Während der österreichische Rundfunk ORF schnell mit Verurteilungen Israels zur Hand ist, scheint ihn das Verhalten der Hisbollah deutlich weniger zu interessieren.
Im Libanon, so erfuhr man vergangenen Samstag in der ZiB 9:00 des österreichischen öffentlichen-rechtlichen Senders ORF, »haben Anhänger der pro-iranischen Hisbollah-Miliz in der Nacht ein Fahrzeug der UNO-Friedenstruppe UNIFIL in Brand gesetzt«. Die Blauhelme seien auf dem Weg zum Flughafen in der Hauptstadt Beirut gewesen, als Hisbollah-Aktivisten deren Konvoi attackierten und bei ihrem Angriff einen UNIFIL-Kommandanten verletzten. Die libanesische Armee, so hieß es in dem Beitrag abschließend, habe angekündigt, »hart gegen die Verantwortlichen vorzugehen«.
Auch wenn der genannte ORF-Beitrag faktisch korrekt war, so zeigt sich in der Kurzmeldung bzw. in dem, was darin nicht berichtet wurde, doch auch die Problematik, die sich ergibt, wenn Nachrichtenberichterstattung auf Hintergrundinformationen und die Einordnung des Geschehenen verzichtet. Was war es also, worüber das Publikum der Nachrichtensendung nichts erfuhr, was zur korrekten Einschätzung der Lage vor Ort aber geradezu unerlässlich gewesen wäre?
Was war passiert?
In der vergangenen Woche veröffentlichte Israel eine Warnung, dass Teheran zivile Flugzeuge nutze, um gegen das am 27. November 2024 geschlossene Waffenstillstandsabkommen zwischen Israel und der Hisbollah zu verstoßen. So erklärte der arabischsprachige Sprecher der Israelischen Verteidigungsstreitkräfte Avichay Adraee am 12. Februar, dass »die iranische Revolutionsgarde und die Hisbollah in den letzten Wochen zivile Flüge, die am Flughafen Beirut ankamen, dazu verwendet haben, Bargeld zu transferieren, das zur Aufrüstung der Hisbollah im Libanon bestimmt war«.
Der Überwachungsmechanismus für den Waffenstillstand, dem libanesische, französische und UNO-Vertreter angehören, sei nicht in der Lage gewesen, die aus dem Iran kommenden Flüge zur Terrorfinanzierung zu stoppen, so die israelische Kritik, die eine klare Warnung an die libanesischen Behörden beinhaltete. Als Reaktion verweigerte Beirut am Donnerstag einem iranischen Flugzeug die Landung auf dem Rafik-Hariri-Flughafen.
Eine libanesische Sicherheitsquelle gab an, das Verbot sei auf eine private Warnung des Weißen Hauses hin erfolgt, andernfalls würde Israel den Flughafen ins Visier nehmen. »Die amerikanische Seite teilte der libanesischen Seite mit, dass Israel seine Drohung ernst meinte«, sagte die Quelle und fügte hinzu, dass das libanesische Ministerium für öffentliche Arbeiten und Verkehr nach Rücksprache mit Premierminister Nawaf Salam und Präsident Joseph Aoun die Genehmigung für den Flug verweigert habe.
Der Vorgang löste Proteste und Demonstrationen seitens der Hisbollah aus. Sie forderte die libanesischen Behörden auf, ihre Entscheidung rückgängig zu machen »und ernsthafte Maßnahmen zu ergreifen, um zu verhindern, dass der israelische Feind [dem Land] seine Diktate aufzwingt und die nationale Souveränität verletzt«. Die libanesische Armee wiederum schoss Tränengas ab, um die auf dem Flughafen aufmarschierten Hisbollah-Demonstranten zu vertreiben. In einer Reaktion forderte die schiitische Terrormiliz die libanesische Regierung auf, »ihre Verantwortung für den Schutz der friedlichen Demonstranten zu übernehmen« und verurteilte das Militär für seinen Angriff auf eine »friedliche Bewegung und zivilisierte Form des Widerstands der Bevölkerung gegen eine ungerechtfertigte Unterwerfung unter ausländisches Diktat«.
Am Freitag, den 14. Februar verhinderte der Libanon wegen der Bedenken bezüglich einer Reaktion Israels die Landung eines weiteren iranischen Flugzeugs, was die Anhänger der Hisbollah dazu veranlasste, die Straße zum einzigen Flughafen des Libanons zu blockieren. Diese Entwicklung führte schließlich zu den vom ORF vermeldeten Angriffen auf Fahrzeuge der UNO-Friedenstruppe, bei denen der stellvertretende UNIFIL-Kommandeur im Libanon in der Nacht auf Samstag verletzt wurde, als sein Konvoi auf dem Weg zum Flughafen attackiert wurde, wo er sich einen Überblick über die Lage verschaffen wollte.
Hintergrund bedeutungslos?
Die Hisbollah lieferte sich also Auseinandersetzungen mit der libanesischen Armee und griff die UNIFIL an, weil diese – auf Druck aus Jerusalem – versuchten, die Bestimmungen des Waffenstillstands zwischen Israel und der schiitischen Terrormiliz durchzusetzen – und der ORF berichtet zwar über den Vorfall, befindet es aber nicht für notwendig, sein Publikum über die Hintergründe der geschilderten Ereignisse zu unterrichten.
Während man im österreichischen Rundfunk schnell damit zur Hand ist, Israel Vorwürfe zu machen und etwa Ende Januar behauptete, seine Streitkräfte hätte bereits mit dem Rückzug beginnen müssen, obwohl doch kurz zuvor eine Fristverlängerung bis Mitte Februar erzielt worden war, scheint Ähnliches für die Hisbollah nicht zu gelten: Wenn diese nämlich wirklich versucht, die Waffenstillstandsvereinbarungen zu brechen, herrscht diesbezüglich auf einmal ohrenbetäubende Stille.
Davon, dass Israel und der Libanon am 27. Januar die Friste verlängert haben, in der die IDF den Süden des Landes verlassen soll, scheint @Gawhary auch noch nichts gehört zu haben – oder er findet es nicht notwendig, dies dem @ORF-Publikum mitzuteilen. https://t.co/A8zyyUOInB pic.twitter.com/zCbyEdyQQl
— Mena-Watch (@MENA_WATCH) January 30, 2025