Nach zwei Jahren Verhandlungszeit fällte der Oberste Gerichtshof ein wegweisendes Urteil, das schwerwiegende Folgen für die Israelboykott-Bewegung hat.
Wie Mena-Watch letzten Monat berichtete, hat Spaniens Oberstes Gericht entschieden, dass es sich bei der BDS-Kampagne zum Boykott Israels um eine verfassungswidrige »Diskriminierung« handle, die »Grundrechte verletzt«. Schon zuvor hatten andere spanische Gerichte Israel-Boykotte von Gemeinden, gemeinnützigen Organisationen und anderen Gruppierungen für unrechtmäßig erklärt.
Unabhängig davon verabschiedete das spanische Parlament im Oktober ein Gesetz, das die öffentliche Finanzierung von Organisationen verbietet, die »Antisemitismus fördern«. Es stützt sich auf die Definition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) für Antisemitismus, in der einige Formen der Israelkritik als Beispiele für Antisemitismus genannt werden.
Was bedeuten diese Entwicklungen für den Kampf gegen die antisemitische Boykottbewegung BDS in Spanien? Mena-Watch befragte dazu Juan Hernandez, Sprecher des gemeinnützigen spanischen Vereins Acción y Comunicación sobre Oriente Medio (Aktion und Kommunikation über den Nahen Osten, ACOM), jener Organisation, die den juristischen Kampf gegen BDS in Spanien maßgeblich geführt hat.
Israelfeindliche Querfront
BDS sei in Spanien immer eine »Minderheitenbewegung« gewesen, die nur von marginalen Gruppen der extremen Linken und Separatisten in Katalonien und dem Baskenland getragen worden sei, erklärt Hernandez. An der international bekannt gewordenen Boykottaktion gegen den jüdisch-amerikanischen Musiker Matisyahu im Jahr 2015, der zeitweilig von dem spanischen Reggae-Festival Rototom Sunsplash ausgeladen wurde, weil er sich geweigert hatte, als Bedingung für seinen Auftritt eine Erklärung für einen palästinensischen Staat zu unterschreiben, seien auch Gruppen der extremen Rechten beteiligt gewesen. In jedem Fall aber habe es sich um eine sehr kleine Minderheit gehandelt.
Das habe sich durch das Aufkommen der Partei Podemos geändert, die eine Querfrontstrategie verfolge, also sowohl im linken als auch im rechten Spektrum fische und sich an Venezuela orientiere. Finanzielle Unterstützung erhalte sie vom iranischen Regime, das Podemos-Parteiführer Pablo Iglesias mit einer »Medienmaschinerie« samt eigenem Fernsehkanal versorge, sagt Hernandez. Wo immer diese Partei in kommunalen und regionalen Institutionen Spaniens die Macht erlange, beginne sie, »diskriminierende Vorschriften gegen Bürger Israels und gegen Spanier zu erlassen, die mit Israel sympathisieren, um die lokalen jüdischen Gemeinden anzugreifen«.
Als BDS von der Randständigkeit in den öffentlichen Raum übergegangen sei, habe man bei ACOM erkannt, handeln zu müssen: »Diskriminierende Kampagnen wurden nun von öffentlichen Institutionen finanziert und beworben.« Darum habe ACOM ab 2015 Gerichte angerufen, doch »es war ein langer Weg, bis die Angelegenheit vor dem Obersten Gerichtshof landete«.
Zunächst hätten niedere Instanzen BDS für unrechtmäßig erklärt. »Sie urteilten, dass BDS gegen Grundrechte verstößt.« Spanien habe eine Verfassung, die nach dem Vorbild des Bonner Grundgesetzes geschaffen worden sei, erläutert Hernandez. Darin stehe auch, dass niemand wegen seiner ethnischen oder nationalen Herkunft oder seiner Religion diskriminiert werden dürfe. In der Folge seien fünfundachtzig antiisraelische Boykottresolutionen von Gerichten für ungültig erklärt worden.
Verheerendes Ergebnis
Hernandez betont, dass lange Zeit keine Behörde bzw. Verband, die BDS unterstützen, gegen solch ein Urteil Berufung eingelegt habe, und zwar, »weil sie nicht wollten, dass ein solcher Fall vor den Obersten Gerichtshof gelangt«. Im Jahr 2020 habe aber doch eine »radikale Organisation« mit Verbindungen ins linksextreme Milieu Berufung eingelegt. Nach fast zwei Jahren habe der Oberste Gerichtshof nun entschieden: »Das Ergebnis war, offen gesagt, verheerend für die Interessen von BDS, da im Urteil von ›Grundrechtsverletzungen‹ und ›Diskriminierung‹ die Rede ist.«
Was bedeutet dieses Urteil in der Praxis? Es gebe nun eine Rechtsprechung, die es Institutionen untersage, BDS zu unterstützen, so Hernandez. »Alle derartigen Entscheidungen der kommunalen oder regionalen Parlamente wurden bereits durch unsere Maßnahmen vor Gericht widerrufen. Das historische Urteil des Obersten Gerichtshofs errichtet nun eine zusätzliche Brandmauer, die für solche Kampagnen unüberwindbar ist.«
Ein weiteres Bollwerk sei das Gesetz gegen die »Finanzierung von Antisemitismus«. »Auf Antrag der Madrider Regionalversammlung hat der spanische Kongress dieses wichtige Gesetz erlassen, um öffentliche Gelder und Subventionen für Organisationen zu unterbinden, die als Unterstützer von Antisemitismus angesehen werden.« Für BDS-Organisationen sei dies ein herber Schlag. »Die Streichung der öffentlichen Finanzierung antisemitischer Organisationen ist ein höchst wichtiger Punkt im Kampf der Europäischen Union gegen den Antisemitismus.« Letztlich gehe es auch darum zu verhindern, dass öffentliche Gelder über undurchsichtige Strukturen ihren Weg zu Terrorgruppen wie der Hamas fänden.
Wirksames Instrument
Die EU, sagt er, habe erkannt, dass es ein großes Problem mit »maskiertem Antisemitismus« gebe. »Um diesen zu bekämpfen, empfiehlt die EU den Mitgliedstaaten, die IHRA-Definition zu übernehmen und anzuwenden.«
Hernandez lobt die IHRA-Definition, auf die sich das neue spanische Gesetz stützt, als »Lackmustest zur Definition des Antisemitismus«. Damit der Kampf gegen Antisemitismus erfolgreich sei, müsse die öffentliche Finanzierung von Organisationen beendet werden, »die den jüdischen Staat, seine Bürger und Unternehmen diskriminieren und Israel als Ausdruck des jüdischen Kollektivs zum Verschwinden bringen lassen wollen«.
Die IHRA-Definition sei ein »wirksames Instrument«, da sie sowohl den klassischen Antisemitismus als auch neue Formen erfasse. Von dem neuen Gesetz verspricht sich Hernandez mehr Transparenz bei der Vergabe öffentlicher Mittel und mehr Bewusstsein im »globalen Kampf gegen Antisemitismus«.
»BDS hat ein Jahrzehnt lang die bedingungslose finanzielle Unterstützung von Institutionen genossen, die von Spaniens extremer Linker kontrolliert werden. Der Schlag, den der Oberste Gerichtshof BDS nun verpasst hat, bedeutet, dass BDS wieder zu jenem Schattendasein zurückkehren wird, das es die ganze Zeit gefristet hätte, wäre es nicht von Podemos, einem Mitglied der derzeitigen Regierungskoalition, dort herausgeholt worden, was niemals hätte passieren dürfen.« Das Urteil des Obersten Gerichtshofs benenne das »wahre Gesicht« von BDS, sagt Hernandez: »Diskriminierung und noch mehr Diskriminierung.« Das von Spaniens Parlament erlassene Gesetz wiederum habe die »notwendigen Mechanismen« geschaffen, um dagegen vorzugehen und die öffentlich finanzierten »Exzesse von BDS« zu beenden.