BDS: nicht propalästinensisch, sondern antiisraelisch

Die BDS-Bewegung erhält weltweit immer mehr Zulauf. Sie behauptet, sich für die Menschenrechte der Palästinenser einzusetzen, dabei steht etwas ganz anderes im Mittelpunkt ihrer Aktivitäten: der Kampf gegen die Existenz Israels. Die vermeintliche Friedensliebe der Aktivisten ist nichts weiter als eine Camouflage.

In der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung erschien unlängst ein lesenswerter Beitrag der Journalistin Anna Prizkau, die sich mit Aktivistinnen und Aktivisten der sogenannten BDS-Bewegung getroffen hatte, um deren Antrieb und Motivation zu ergründen. Mit dem Kürzel „BDS“ sind der Boykott, Desinvestitionen (also ein Kapitalabzug) und Sanktionen gegenüber Israel gemeint; diejenigen, mit denen Prizkau sprach, machten mit großer Geste die Menschenrechte für ihre diesbezüglichen Aktivitäten geltend: „BDS steht für Gewaltfreiheit, steht für friedliche Lösungen und für gleiche Rechte für alle“, der Boykott sei dabei „eine Form von Dialog“, sagte einer, dem offenkundig gar nicht auffiel, dass er sich selbst fundamental widersprach. „Bei BDS geht es darum, menschenrechtliche Versprechen einzulösen“, behauptete eine andere, die überdies glaubt, dass die Forderungen der Bewegung „im internationalen Recht verankert“ sind. BDS, so meint sie, sei außerdem „der beste Weg, antisemitische Tendenzen zu unterbinden“. Von Prizkau auf die Hamas angesprochen – bekanntermaßen eine antisemitische Organisation, der es nicht nur um den Boykott, sondern sogar um die Vernichtung Israels geht –, wich sie aus: „Die Bewegung ist so formuliert, organisiert, dass es keinen Anlass gibt, sich von politischen Parteien zu distanzieren.“ So einfach ist das also.

„Sehen denn die Boykotteure nicht, dass Hass kommt, wenn sie Boykott rufen, und kein Frieden?“, fragt Prizkau und gibt auch gleich die Antwort: „Sie sehen es.“ Der Ruf nach Frieden und Menschenrechten ist bloß eine Täuschung; die BDS-Bewegung versteht es, ihr eigentliches Anliegen – die Dämonisierung und Delegitimierung des jüdischen Staates mit dem perspektivischen Ziel, ihn zum Verschwinden zu bringen – durch wohlklingende Formulierungen zu camouflieren. In ihren Verlautbarungen heißt es beispielsweise, die BDS-Aktivitäten sollten dazu führen, dass Israel die „Besetzung und Kolonisation allen arabischen Landes beendet“ und „die Rechte der palästinensischen Flüchtlinge, in ihre Heimat und zu ihrem Eigentum zurückzukehren“, „respektiert, schützt und fördert“. Dass dabei offengelassen wird, wie viel „arabisches Land“ man für besetzt und kolonisiert hält – nur die Westbank oder womöglich doch ganz Israel –, ist kein Zufall, sondern eine ganz bewusste Entscheidung. Denn auf diese Weise können sich diejenigen, die offiziell eine Zweistaatenlösung befürworten, der Bewegung und ihrer Kampagne genauso anschließen wie jene, die „ganz Palästina befreien“, das heißt: eine Kein-Staat-Israel-Lösung wollen.

Und dass auf dem „Rückkehrrecht“ der palästinensischen „Flüchtlinge“ beharrt wird, hat außer ideologischen Gründen auch ganz konkrete strategische: Angesichts der Tatsache, dass sich der Flüchtlingsstatus bei den Palästinensern vererbt und die Zahl der Flüchtlinge dadurch von anfänglich etwa 700.000 auf mittlerweile über fünf Millionen Menschen angewachsen ist – von denen der weitaus größte Teil ja nie in Israel gelebt hat –, würde eine „Rückkehr“ dieser Menschen die Juden in Israel zu einer Minderheit machen, die dann wieder einmal der Mehrheit ausgeliefert wäre. Aus diesen Gründen ist sogar der amerikanische Politikwissenschaftler Norman Finkelstein – sonst selbst ein glühender „Antizionist“ – mit scharfen Worten auf Distanz zur BDS-Bewegung gegangen. Im Februar 2012 sagte er in einem Interview: „Die BDS-Aktivisten sprechen von einem dreistufigen Plan: Wir wollen ein Ende der Besatzung, das Recht auf Rückkehr und die gleichen Rechte für Araber in Israel. Sie glauben, besonders schlau zu sein. Aber Sie und ich wissen, was das Ergebnis davon sein wird: Es wird kein Israel mehr geben.“

BDS als Teil eines Zweifrontenkampfes

BDS IIDie BDS-Kampagnen sind ein fester Bestandteil des Kampfes gegen den jüdischen Staat und seine Existenz, der an verschiedenen Fronten und mit verschiedenen Waffen geführt wird: mit Attentaten, Bomben und Raketen im Nahen Osten, mit Boykottaktivitäten und Delegitimierungsaktivitäten in Europa und Nordamerika. Die „Antizionisten“ teilen sich gewissermaßen die Arbeit, um den militärisch bislang überlegenen Gegner zu Fall zu bringen: Während die einen Israel mit physischer Gewalt attackieren, treiben die anderen unter missbräuchlicher Berufung auf die Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht dessen internationale Dämonisierung und Delegitimierung voran. Dass es dabei trotz anderslautender Beteuerungen gar nicht um das Wohl der Palästinenser geht, zeigt sich bereits daran, dass kaum einer der BDS-Aktivisten je gegen deren nahezu völlige Entrechtung im Libanon oder gegen die regelmäßigen Gemetzel zwischen der Hamas und der Fatah seine Stimme erhoben hat. Gewalt gegen Palästinenser, die nicht von Israel ausgeübt wird, ist schlicht und ergreifend kein Thema für sie.

Die BDS-Kampagnen beschränken sich aber nicht auf „Graswurzel“-Bewegungen, sie haben faktisch längst auch Eingang in die etablierte Politik gefunden. So hat beispielsweise die EU-Kommission der BDS-Bewegung unlängst einen sehnlichen Wunsch erfüllt, als sie beschloss, dass Obst, Gemüse und Kosmetika von israelischen Firmen, die ihren Standort im Westjordanland, in Ostjerusalem oder auf den Golanhöhen haben, künftig bei der Einfuhr in Mitgliedsländer der Europäischen Union gesondert gekennzeichnet werden müssen und nicht mehr die Herkunftsangabe „Israel“ tragen dürfen. Diese Kennzeichnungspflicht gilt einzig und allein für den jüdischen Staat und ist nicht weniger als ein indirekter Boykottaufruf, eine Art „Kauft nicht beim Juden 2.0“. Durch sie wird die Dämonisierung, Delegitimierung und Isolierung Israels ein weiteres Stück vorangetrieben. Ökonomisch kann der jüdische Staat die BDS-Kampagne zwar bislang verkraften, auf der politischen Ebene jedoch ist sie zunehmend fatal – insbesondere dann, wenn sie Regierungspolitiken beeinflusst.

Blanker Antisemitismus

Um es ganz deutlich zu sagen: Der vermeintliche Einsatz der BDS-Aktivisten für Frieden, Freiheit und Humanität ist nichts als ein rhetorischer Kniff, um den Hass auf Juden im Allgemeinen und den jüdischen Staat im Besonderen zu bemänteln. Um die Palästinenser geht es dabei nicht, sie sind nur ein Mittel zum Zweck. Wäre es den Aktivisten um deren Wohl zu tun, dann müssten sie sowohl die islamistische, antisemitische Hamas (und andere palästinensische Terrorbanden wie den Islamischen Jihad) als auch die korrupte und nicht weniger judenfeindliche Fatah einer kompromisslosen Kritik unterziehen und deutlich machen, dass sie es sind, die den Palästinensern die Freiheit nehmen und die Menschenrechte täglich mit Füßen treten. Dass das nicht geschieht – sondern diese Organisationen sogar vielfach von den BDS-Aktivisten unterstützt werden –, zeigt deutlich, was die BDS-Bewegung eigentlich bezweckt. Sie ist keineswegs propalästinensisch, sondern lediglich antiisraelisch.

Vordergründig prangert sie den jüdischen Staat nur dafür an, was er tut. Vordergründig geht es um Besatzung, Flüchtlinge, Krieg. Doch bei näherem Hinsehen bleibt es nicht dabei, sondern es wird deutlich, dass es nicht darum geht, was Israel tut oder lässt, sondern darum, dass der jüdische Staat überhaupt existiert. Die radikalen Kräfte der Boykottbewegung sehen ganz Israel als besetztes arabisch-palästinensisches Land an, und die vermeintlich weniger radikalen Kräfte widersprechen nicht. Die palästinensischen „Flüchtlinge“ sind nur Faustpfand und Manövriermasse, und was das Thema Krieg betrifft, läuft alles stets darauf hinaus, dass Israel sich in den Augen der BDS-Bewegten immer unverhältnismäßig verhält, sich also am liebsten gar nicht verteidigen soll. Die Boykotte dienen insoweit auch nicht den Palästinensern, sondern sie richten sich per Selbstzweck gegen Israel. Sie sind also kein Mittel – sondern bereits ein Teil des Ziels. Und sie sind – auch das sollte so deutlich wie möglich gesagt werden – nichts als blanker Antisemitismus.

Artikel zuerst veröffentlicht bei Audiatur Online.

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