Das iranische Regime versucht seit Jahrzehnten, die eigene Bevölkerung für die Probleme des Landes verantwortlich zu machen, anstatt die fehlerhafte Politik zu korrigieren.
Eine der gängigen Taktiken ineffizienter Regierungen im Umgang mit Krisen ist es, Sündenböcke zu suchen und einen externen Schuldigen zu finden. Die Islamische Republik Iran hat während ihrer jahrzehntelangen Herrschaft immer wieder versucht, die eigene Bevölkerung für die Probleme des Landes verantwortlich zu machen, anstatt Verantwortung zu übernehmen und ihre fehlerhafte Politik zu korrigieren.
Auf jede Krise, die das Land getroffen hat, reagierte die Regierung mit der immer wiederkehrenden Antwort »Das Volk ist schuld«. Diese Taktik wurde nicht nur bei wirtschaftlichen Belangen angewendet, sondern auch bei der Bewältigung von Krisen im Sozial- und Umweltbereich sowie im öffentlichen Gesundheitssystem wie etwa der COVID-19-Pandemie.
Immer dieselbe Masche
Seit Jahrzehnten wird die iranische Wirtschaft von strukturellen Problemen geplagt. Die Abwertung des Rial, die galoppierende Inflation und die explodierenden Preise für lebenswichtige Güter sind die direkten Folgen einer schlechten Wirtschaftspolitik und systemischer Korruption. Doch anstatt diese Realität anzuerkennen und sich ihrer anzunehmen, zeigt die Regierung mit dem Finger auf die Bevölkerung.
Steigt der Dollarkurs, behaupten Regime-Funktionäre, die Bürger würden mehr als siebzig Milliarden Dollar in Fremdwährung und Gold in ihren Häusern horten. Aber können einfache Menschen wirklich für solche Währungsschwankungen verantwortlich sein, oder sind nicht eher Misswirtschaft, Sanktionen und weit verbreitete Korruption die wahren Ursachen der Wirtschaftskrise?
Tatsächlich haben eine fehlerhafte Geldpolitik, übermäßige Geldschöpfung und politische Instabilität den Rial erheblich geschwächt. Unter solchen Bedingungen ist es nur natürlich, dass die Iraner ihre Ersparnisse in Gold und Fremdwährungen anlegen, um sie zu schützen. Anstatt jedoch das finanzielle Missmanagement anzugehen, stellt die Regierung diese rationale Reaktion fälschlicherweise als Ursache der Krise dar.
Dasselbe Muster wiederholt sich im Lebensmittelsektor: Steigen die Preise für Kartoffeln und Zwiebeln in die Höhe, behauptet die Regierung, die Menschen würden mehr kaufen, als sie tatsächlich bräuchten. Das eigentliche Problem liegt jedoch in der verfehlten Landwirtschaft, der Korruption in der Vertriebskette und den übermäßigen Exporten von Agrarprodukten in die Nachbarländer. Entgegen den Behauptungen der Regierung horten die Iraner weder Auberginen noch Kartoffeln; vielmehr ist es die fehlerhafte und ineffiziente Politik, die zu Engpässen und steigenden Preisen bei diesen lebensnotwendigen Gütern geführt hat.
Die Energiekrise ist ein weiteres Beispiel besagten Musters. Im Sommer werden weit verbreitete Stromausfälle damit begründet, die Bürger würden zu viel Strom verbrauchen. Tatsächlich ist das Stromnetz veraltet, es wurde nicht ausreichend in seine Entwicklung investiert, und ein erheblicher Teil des Stroms wird von regierungsnahen Stellen für das Mining von Kryptowährungen verwendet.
Darüber hinaus exportiert der Iran nach wie vor Strom in andere Länder, während die eigenen Bürger unter ständigen Stromausfällen leiden. Ist die Bevölkerung wirklich für diese Ausfälle verantwortlich oder die Regierung, die, anstatt in Infrastruktur zu investieren, nationale Ressourcen zugunsten ausgewählter Gruppen verschwendet hat?
Sündenbockpolitik
Im Winter, wenn die Luftverschmutzung ein kritisches Niveau erreicht, behaupten die Behörden, die Menschen würden zu viel Auto fahren. Die Hauptursachen für die Luftverschmutzung sind jedoch die mit der Regierung verbundenen Industrien, die geringe Qualität des produzierten Kraftstoffs und das Fehlen eines effizienten, öffentlichen Verkehrssystems. Während andere Regierungen die Umweltverschmutzung durch den Ausbau des öffentlichen Verkehrs, das Angebot von Umweltanreizen und die Durchsetzung strenger Industriestandards kontrollieren, hat die iranische Regierung einen einfacheren Weg gewählt: Sie gibt den Menschen die Schuld.
Diese Sündenbockpolitik erreichte ihren Höhepunkt inmitten der globalen COVID-19-Krise: Während viele Länder schnell mit Impfkampagnen begannen, verbot das iranische Mullah-Regime die Einfuhr renommierter Impfstoffe und gefährdete damit Tausende von Menschenleben. Als die Krise eskalierte, schob es die Schuld für die Ausbreitung auf die Bevölkerung, anstatt die Verantwortung zu übernehmen. In den staatlichen Medien wurde ständig das Narrativ verbreitet, die Bevölkerung hielte sich nicht an die Gesundheitsrichtlinien, ohne die Inkompetenz der Führungskräfte, den Mangel an Ressourcen im Gesundheitswesen oder das Versäumnis, rechtzeitig Lockdowns verhängt zu haben, einzugestehen.
In einigen Fällen wurden sogar Personen verhaftet, die vor der tatsächlichen COVID-19-Situation gewarnt hatten. So gab beispielsweise Abolfazl Shekarchi, der Sprecher der Streitkräfte, bekannt, dass 3.600 Menschen wegen der »Verbreitung von Gerüchten« über COVID-19 verhaftet worden seien. In einem solchen Umfeld versäumte es die Regierung nicht nur, die Krise wissenschaftlich zu bewältigen, sondern sie versuchte auch noch, ihre eigene Sichtweise durchzusetzen, indem sie Informationen unterdrückte.
Vor Kurzem erklärte Präsident Masoud Peseschkian, die Probleme der Existenzsicherung und die Inflation setzten die Gesellschaft unter Druck, doch es stünde nur ein kleiner Teil der Inflation unter der Kontrolle des Regimes, während ein großer Teil außerhalb seiner Reichweite liege.
Abschieben von Verantwortung
Dem Beharren der Machthaber, der Bevölkerung die Schuld an der landesweiten Misere zuzuschieben, liegt in deren Bestreben, sich ihrer Verantwortung und Rechenschaftspflicht zu entziehen – eine Taktik, die vom Obersten Führer Ali Khamenei bis hin zu den unteren Rängen der Hierarchie angewendet wird. Systemische Korruption, ineffiziente Verwaltung, Sanktionen aufgrund einer fehlgeleiteten Außenpolitik, Missbrauch nationaler Ressourcen und mangelnde Transparenz – all dies wird beiseitegeschoben.
Darüber hinaus führt die Schuldzuweisung an die Bevölkerung zu einer Spaltung der Gesellschaft und lenkt die öffentliche Meinung ab. Sehen die Bürger sich selbst und nicht die Regierung als Ursache ihrer Probleme an, schwächt dies den sozialen Zusammenhalt und die Proteste gegen das Regime nehmen ab.
Diese Taktik funktioniert jedoch nicht mehr. Die Mehrheit der Iraner lässt sich von diesem Propagandaspiel nicht mehr täuschen. Eine Gesellschaft, die jahrzehntelang Lügen und Sündenbock-Manövern ausgesetzt war, vertraut den offiziellen Erzählungen der Regierung nicht mehr. Jede Krise, die entsteht, entlarvt die Inkompetenz des Regimes weiter. Niemand glaubt mehr, dass die Bevölkerung für die Probleme des Landes verantwortlich ist. Der wahre Schuldige ist ein Regime, das die Ressourcen des Landes jahrzehntelang verschwendet, die Wirtschaft durch eine fehlgeleitete Politik zum Zusammenbruch gebracht, die Infrastruktur zerstört und das Alltagsleben immer schwieriger gemacht hat.