützer der Muslimbruderschaft, ist sich dieser Dynamik bewusst und wird daher alles tun, um die Zementierung der israelisch-saudischen Allianz zu verhindern.

Gefahr für den Westen

Darüber hinaus verstehen sowohl die derzeitige sunnitisch-radikale Führung in der Türkei als auch die schiitisch-radikale Führung in der Islamischen Republik Iran die Symbolik, die Jerusalem für die muslimische Welt hat, sowohl für Schiiten als auch für Sunniten. Daher erklären beide häufig ihre Absicht, Jerusalem von den zionistischen Ungläubigen zu »befreien«. Erst unlängst erklärte etwa Erdogans Sohn Bilal auf einer Demonstration islamischer Gruppen in Istanbul: »Die Muslime in Syrien waren entschlossen, geduldig und haben gesiegt. Nach Syrien wird Gaza siegreich aus der Belagerung hervorgehen. Gestern die Hagia Sophia, heute die Umayyaden-Moschee in Damaskus, morgen die Al-Aqsa-Moschee in Jerusalem.«

Erdogans Erfolge durch die sunnitischen Rebellen in Syrien haben seinen Appetit auf die Erweiterung seines Imperiums nur noch gesteigert, wozu auch die Minimierung der Möglichkeit einer kurdischen Autonomie im Nordosten Syriens gehört. Seine Aktionen gegen die Kurden beispielsweise laufen derzeit ohne Anzeichen von Widerstand seitens der »aufgeklärten« Welt.

Die Mitgliedschaft der Türkei in der NATO erhöht das Ausmaß der Bedrohung für Israel erheblich und unterstreicht die Notwendigkeit eines durchdachten Vorgehens Israels, wie zum Beispiel, die neue US-Regierung auf das Ausmaß und die Auswirkungen der Bestrebungen Ankaras aufmerksam zu machen. Die Frontstellung islamistischer Führer wie Erdogan gegen die westliche Welt sollte von der neuen US-Regierung als ernstes Problem wahrgenommen werden. Sie bedroht die Stabilität der westlichen Nationen sowie vieler Länder im Nahen Osten, darunter Ägypten, Jordanien und die Vereinigten Arabischen Emirate. 

Die Zerschlagung einer der beiden Achsen führt zwangsläufig zum Aufstieg der anderen, wie sich zeigte, als die Vereinigten Staaten eine erfolgreiche internationale Koalition gegen den Islamischen Staat im Irak und in Syrien anführten und dabei den Grundstein für den Aufstieg der schiitischen Achse, angeführt von der Islamischen Republik Iran und ihren zahlreichen Stellvertretern, legten. 

Ein ähnliches Ergebnis ist zu erwarten, wenn die dringend erforderlichen Maßnahmen gegen den Iran wegen seines Atomprogramms ergriffen werden. Wenn und falls die Trump-Administration den Iran angreift, darf sie daher die radikale sunnitische Achse keinen Moment aus den Augen verlieren, obwohl – und vielleicht sogar, weil – die türkischen und katarischen Anführer dieser Achse Partner der USA sind, die gleichzeitig ihren Untergang anstreben.

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