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»Demokratische Parteien dürfen Israel-Hass keine Bühne geben«

Der Antisemitismusbeauftragte des Landes Brandenburg Andreas Büttner
Der Antisemitismusbeauftragte des Landes Brandenburg Andreas Büttner (© Imago Images / dts Nachrichtenagentur)

Im Gespräch mit Elisa Mercier stellt der Antisemitismusbeauftragte des Landes Brandenburg Andreas Büttner (Die Linke) über den in allen politischen Lagern zunehmenden Judenhass in Deutschland.

Elisa Mercier (EM): Sie sind Antisemitismusbeauftragter von Brandenburg. Kürzlich gingen Zahlen des deutschen Bundeskriminalamts BKA durch die Medien, nach denen antisemitische Straftaten deutlich gestiegen sind. Wie ist die Situation in Brandenburg?

Andreas Büttner (AB): Die Lage ist leider sehr ernst. Auch in Brandenburg haben die antisemitischen Vorfälle seit dem 7. Oktober 2023 deutlich zugenommen, sowohl in Form von Straftaten als auch im Alltagsantisemitismus. Wir reden nicht nur über Hakenkreuzschmierereien oder Beschädigungen jüdischer Einrichtungen, sondern auch über verbale Bedrohungen, Hass in den sozialen Medien und tätliche Angriffe. Was mich besonders beunruhigt: Wir sehen einen Anstieg in allen Phänomenbereichen – vom rechtsextremen bis zum islamistischen Antisemitismus, aber auch aus Teilen der politischen Linken. Das heißt: Das Problem ist gesamtgesellschaftlich und nicht auf ein Milieu beschränkt.

EM: Wirkt sich der Krieg im Gazastreifen auch auf Juden in Ihrem Bundesland aus?

AB: Ja, und zwar unmittelbar. Viele von ihnen haben Verwandte und Freunde in Israel. Sie sorgen sich um ihre Sicherheit und erleben hier gleichzeitig, dass der Nahostkonflikt in Form von antisemitischen Parolen, Demonstrationen und Drohungen in ihren Alltag hineinwirkt. Das reicht bis zu Schulhöfen, wo Kinder und Jugendliche mit antisemitischen Sprüchen konfrontiert werden. Für viele in den jüdischen Gemeinden fühlt sich das an wie eine doppelte Bedrohung: Angst um Angehörige in Israel und Angst vor Anfeindungen hier vor Ort.

EM: Welche Maßnahmen setzt Brandenburg zum Schutz jüdischen Lebens um?

AB: Wir haben gemeinsam mit den Sicherheitsbehörden die Schutzmaßnahmen für Synagogen, jüdische Friedhöfe und andere Einrichtungen deutlich verstärkt, sowohl sichtbar als auch verdeckt. Parallel dazu setzen wir stark auf Prävention: Wir bauen Bildungsangebote an Schulen aus, fördern Projekte wie Meet a Jew oder interreligiöse Dialogformate und setzen auf enge Zusammenarbeit mit den jüdischen Gemeinden. Zusätzlich arbeiten wir mit der Polizei und Staatsanwaltschaft daran, antisemitische Straftaten konsequent zu verfolgen, auch im digitalen Raum.

Für Überzeugungen kämpfen

EM: Die Kampagne D-A-CH gegen Hass hat kürzlich einen Fünf-Punkte-Plan gegen Antisemitismus vorgelegt, der auch juristische Verschärfungen etwa bei Beleidigungen ausländischer Staaten, insbesondere Israels, vorsieht. Teilen Sie dieses Vorhaben?

AB: Als Antisemitismusbeauftragter begrüße ich diesen Plan ausdrücklich. Es ist ein starkes Signal, dass die Zivilgesellschaft hier mit klaren Forderungen antritt. Besonders wichtig finde ich den Vorschlag, juristische Verschärfungen bei der Beleidigung ausländischer Staaten, vor allem Israels, vorzunehmen. Israel ist nicht irgendein Staat, sondern für viele Jüdinnen und Juden weltweit Teil ihrer Sicherheit, ihrer Identität und ihrer Existenz. Wenn Israel auf übelste Weise diffamiert oder gar delegitimiert wird, trifft das fast immer auch jüdisches Leben hier bei uns. Dass die Kampagne dies klar benennt, halte ich für ein ermutigendes Zeichen. Der Anschlag in Manchester führt uns erneut drastisch vor Augen, wie wichtig es ist, Hass nicht kleinzureden, sondern ihm entschieden und auch rechtlich wirksam entgegenzutreten.

EM: Diese Kampagne ist aus der Zivilgesellschaft entstanden. Müsste sich die Zivilgesellschaft nicht noch mehr gegen Antisemitismus engagieren?

AB: Ja, die Zivilgesellschaft muss sich noch viel stärker engagieren. Antisemitismus beginnt nicht erst bei Gewalt, er beginnt im Alltag: mit Worten, mit Gesten, mit Vorurteilen. Deshalb ist es entscheidend, dass Vereine, Religionsgemeinschaften, Schulen, Universitäten, Kulturschaffende und nicht zuletzt jede und jeder Einzelne Verantwortung übernimmt.

Die Kampagne D-A-CH gegen Hass ist ein ermutigender Anfang, aber sie sollte uns zugleich Ansporn sein, noch breiter, noch sichtbarer und noch entschlossener aufzutreten. Nur, wenn wir gemeinsam Haltung zeigen, können wir dauerhaft verhindern, dass Hass unsere offene Gesellschaft zerstört. Der Anschlag in Manchester zeigt uns tragisch und erschütternd, wie verletzlich wir sind, wenn wir Hass gewähren lassen. Umso mehr gilt: Wir alle – Politik, Institutionen und Zivilgesellschaft – müssen Schulter an Schulter stehen, wenn es darum geht, Antisemitismus zu bekämpfen und jüdisches Leben zu schützen.

EM: Sie erhalten aktuell viel Druck aus Ihrer Partei, der Linken. Sie sollen ausgeschlossen werden. Warum?

AB: Weil ich in der Frage Israels eine klare Haltung habe – und die weicht in Teilen deutlich von Positionen ab, die innerhalb meiner Partei vertreten werden. Ich verurteile den Terror der Hamas ohne Relativierung. Ich erkenne das Existenzrecht Israels an und ich weigere mich, antisemitische oder israelfeindliche Narrative zu bedienen. Manche in meiner Partei sehen das als Abweichung von der Parteilinie, ich sehe es als meine Pflicht – nicht nur als Antisemitismusbeauftragter, sondern auch als Mensch.

EM: Im Sommer beging der Bezirksverband der Linken in Berlin-Neukölln ein »Sommerfest« mit der Hamas nahestehenden Rednern. Linke-Vorsitzender Jan van Aken bezeichnete Israel als »Hungermörder«. Nur zwei Beispiele. Wie bewerten Sie das?

AB: Solche Vorfälle richten enormen Schaden an. Demokratische Parteien dürfen Israel-Hass keine Bühne geben, niemandem, der Terror relativiert oder Israel dämonisiert. Man überschreitet damit eine rote Linie. Solche Positionen sind mit einer klaren Haltung gegen Antisemitismus nicht vereinbar. Ich erwarte, dass sich meine Partei an diesem Punkt eindeutig positioniert und Distanz schafft – nicht nur mit Worten, sondern auch mit Konsequenzen.

EM: Welchen Kurs schlägt die Linke ein und sehen Sie für sich dort eine Zukunft?

AB: Das hängt davon ab, ob die Linke bereit ist, ihre eigenen Widersprüche in der Haltung zu Israel und zum Antisemitismus ehrlich zu klären. Wenn die Partei glaubwürdig gegen jede Form von Judenhass vorgehen will, muss sie auch den Antisemitismus im eigenen Umfeld benennen – egal, aus welcher Richtung er kommt. Ich habe jedenfalls nicht vor, die Partei zu verlassen und werde für meine Überzeugungen kämpfen.

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