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Der Türkei laufen die Ärzte davon

Arzt in einem Krankenhaus in Izmir/Türkei. (© imago images/GocherImagery)
Arzt in einem Krankenhaus in Izmir/Türkei. (© imago images/GocherImagery)

Nachteilige Reformen im Gesundheitswesen, eine explodierende Inflation, zahlreiche Angriffe: Viele Ärzte wenden der Türkei den Rücken zu.

Über die schwere Wirtschafts- und vor allem Währungskrise in der Türkei wird oft berichtet. Jüngst hat Stefan Frank an dieser Stelle einen Blick auf den Versuch der Regierung geworfen, die Türken dazu zu bringen, ihre Goldbestände in die Landeswährung umzutauschen, um den Absturz einzubremsen. Insbesondere unter der Jugend steigt der Unmut über die herrschende AKP und Präsident Recep Tayyip Erdogan. In einem Bericht schildert das Nachrichtenmagazin Der Spiegel anhand einer besonderen Berufsgruppe die teils dramatischen Konsequenzen der Krise, nämlich der türkischen Ärzte.

Die medizinischen Universitäten und die an ihnen genossene Ausbildung seien lange ein Stolz der Türkei gewesen. Doch der Beruf des Arztes hat viel davon eingebüßt, was ihn einst erstrebenswert gemacht hatte. Die türkischen Ärzte fühlten sich heutzutage »überarbeitet, unterbezahlt und wenig wertgeschätzt«. Zudem häufen sich verbale und physische Angriffe auf ärztliches Personal – 100.000 sollen es im Laufe der letzten elf Jahre gewesen sein, zehn Ärzte seien von Patienten ermordet worden.

Nach ihrer Machtergreifung hatte die AKP etliche Reformen im Gesundheitswesen umgesetzt, darunter die Einführung der allgemeinen Krankenversicherung im Jahr 2008. Aber für die Ärzteschaft brachten die Reformen längst nicht nur Gutes: Die Bezahlung erfolgt nicht nach der Qualität der Behandlung, sondern nach der Zahl der Patienten. Um halbwegs gut zu verdienen, müsse ein Hausarzt heute rund achtzig Patienten am Tag behandeln.

Und das verdiente Geld schmilzt in der galoppierenden Inflation dahin: Fast fünfzig Prozent betrug die Teuerungsrate im Januar 2022. Für Ärzte werde es unter diesen Bedingungen schwierig, sich selbst etwas so Grundlegendes wie ein neues Stethoskop leisten zu können, wenn das alte kaputt geworden ist. Der Verdienst vieler Ärzte liege heute nur mehr knapp über dem Mindestlohn von umgerechnet 332 Euro im Monat.

Viele bevorzugen daher den Gang ins Ausland: 5.000 Ärzte sollen in den vergangenen zehn Jahren das Land verlassen haben, 1.400 waren es allein im letzten Jahr.

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