Gleich der erste Tag des Frühjahrssemesters brachte an der New Yorker Columbia University eine Fortsetzung der antisemitischen Krawalle des letzten Jahres.
Dienstag, 21. Januar: Mehrere Personen, die sich im Stil palästinensischer Terroristen mit sogenannten Palästinensertüchern vermummt hatten, wodurch von ihren Gesichtern nur noch Augenschlitze zu sehen waren, stürmten ein Seminar über moderne israelische Geschichte. Geleitet wurde die Lehrveranstaltung von dem Dozenten Avi Shilon, einem Israeli, der am Institut für Israelische und Jüdische Studien beschäftigt ist.
Die jüdische Nachrichtenagentur Jewish News Syndicate (JNS) berichteet über diesen Vorfall. Elisha Baker, ein Student im dritten Jahr an der Columbia University, schilderte gegenüber JNS: »Ziemlich bald nach Beginn der Vorlesung stürmte eine Gruppe maskierter Demonstranten mit einer Trommel, einer Videokamera und einer Menge Flugblättern den Saal. Sie hielten eine Rede darüber, wie schrecklich es sei, dass diese Vorlesung mit diesem israelischen Professor überhaupt stattfindet.«
In einem Video, das Baker auf X veröffentlicht hat, sind vier Vermummte zu sehen. Einer von ihnen nimmt die Szene offenbar mit einer Kamera auf. Eine ebenfalls vermummte Frau hält eine improvisierte Rede in Richtung Kamera, während die anderen Störer Flugblätter auf die Tische werfen und an die Tür und die Tafel heften. Im Video ist ferner zu sehen, wie Studenten diese Flugblätter an die Störer zurückgeben. Man hört den Dozenten, der die Eindringlinge immer wieder zum Gehen auffordert.
Auch die Flugblätter hat Baker auf X veröffentlicht. Es handelt sich um Verherrlichung von Terrorismus und antisemitische Bildsprache. Auf einem Schwarzweißfoto sind vermummte Bewaffnete – offenbar Angehörige der Al-Kassam-Brigaden der Hamas – auf einem Auto zu sehen. Darüber steht der Slogan: »Der Feind wird den morgigen Tag nicht erleben.« Auf einem anderen Flugblatt ist eine Zeichnung eines Vermummten, der eine israelische Flagge verbrennt, mit dem Slogan »Brennt den Zionismus nieder« abgebildet. Das dritte zeigt einen Militärstiefel, der einen Davidstern zertritt, dazu die Aufforderung: »Zerschmettere den Zionismus.«
Die Hochschulleitung hat inzwischen in einer Erklärung mitgeteilt, einen Universitätsangehörigen identifiziert und suspendiert zu haben, der an der Störung beteiligt gewesen sei. Die Suspendierung bleibe solange in Kraft, bis die Universität eine »vollständige Untersuchung und ein Disziplinarverfahren« abgeschlossen habe.
“The enemy will not see tomorrow”
“Burn Zionism to the ground”
“Crush Zionism”These were the flyers thrown at us by hostile protestors in @shilonavi History of Modern Israel class today @Columbia pic.twitter.com/vNwPY6PrmQ
— Elisha (Lishi) Baker (@LishiBaker) January 21, 2025
Universitätsleitung handelt
Die kommissarische Universitätspräsidentin Katrina Armstrong – die im Amt ist, seitdem ihre Vorgängerin Minouche Shafik im August 2024 zurückgetreten ist, nachdem es ihr fast ein Jahr lang nicht gelungen war, dem Eindruck entgegenzutreten, dem seit Oktober 2023 grassierenden Campus-Antisemitismus tatenlos zuzusehen – verurteilte die Störung »aufs Schärfste«, ebenso wie die Flugblätter, die »gewalttätige Bilder enthielten, die auf unserem Campus und in unserer Gemeinde nicht akzeptabel sind«.
Keine Gruppe von Studenten habe das Recht, eine andere Gruppe von Studenten zu stören. »Die Störung akademischer Aktivitäten stellt einen Verstoß gegen die Verhaltensregeln der Universität dar und die Art der Störung kann einen Verstoß gegen andere Richtlinien der Universität darstellen. Wir werden diesen Akt schnell untersuchen und angehen. Wir möchten absolut klarstellen, dass jeder Akt des Antisemitismus oder jede andere Form der Diskriminierung, Belästigung oder Einschüchterung von Mitgliedern unserer Gemeinde inakzeptabel ist und nicht toleriert wird.«
Um zu zeigen, wie ernst sie den Vorfall nimmt, machte die Präsidentin einen Tag später Maßnahmen bekannt, die sie getroffen habe. Die »vollständige Untersuchung dieses inakzeptablen Vorfalls, einschließlich der Identifizierung der beteiligten Personen und angemessener Disziplinarverfahren«, werde beschleunigt. Die Sicherheitsprotokolle seien geändert worden, und der Zutritt zu dem Gebäude, in dem das Seminar stattfindet, künftig nur noch mit einem speziellen maschinenlesbaren Ausweis (CUID Swipe), der den Besitzer als zugangsberechtigt ausweist, möglich sein.
Das Sicherheitsteam der Universität sei mobilisiert worden, »um zukünftige Vorfälle zu verhindern, einschließlich der Identifizierung und Zuweisung zusätzlicher Ressourcen zu Kursen mit erhöhtem Störungsrisiko«. Das Team für psychologische Betreuung und Beratung unterstütze Studenten, die von den Vorfällen betroffen waren. Das Büro des Kanzlers und die Dekane böten Fakultätsmitgliedern und Dozenten zusätzliche Unterstützung bei Vorfallmanagement, Berichterstattung und anderen Belangen. Zudem arbeite die Columbia University mit dem New York Police Department zusammen, um den Campus sowie seine Außentore und Gebäude zu schützen.
Columbia müsse eine »Gemeinschaft sein, in der wir Menschen für ihre Handlungen verantwortlich machen«, so Armstrong. »Maßnahmen, die unseren Unterricht und unsere akademische Mission stören und unsere Studierenden einschüchtern oder belästigen, sind nicht akzeptabel und eine Beleidigung für jedes Mitglied unserer Universitätsgemeinschaft.«
Man vergleiche das mit dem Auftreten der Präsidentin der Berliner Alice Salomon Hochschule (ASH), Bettina Völter. Sie hatte Anfang Januar Hamas-Unterstützer, die das ASH-Gebäude besetzt hatten, ausdrücklich in Schutz genommen und vor der Hochschule stehende Polizeibeamte als »bedrohlich« bezeichnet. Der Zentralrat der Juden in Deutschland hatte das als »skandalös« bezeichnet. Dessen Präsident Josef Schuster sagte: »Wenn eine Rektorin an ihrer Hochschule Terror-Verherrlicher und Hamas-Liebhaber gewähren lässt und sie als weniger bedrohlich als unsere Polizei empfindet, ist das für mich völlig unverständlich.«
Here's the beginning of the semester @Columbia, whose federal funding is likely on the chopping block for coddling terror supporters. Mimicking their friends in Hamas, masked @ColumbiaBDS supporters, armed with their video cameras barged into the 1st class of Israel prof Avi… pic.twitter.com/WONsEIU4fK
— Canary Mission (@canarymission) January 23, 2025
Verbot von Vermummung gefordert
Manchen gehen die von Armstrong an der Columbia University ergriffenen Maßnahmen nicht weit genug. Der auch für die Times of Israel tätige israelische Journalist Haviv Rettig Gur bemängelte auf X, dass das Thema der Vermummung gar nicht angesprochen werde und fügte hinzu: »Warten wir ab, von welchen Disziplinarmaßnahmen die Rede ist. Mal sehen, ob @Columbia ihr Rückgrat und ihren Selbstrespekt als Institution wiedergefunden hat.«
Der betroffene Dozent Abi Shilon hat einen Bericht über den Vorfall in seiner Veranstaltung veröffentlicht. Kurz vor der Störung, erinnert er sich, habe er den Studenten erklärt, dass sie in seinem Seminar zwei konkurrierende Narrative über die Ereignisse von 1948 kennenlernen werden: das israelische, das den Unabhängigkeitskrieg nach der arabischen Ablehnung des UN-Teilungsplans betone, »und den palästinensischen Blickwinkel, der die Nakba als Folge des Kriegs betont«.
Er habe seine Rede noch nicht beendet gehabt, als die Maskierten den Raum stürmten, Plakate in die Luft hoben und »Völkermord« brüllten. Da er geglaubt habe, die Proteste des letzten Jahres seien abgeebbt, habe er im ersten Augenblick gedacht, es handle sich um Terroristen. Dann habe er seine Fassung zurückgewonnen: »Ich sah die Studenten im Seminarraum an: Sie saßen alle noch da, vielleicht verängstigt, vielleicht verstört. Einige von ihnen holten ihre Handys heraus und begannen, still Fotos zu machen.«
Als die Störer anfingen, die Flugblätter auf die Studenten zu werfen, sei ihm klar geworden, dass er weniger höflich sein sollte. »Leider spreche ich nicht fließend Arabisch, aber ich kenne ein paar Sätze. Als ich ihnen auf Arabisch sagte, sie sollten den Klassenraum verlassen, stellte sich natürlich heraus, dass sie die Sprache nicht verstanden, genauso, wie sie höchstwahrscheinlich die Komplexität des Konflikts nicht verstanden.«
Als er nach dem Ende der Lehrveranstaltung den Seminarraum verließ, sei er auf eine Demonstration außerhalb des Campus gestoßen, »bei der die Demonstranten versprachen, das Ende Israels sei näher denn je«. Zu diesem Zeitpunkt hatten seine Studenten die Fotos schon in die sozialen Medien gestellt und er »bereits eine Flut von Anfragen« erhalten: von den Medien, von Kollegen als auch der Universitätsleitung, die anbot, für Sicherheit in seinen Kursen zu sorgen.
»Vielleicht liege ich falsch, aber ich bat darum, dass sie für meinen nächsten Kurs, der sich mit Juden in islamischen Ländern befassen soll, keinen Sicherheitsdienst stellen. Ich hatte das Gefühl, dass es seltsam wäre, eine Art Kapitulation, mit Sicherheitspersonal im Seminarraum zu unterrichten. Die Zeit wird zeigen, ob ich falsch lag.«
The protestors who disrupted a class on modern Israel at Columbia today were distributing posters that said “Crush Zionism” and featured a boot stomping a Star of David.
Columbia cannot tolerate this kind of behavior. pic.twitter.com/bvpCfaqpbk
— Steve McGuire (@sfmcguire79) January 21, 2025