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Biden, Berlin und die iranische Bombe (Teil 1)

Joe Biden und Angela Merkel bei der Münchner sicherheitskonferenz 2015
Joe Biden und Angela Merkel bei der Münchner sicherheitskonferenz 2015 (© Imago Images / Christian Thiel)

Auf welcher Seite steht Deutschland bei den Auseinandersetzungen zwischen den USA und dem Iran um die Rückkehr zum Atomdeal von 2015?

Die Zeiten, in denen die Europäer nur mit dem Finger auf Donald Trump zu zeigen brauchten, um ihren Beschwichtigungskurs gegenüber Teheran zu legitimieren, sind vorbei. Was aber werden die neue amerikanische Regierung und deren europäische Verbündete unternehmen, um den iranischen Griff zur Bombe zu unterbinden?

Da ist zunächst der Atomdeal mit Iran. Seit Monaten hatten dessen Advokaten auf einen Wahlsieg Joe Bidens gesetzt. Er würde, so die Hoffnung, umgehend den Austritt Donald Trumps aus dem Abkommen rückgängig machen und die Sanktionen gegen Iran lockern; im Gegenzug würde Teheran seine Verstöße gegen das Abkommen revidieren. Alles wäre wieder gut.

Und jetzt? Auch heute hält Biden an seinem umstrittenen Versprechen, zum Atomdeal zurückzukehren, fest. Er besetzte die wichtigsten Posten des State Department mit Personen, die unter Barack Obama an der Aushandlung des Atomdeals führend beteiligt waren, darunter auch solche, die sich – wie der neue Iranbeauftragte Ron Malley – in der Vergangenheit als ausgesprochen nachgiebig gegenüber iranischen Forderungen erwiesen haben.

Und er fordert keineswegs, dass das Regime als Gegenleistung für die Aufhebung amerikanischer Sanktionen seine Raketen- und Aggressionspolitik verändert. Sondern er erwartet von Teheran nur eine einzige Gegenleistung: Dass es vor Beendigung der von Trump veranlassten Sanktionen zur Einhaltung der Bestimmungen des Atomabkommen zurückkehrt.

Der Iran spielt nicht mit

Doch bereits hier spielt das Regime nicht mit. Es will seine technologischen Ausbrüche aus dem Abkommen erst rückgängig machen, nachdem Joe Biden die Trump verfügten Sanktionen zurückgezogen hat. Demgegenüber hielt Tony Blinken, der neue Außenminister, an Bidens Forderung fest: Zunächst müsse der Iran seine Rückkehr zu allen Regeln des Atomdeals nachprüfbar unter Beweis stellen, bevor an eine Aufhebung der Sanktionen – und damit mehr Geld für das Regime – zu denken sei.

Obwohl Washington über unendlich mehr Macht verfügt, glaubt Teheran, die USA mit einem Ultimatum erpressen zu können. Bis zum 21. Februar müssten die Sanktionen außer Kraft gesetzt sein, sonst werde sich das Fenster der Gelegenheit, was den Iran-Deal anbelangt, wieder schließen, warnt Irans Außenminister Javad Zarif. Dann werde Teheran seinen Atomkurs erheblich forcieren.

Während schon die letzten Verstöße gegen den Atomdeal – die Hochanreicherung von Uran und die Produktion von Uranmetall, das für Atomsprengköpfe gebraucht wird – mit ziviler Atomenergie nichts zu tun hatten, soll ab dem 21. Februar, so die Drohung, zusätzlich das Gros der UN-Inspektoren der IAEO nach Hause geschickt und die Urananreicherung noch einmal erheblich beschleunigt werden. Damit wäre der Atomdeal endgültig vom Tisch. Von einer „tickenden Zeitbombe“ spricht Ali Vaez, der Iran-Experte der „International Crisis Group“. [1]

Auf die Probe gestellt

Die Biden-Administration wird somit frühzeitig auf die Probe gestellt. Ginge sie vor Teheran in die Knie, würde sie fortan als handlungsunfähig gelten und müsste mit einem israelischen Angriff auf das iranische Atomwaffenprojekt rechnen. Beharrte sie auf dem von ihr geforderten Ablauf, könnte das Regime die Auseinandersetzung massiv eskalieren – oder aber klein beigeben, was angesichts seiner realen Schwäche wahrscheinlicher ist.

Der Ausgang dieser Kraftprobe ist gleichwohl offen: Während sich der Iran den Beistand Moskaus für seine Forderung an Washington gesichert hat, stimmten die Außenminister Frankreichs und Großbritanniens in Telefonaten, die sie mit ihrem Kollegen in Washington führten, der amerikanischen Prioritätensetzung zu. „Frankreich und die USA sind sich einig, was getan werden muss“, so ein Beamter aus der Umgebung Macrons. [2] Und Deutschland?

Das Irandepot der Bundesbank

In den letzten 25 Jahren nahm die Bundesrepublik beim iranisch-amerikanischen Atomkonflikt eine Mittler-Rolle ein oder präferierte – mal offen, mal verdeckt – den Standpunkt des Iran.

Ein aktuelles Beispiel verdeckter Hilfeleistung enthüllte Anfang Dezember 2020 John O’Donnell, der Chefkorrespondent der Nachrichtenagentur Reuters. [3] Er weist in seinem Artikel nach, dass die Deutsche Bundesbank als Schaltstelle für die Finanzierung von Geschäften mit dem Iran agiert, was ihm ein Sprecher der Bundesbank bestätigte. So stellt sie fünf iranischen Banken ihre Dienste zur Verfügung. Zwei dieser Banken sind von den USA sanktioniert, darunter die vom Regime betriebene Melli-Bank.

Anfang 2020 hatten diese Banken Einlagen in Höhe von 3,8 Milliarden Euro deponiert, um deutschen Firmen beim Iran-Business zu helfen. Unterlagen der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich belegen, dass davon im Oktober 2020 noch 3 Milliarden Euro zur Verfügung standen.

Damit wurde Trumps Strategie des „maximalen Drucks“ wirksam unterlaufen. Im Oktober 2020 war das Regime besonders geschwächt, hatte Trump doch in diesem Monat 18 iranische Banken sanktioniert. Teherans Verbindungen zum globalen Finanzsystem waren fast vollständig gekappt. In dieser Situation war das Iran-Depot der Bundesbank für das Regime wie ein Rettungsring.

Hätte eine deutsche Privatbank dieses Depot zugelassen, hätten die USA deren Zugang zum US-Markt blockieren und zusätzlich hohe Geldstrafen verhängen können. Da aber die Bundesbank den Status einer Bundesbehörde genießt, hat sie wenig zu befürchten. Bereits 2011 hatte die Bundesregierung unter Angela Merkel die Bundesbank dazu verwendet, Barak Obamas Sanktionsbeschlüsse zu umgehen und Milliardenbeträge aus Indien nach Teheran zu transferieren. [4]

Deutschland ermahnt die USA

Joe Biden, der damalige Vizepräsident, wird sich an diese Rolle Deutschlands erinnern. So fiel in seine Amtszeit auch das Telefonat, das die Bundeskanzlerin mit Barack Obama über die in Hamburg ansässige Europäisch-Iranische Handelsbank führte, die das damalige internationale Sanktionsregime untergrub.

„Mir wurde gesagt“, berichtete am 2. August 2010 der renommierte Journalist John Vinocur in der New York Times, „dass Deutschlands Hemmung, gegen eine Bank in Hamburg scharf vorzugehen, die verdächtigt wird, europäische Geschäfte mit Iran zu erleichtern, kürzlich zu einem – jedoch vergeblichen – Telefonat zwischen Mr. Obama und Kanzlerin Angela Merkel führte.“ [5]

O’Donnells Enthüllung wurde von den deutschsprachigen Medien vollständig ignoriert. Er zitiert eine Spezialistin für Finanzverbrechen mit der Aussage, dass Deutschland mit seiner Bereitschaft, Konten für den Iran einzurichten, im internationalen Vergleich hervorsteche. Und er zitiert einen europäischen Diplomaten mit den Worten, dass Deutschland führend bei der Anstrengung sei, das Atomabkommen mit Iran, das den Handel befördert, zu retten.

Vielleicht ist dies der Grund, warum der deutsche Außenminister Ende 2020 die USA ermahnte, gegenüber Teheran in Vorleistung zu gehen: „Entscheidend wird sein, ob die USA die Wirtschaftssanktionen gegen Iran lockern. Beide Seiten müssen aufeinander zukommen. Die Zeit eilt, weil in Iran im nächsten Jahr Präsidentschaftswahlen anstehen.“ [6]

Es ist offenkundig, dass diese Position mit Bidens Forderung, dass zunächst Teheran zu liefern habe, kollidiert. Hängt es mit dieser Differenz zusammen, dass die Bundesregierung über den Gegenstand der Telefonate, die sie in den letzten Tagen mit Joe Biden und dessen Außenminister Tony Blinken führte, schweigt?

In Teil 2 geht es um die Frage, welche Rolle die restlichen EU-Länder einnehmen, und welche Druckmittel US-Präsident Biden in der Hand hat.

Anmerkungen:

[1] Kim Hjelmgaard and Deirdre Shesgreen, Exclusive: Iran diplomat says ,window is closing‘ for Biden to rejoin nuclear deal, in: USA Today, 28. Januar 2021.

[2] Al-Monitor Staff, France says Iran must return to nuclear deal compliance before US does, Al-Monitor, 26. Januar 2021.

[4] John O’Donnell and Jonathan Saul, Exclusive: European allies pushed back when Trump sanctioned Iran’s banks, Reuters, December 1, 2020.

[5] Siehe meinen am 15. Mai 2011 veröffentlichten Aufsatz „Indien, Iran und die Bundesbank“ in: M. Küntzel, Deutschland, Iran und die Bombe, Berlin 2012, S. 143-152 oder auf Matthias Küntzel: Berlin lässt iranische Bank in Hamburg fallen (matthiaskuentzel.de).

[6] John Vinocur, Loopholes Let Iran Off the Hook, in: New York Times, 2. August 2010; siehe zu diesem Vorgang meinen Aufsatz „EIH-Bank Hamburg: ,Lebensader des Regimes‘ in: WELT, 29. September 2010 sowie auf: Matthias Küntzel: Berlin muss die deutsch-iranischen Bank in Hamburg schließen (matthiaskuentzel.de).

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