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Die beunruhigende Einseitigkeit von Papst Franziskus

Die Palästinensische Autonomiebehörde schlachtet Papst Franziskus‘ Besuch in Bethlehem propagandistisch aus
Die Palästinensische Autonomiebehörde schlachtet Papst Franziskus‘ Besuch in Bethlehem propagandistisch aus (© Imago Images / epd)

Seit Beginn seines Pontifikats schlug Franziskus gegenüber dem jüdischen Staat einen deutlich anderen Ton an als gegenüber dessen terroristischen Gegnern.

Der moralische Kompass von Papst Franziskus habe in Bezug auf Israel deutliche Abweichungen gezeigt, schrieb die Jerusalem Post in ihrem Leitartikel vom Montag. Papst Franziskus werde für viele Dinge in Erinnerung bleiben, heiße es, wobei Eigenschaften aufgezählt wurden, die generell die Nachrufe auf den verstorbenen Pontifex prägen: »Seine Bescheidenheit, sein sanftes Auftreten, sein Mitgefühl für die Armen und seine unermüdlichen Aufrufe zum Frieden in einer zerrissenen Welt.«

Doch neben all seinem Anerkennung gebührenden Einsatz für die Armen und Machtlosen gebe es einen schwarzen Fleck auf der weißen Soutane, und das sei Franziskus’ »Verhältnis zum Staat Israel. Von Beginn seines Pontifikats an schlug Franziskus gegenüber dem jüdischen Staat einen deutlich anderen Ton an als gegenüber dessen Gegnern.«

Schon seine einzige Reise in die Region im Jahr 2014 war voller symbolischer Gesten, die ein Gleichgewicht suggerieren sollten, das keines ist. So besuchte der Papst sowohl die israelische Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem als auch die zu Teilen aus einer Mauer bestehende Antiterror-Sperranlage zum Westjordanland, wo ihn ein Foto dabei zeigt, wie er seinen Kopf auf die Mauer stützt, ähnlich wie Pilger, welche die Klagemauer besuchen.

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Nur scheinbare Symmetrie

Diese scheinbare Symmetrie, in der er etwa die Kranzniederlegung am Grab von Theodor Herzl mit dem Feiern einer Messe in Bethlehem an der Seite des Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde Mahmoud Abbas ausglich, wurde allerdings bald durch klare Aussagen und Handlungen untergraben, die eine beunruhigende Voreingenommenheit erkennen ließen.

So empfing Franziskus im Jahr 2015 Mahmoud Abbas herzlich im Vatikan und nannte ihn – später vom päpstlichen Sprecher dementierten – Berichten zufolge einen »Friedensengel«, was eine verblüffende Charakterisierung eines Mannes darstellt, der den Terrorismus verherrlicht, die Familien von Selbstmordattentätern finanziert, antisemitische Verschwörungstheorien verbreitet und den Holocaust relativiert.

Während desselben Besuchs schloss der Vatikan einen Vertrag ab, in dem der »Staat Palästina« offiziell anerkannt wurde, ein Vorgehen, das von Israel als »übereilter Schritt« verurteilt wurde, der die Friedensbemühungen untergrub und die historischen Rechte der Juden in Jerusalem ignorierte. Die damalige israelische Außenministerin Tzipi Livni drückte es mit den Worten aus, sie bedauere, »dass der Vatikan sich zu einem Schritt entschlossen hat, der die Geschichte des jüdischen Volks in Israel und Jerusalem eklatant ignoriert«. Es sollte nicht das letzte Mal sein, dass Israel seine Bestürzung über die Tendenz des Vatikans zum Ausdruck bringen musste, das palästinensische Narrativ zu priorisieren und israelische Bedenken beiseite zu wischen.

Die Haltung des Vatikans unter Papst Franziskus privilegierte durchwegs eine politisierte Version der palästinensischen Geschichte gegenüber der komplexen Realität vor Ort. »Der Heilige Stuhl schien oft mehr daran interessiert, die palästinensische Identität zu verteidigen, als Israels Sicherheitsdilemma anzuerkennen«, hält die Jerusalem Post dementsprechend fest.

Nach dem 7. Oktober

Selbst nach dem Hamas-Terrorüberfall vom 7. Oktober 2023, dem schlimmsten Angriff auf Juden seit dem Holocaust, verurteilte Papst Franziskus beide Seiten in einer Weise, die beunruhigend einseitig war. Während er das den Krieg auslösende Massaker der Hamas anprangerte, ging er schnell dazu über, Israels militärische Reaktion mit Worten wie »das ist Grausamkeit, das ist kein Krieg« zu kritisieren. Er ging sogar soweit, die israelischen Luftangriffe als »Terrorismus« zu bezeichnen, nachdem zwei palästinensische Christinnen bei einem solchen Luftschlag im Gazastreifen getötet worden waren.

Nicht erwähnt hat Franziskus in seinen Erklärungen hingegen das gut dokumentierte Faktum, dass die Hamas und andere Terrororganisationen menschliche Schutzschilde einsetzen, sich in die zivile Infrastruktur einnisten oder Kirchen und Krankenhäuser für militärische Zwecke missbrauchen, wie es auch palästinensische Ärzte, Menschenrechtsaktivisten und Demonstranten immer wieder öffentlich machen und ankreiden.

Als Israels Kampagne im Gazastreifen weiterging, verschärfte sich die Rhetorik des Papstes. Im November 2024 stellte er offen infrage, ob Israels Militäraktion einen Völkermord darstelle. Und im darauffolgenden Dezember posierte er für ein Foto vor einer Weihnachtskrippe, in der die Christusfigur auf ein Palästinensertuch gebettet war, was die geschichtsklitternde Mär von Jesus als Palästinenser reproduzierte. »Und mit Schmerz denke ich an den Gazastreifen, an so viel Grausamkeit, an die Kinder, die mit Maschinengewehren beschossen werden, an die Bombardierung von Schulen und Krankenhäusern. Was für eine Grausamkeit«, sagte Franziskus zwei Tage vor dem christlichen Weihnachtsfest.

»In den vergangenen achtzehn Monaten gehörte Papst Franziskus zu den lautesten Stimmen, die ein Ende des Kriegs forderten und er wird unter den Befürwortern des Friedens am meisten vermisst werden. Seine Aufrufe zum Frieden und zum Schutz der Rechte der Schwächsten während der zwölf Jahre seines Pontifikats haben Papst Franziskus zu einer beliebten Figur in weiten Teilen der arabischen Welt gemacht«, beschreibt die emiratische Zeitung The National, dass solche Inszenierungen im Nahen Osten nicht unbemerkt blieben.

In einer seiner letzten öffentlichen Ansprachen, die er am Ostersonntag verlas, beschrieb Franziskus die Situation im Gazastreifen als »dramatisch und beklagenswert«. Zwar forderte er einen Waffenstillstand und die Freilassung der Geiseln, aber zugleich war die Kritik an Israel klar und deutlich, während die Gräueltaten der Hamas in einer vagen moralischen Gleichsetzung verwässert wurden, kritisiert der Jerusalem-Post-Leitartikel. »Franziskus forderte die Hamas zwar auf, die Geiseln freizulassen und verurteilte in seiner letzten Osterbotschaft den Antisemitismus. Doch diese Gesten wirkten seltsam obligatorisch, nachdem er monatelang einseitige Kommentare und Schweigen zu den anhaltenden Aggressionen der Hamas abgegeben hatte. Selbst in seinen Aufrufen zum Frieden sprach der Papst zu oft so, als sei die Existenz Israels eine bloße Nebensache in dem Konflikt und nicht von grundlegender Bedeutung für den Frieden.«

Kein Wunder also, dass auch die Hamas selbst öffentlich mit einem Text kondolierte, und der katholischen Kirche und allen Christen ihr Beileid aussprach. Dabei würdigte sie das Leben und Wirken von Franziskus und bezeichnete ihn als Förderer des interreligiösen Dialogs, der sich für Völkerverständigung, Frieden sowie die Ablehnung von Hass und Rassismus einsetzte. »Mehrfach sprach er sich gegen Aggression und Kriege weltweit aus und war eine der führenden religiösen Stimmen, die Kriegsverbrechen und Völkermord verurteilten«, schrieb die islamistische Terrororganisation.

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