Asseburg und die Apartheid: Auch schlechter Rat kann teuer sein

Muriel Asseburg von der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik
Muriel Asseburg  von der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) (Quelle: Screnshot YouTube: Osnabrücker Friedensgespräche: Verhärtete Fronten zwischen Israel und Palästina: Was kommt nach den Wahlen?)

In einem Bericht hat Amnesty International kürzlich Israel vorgeworfen, ein Apartheidstaat zu sein. Das stieß in Deutschland vielfach auf deutliche Kritik in Medien und Politik. Nun hat sich Muriel Asseburg für die aus öffentlichen Mitteln finanzierte Stiftung Wissenschaft und Politik an einer Ehrenrettung des Berichts versucht. Doch auch ihre Argumente vermögen nicht zu überzeugen.

Als Amnesty International vor einem Monat seinen Bericht mit dem Titel »Israels Apartheid gegen die Palästinenser: grausames Herrschaftssystem und Verbrechen gegen die Menschheit« publizierte, fiel das Echo in Deutschland ganz überwiegend negativ aus, sowohl in den Medien als auch in der Politik. Von »Unsinn« schrieb beispielsweise der Tagesspiegel, gar für ein »Debakel« hielt die Welt die Veröffentlichung. Auch die taz urteilte, der Bericht weise etliche grobe Fehler auf, was »im besten Fall undifferenzierte Nachlässigkeit und im schlechtesten Fall Absicht« sei, »um ein möglichst dämonisches Bild von Israel herstellen zu können«. Amnesty habe seine »Glaubwürdigkeit verspielt«.

Die deutsche Regierung ging ebenfalls auf Distanz zur Menschenrechtsorganisation. »Begriffe wie Apartheid ebenso wie eine einseitige Fokussierung auf Israel lehnen wir ab«, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit. Führende Vertreter der Grünen wiesen den Bericht als »indiskutabel«, »einseitig und gefährlich« sowie als »faktisch antisemitisch« zurück. Auch Bundestagsabgeordnete anderer Parteien übten deutliche Kritik. Freidemokrat Benjamin Strasser gab auf Twitter sogar seinen Austritt aus der Organisation bekannt.

Die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) hingegen veröffentlichte vor wenigen Tagen ein Papier, in dem die Nahostforscherin Muriel Asseburg sich zur Ehrenrettung des Amnesty-Berichts aufschwingt.

Die SWP wird seit 1965 aus Bundesmitteln finanziert, die Grundlage dafür war ein Bundestagsbeschluss. Die Gelder kommen aus dem Haushalt des Bundeskanzleramtes. Das Institut soll die deutsche (Außen-)Politik wissenschaftlich beraten und dabei unparteiisch sein; Thomas von der Osten-Sacken hat an dieser Stelle vor einer Weile deutlich gemacht, wie die Stiftung diesen Auftrag interpretiert: als Empfehlung etwa, unbedingt den Dialog mit Despoten zu führen.

Asseburg gegen den Anti-BDS-Beschluss des Bundestages

Muriel Asseburg wiederum, Senior Fellow bei der SWP, ist bekannt dafür, das palästinensische Narrativ zu bedienen.

Als der Bundestag im Mai 2019 die BDS-Bewegung fraktionsübergreifend als antisemitisch verurteilte, schrieb sie folgerichtig dagegen an: In einem Zeitschriftenbeitrag vertrat Asseburg von BDS in die Welt gesetzte, längst widerlegte Mythen wie jene, die Bewegung sei gewaltfrei und von der palästinensischen Zivilgesellschaft ins Leben gerufen worden, »um Israel dazu zu bringen, internationales Recht zu achten«.In Wirklichkeit stehen auch Terrororganisationen wie die Hamas und die PFLP hinter dem BDS-Manifest; die Bewegung ist auf einem antisemitischen Hass-Festival israelfeindlicher NGOs im südafrikanischen Durban geboren worden, und das Ziel von BDS ist das Ende des jüdischen Staates.

Auch Asseburgs Behauptung, antisemitische Äußerungen von BDS-Aktivisten seien die Ausnahme, ist schlicht falsch, genauso wie ihr Urteil, BDS setze »gerade nicht auf die Isolierung von Jüdinnen und Juden oder Angriffe auf das Judentum«.

Folgerichtig hält Asseburg den Amnesty-Bericht bei Weitem nicht für so problematisch, wie es viele andere tun. Zwar schreibt auch sie, die Bewertungen von Amnesty International seien »durchaus kritisch zu sehen«, vor allem die Behauptung, Israel habe seit seiner Gründung im Jahr 1948 zielgerichtet und vorsätzlich ein Apartheidsystem errichtet. Damit würden »die Kon­flikt­dynamiken weitgehend ausgeblendet, die immer wieder zur Verschärfung der Situa­tion beigetragen« hätten, so Asseburg. Doch weiter ging ihre Kritik nicht.

Was Asseburg ausblendet

Vielmehr stimmt sie Amnesty darin zu, dass sich eine »Einstaatenrealität herausgebildet« habe, in der Israel alle Territorien, Gewässer, Lufträume und Sphären kontrolliere und ein »institutionalisiertes und auf Dauer angelegtes System der Diskriminierung« geschaffen habe. Die »Besatzung von 1967« könne »kaum noch als vor­übergehend eingestuft werden«. »Prima facie«, also dem ersten Anschein nach, begehe Israel »in den besetzten Gebieten das Verbrechen der Apart­heid«.

Amnesty gehe es dabei »explizit nicht um einen Vergleich dieses Regimes« – gemeint ist Israel – »mit jenem, das in Südafrika geherrscht hat«, sondern vielmehr um den »völkerrechtlichen Tatbestand der Apartheid«, wie er beispielsweise in der Anti-Apartheidkonvention von 1974 sowie in Artikel 7 des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs von 1998 definiert werde. Dabei gehe es »nicht um Rasse oder Rassismus im engeren Sinne«, so Asseburg.

Was sie genau wie Amnesty International dabei ausblendet: Wenn von Apartheid die Rede ist, stellt das rassistische südafrikanische Regime ganz eindeutig den Maßstab dar; der Begriff ist schlichtweg untrennbar mit ihm verbunden. Südafrika während der Apartheid, das bedeutete eine gesetzlich und institutionell verankerte »Rassentrennung«, mit der die Herrschaft der weißen Minderheit, ihre absolute politische und wirtschaftliche Dominanz aus rassistischen Gründen aufrechterhalten und abgesichert wurde.

Den Maßstab für Apartheid hat Südafrika geschaffen

Zu Recht erinnert Daniel-Dylan Böhmer in der Welt noch einmal daran, was das bedeutete:

»Der Begriff Apartheid stammt aus Südafrika und bezeichnet die Gesellschaftsordnung, die dort in ihrer ausgeprägtesten Form zwischen 1948 und 1993 bestand. Sie basierte auf rassistischen Theorien, welche die Überlegenheit von Weißen postulierten und eine Trennung zwischen Menschen unterschiedlicher ethnischer Herkunft forderten.

Die Folge war eine Gesellschaft, in der Menschen von Geburt an unterschiedliche Rechte hatten. Schwarze waren vom Wahlrecht faktisch ausgeschlossen, durften sich nur eingeschränkt bewegen, keine akademischen Studien betreiben, keinen Sex mit Weißen haben, geschweige denn sie heiraten.«

Nichts von alledem sei mit den Verhältnissen in Israel vergleichbar. Zwar sähen sich arabische Israelis etwa auf dem Arbeitsmarkt diskriminiert, andererseits aber seien arabische Parteien Teil der israelischen Regierungskoalition. »Dass die Lebensverhältnisse in den besetzten Gebieten andere sind, lässt sich nur im Zusammenhang mit dem jahrzehntelangen Konflikt erklären und sicherlich auch aus beiderseitigen Ressentiments, nicht aber daraus, dass der Staat Israel an sich eine rassistische Ideologie zur Grundlage hätte oder durchzusetzen versuchte«, so Böhmer.

Durch den Apartheidvorwurf wird Israel dämonisiert und delegitimiert

Genau diese Unterstellung ist aber der Kern des Apartheidvorwurfs gegenüber Israel. Er setzt den jüdischen Staat mit dem System der rassistischen Diskriminierung in Südafrika gleich und erklärt ihn so als solchen zu einem rassistischen Unterfangen.

Man kann aber nicht über die israelische Kontrolle über das Westjordanland sprechen, ohne die Angriffspläne der arabischen Staaten 1967, deren Vernichtungsdrohungen, das dreifache Nein der arabischen Länder auf der Konferenz von Khartum im gleichen Jahr (Nein zum Frieden mit Israel, Nein zur Anerkennung Israels, Nein zu Verhandlungen mit Israel) und den palästinensischen Terrorismus zu erwähnen.

Man kann auch nicht über das Scheitern von Friedensverhandlungen sprechen, ohne die Verweigerungshaltung der palästinensischen Seite zu thematisieren, die sich auf keinen Kompromiss einließ und an ihrer Maximalforderung der »Befreiung ganz Palästinas« – also der Kein-Staat-Israel-Lösung – festhielt.

Und man kann nicht über die Sperranlagen zwischen Israel und dem Westjordanland sprechen, ohne darauf hinzuweisen, dass es sie ohne die zahllosen Selbstmordattentate auf israelische Zivilisten während der zweiten Intifada nicht gäbe und dass sich die Zahl dieser Terroranschläge durch sie fast bis auf null reduziert hat. »Die Anlagen wurden also nicht als Mittel einer rassistischen Ideologie errichtet, sondern zum Schutz von Menschenleben«, wie Daniel-Dylan Böhmer zu Recht feststellt.

An Asseburg und der SWP sollte sich die Bundesregierung nicht orientieren

Der Amnesty-Bericht bezichtigt Israel der Apartheid bekanntlich auch im israelischen Kernland und sogar gegenüber als Flüchtlinge registrierten Palästinensern, die im Ausland leben. Damit geht die Organisation noch deutlich weiter als die weitaus meisten anderen NGOs, die dem jüdischen Staat Apartheid vorwerfen. Auf diese Weise wird Israel in besonders heftiger Weise dämonisiert und delegitimiert, sein demokratischer Charakter wird negiert, ihm wird somit faktisch das Existenzrecht abgesprochen.

So weit geht Muriel Asseburg nicht, und sie empfiehlt der Bundesregierung auch nicht, sich den Apartheidvorwurf zu eigen zu machen. Aber sie solle ihn auch nicht abtun, sondern »als Weckruf verstehen«. Konkret rät die Forscherin der Regierung unter anderem, Untersuchungen »mutmaßlicher Völker­rechtsverbrechen in den palästinen­sischen Gebieten« zu unterstützen, die militärische Zusammenarbeit mit Israel »einer Überprüfung [zu] unterziehen« und selbst NGOs zur Seite zu stehen, die Israel wegen Unterstützung der terroristischen PFLP selbst zu Terrororganisationen erklärt hat.

Mehr Dialog mit Despoten, die den jüdischen Staat vernichten wollen, und mehr Druck auf Israel – so sehen sie aus, die außenpolitischen Empfehlungen der mit Geldern aus dem Kanzleramt finanzierten Stiftung Wissenschaft und Politik. Auch schlechter Rat kann also teuer sein. An jenem von Muriel Asseburg sollte sich die Bundesregierung jedenfalls nicht orientieren.

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