Eine hochrangige amerikanische Delegation besuchte Libyen und traf sich mit Vertretern der beiden Konfliktparteien des Landes, was Fragen zu den Zielen der Gespräche aufwirft.
Vor einigen Tagen besuchte eine amerikanische Delegation, bestehend aus der stellvertretenden Verteidigungsministerin Celeste Wallander, dem stellvertretenden Kommandeur des US-Afrika-Kommandos (AFRICOM) John Brennan und dem Geschäftsträger der US-Botschaft Jeremy Brent die libysche Stadt Bengasi, wo sie sich mit dem Warlord Khalifa Haftar und mehreren hochrangigen ostlibyschen Armeeführern trafen. Anschließend reiste die Gruppe weiter nach Tripolis und traf sich mit dem Chef der Regierung der Nationalen Einheit Abdul Hamid Dabaiba, dem Stabschef der westlibyschen Streitkräfte Mohammed Al-Haddad und anderen Militärführern.
Die libysche US-Botschaft gab bekannt, es wurden die wachsende Partnerschaft der US-Regierung mit den libyschen Streitkräften im beiden Teilen des Landes sowie die Unterstützung der USA für die Bemühungen Libyens zur Wiedervereinigung der Sicherheitsinstitutionen, zum Schutz der libyschen Souveränität und zur Stärkung der Stabilität erörtert.
Die emiratische Zeitung Al Bayan zitierte libysche Quellen mit den Worten, die amerikanische Delegation habe während des Treffens mit Haftar die Notwendigkeit der Umsetzung des Projekts zur Bildung einer einheitlichen libyschen Streitmacht betont. Nur eine solcherart einheitliche Armee könne die ihr zugewiesenen Aufgaben erfüllen, insbesondere die Sicherung der südlichen Grenzen zu Sudan, Tschad und Niger, die von politischem und sicherheitspolitischem Chaos geprägt sind. Laut denselben Quellen betonte die Delegation auch die Notwendigkeit, Libyen vor den dramatischen Veränderungen zu bewahren, die in einigen afrikanischen Nachbarländern zu beobachten sind.
Diplomatische US-Bemühungen
Der Besuch der Delegation ist der zweite amerikanisch-diplomatische Vorstoß in dem afrikanischen Land innerhalb kurzer Zeit: Am 27. August traf Haftar den AFRICOM-Kommandeur Michael Langley, um sich über den Ausbau der Partnerschaft und den Austausch von Fachwissen im Militär- und Sicherheitsbereich auszutauschen.
Nach Langleys Besuch erklärte der US-Sondergesandte für Libyen, Richard Norland, die Unruhen in der Sahelzone und die Instabilität an den südlichen Grenzen Libyens unterstrichen die Bedeutung der libyschen Grenzsicherheit: »Um dies zu erreichen, müssen die Sicherheitskräfte im Osten und Westen damit beginnen, ihre Aktivitäten zu koordinieren und Fachwissen und Kenntnisse auszutauschen. Vielleicht können die Vereinigten Staaten zu diesen gemeinsamen Vereinbarungen beitragen, die ihnen bei der Zusammenarbeit zur Sicherung ihrer Grenzen helfen werden.«
Der Vizepräsident der libyschen Umma-Partei, Ahmed Al-Dougha, kommentierte die US-Bemühungen in Libyen damit, dass es »in der Tat ein amerikanisches politisches Engagement in Libyen« gebe, das seiner Ansicht nach »darauf abzielt, den politischen Stillstand im Land zu überwinden und alle politischen Parteien dazu zu drängen, sich auf eine politische Lösung zu einigen und Wahlen abzuhalten«.
Das von den Vereinigten Staaten gezeigte Engagement, fuhr Al-Dougha fort, ziele darauf ab, den Einfluss Washingtons in Libyen wiederherzustellen, nachdem Washington den Ausbau der Beziehungen anderer Staaten zu Libyen feststellen musste. Wenn also die USA »echten Druck auf die politischen Parteien in Libyen ausüben, werden sie sich auf eine Lösung für die politische Krise des Landes einigen« müssen.
Libyen ist seit Jahren in zwei Machtzonen aufgeteilt, eine im Osten und eine im Westen, mit jeweils eigenem Parlament, eigener Regierung und eigenen Streitkräften. In jüngster Zeit ist Russlands Präsenz stärker in den Vordergrund gerückt, insbesondere durch die Gruppe Wagner bzw. das sie ersetzende Afrikakorps, das in der Nähe von Ölfeldern und in großen Militärstützpunkten im Osten des Landes stationiert ist, was die Befürchtung des wachsenden Einflusses seitens Moskau aufkommen lässt.
Der libysche Militär- und Politikanalyst Mohamed Saleh Faraj sagte, mit der Verschärfung der Krise sei der internationalen Gemeinschaft klar geworden, »dass die einzige Lösung darin besteht, mit den aktiven Parteien vor Ort politisch und militärisch zu kommunizieren«.