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Antisemitismusbeauftragter plädiert für Streichung deutscher UNRWA-Gelder

Der Antisemitismusbeauftragte des Landes Baden-Württemberg, Dr. Michael Blume, hat gegenüber Mena Watch für eine Streichung der deutschen Zahlungen an die umstrittene UN-Agentur UNRWA plädiert. „Selbstverständlich!“, schrieb Blume per E-Mail auf die Frage, ob die Bundesregierung dem Beispiel der Schweiz und der Niederlande folgen und kein Geld mehr an die UNRWA überweisen sollte. Die Vereinigten Staaten, der früher größte Beitragszahler, hatten ihre Zahlungen bereits 2018 eingestellt. Bei der Schweiz und den Niederlanden war der jüngste Skandal um mutmaßlichen Machtmissbrauch und Veruntreuung von Geldern auf höchster Ebene der Anlass für den Stopp der Zahlungen.

Friedenshindernis UNRWA

Laut einem UN-internen Bericht werden u.a. UNRWA-Generalsekretär Pierre Krähenbühl „sexuelles Fehlverhalten, Vetternwirtschaft, Diskriminierung und andere Formen des Machtmissbrauchs“ vorgeworfen. Es sei Krähenbühl darum gegangen, „legitime Kritik zu unterdrücken“ und sich persönliche Vorteile zu verschaffen“. Neben Michael Blume hat in den letzten Tagen auch der israelische UN-Botschafter Danny Danon an die Länder der Welt appelliert, kein Geld mehr an die UNRWA zu zahlen.

Die UNRWA steht seit langem in der Kritik, unter anderem wegen der Nutzung von UNRWA-Schulen zu Terrorzwecken, der Verbreitung von Falschinformationen zur Dämonisierung Israels, der Duldung von antisemitischen Schulbüchern in Schulen der UNRWA und nicht zuletzt auch deshalb, weil UNRWA-Mitarbeiter Hitler verehren, Terrorakte gegen Israelis verherrlichen und den Holocaust leugnen

Die UNRWA gilt aber auch deshalb als eines der größten Hindernisse für einen Frieden zwischen Israel und den Arabern, weil sie dafür sorgt, dass das „Flüchtlingsproblem“ gar nicht gelöst werden kann, weil jedes arabische Kind, das Urahnen hat, die im britischen Mandatsgebiet Palästina gelebt haben, automatisch als „Flüchtling“ registriert wird und ihm in den UNRWA-Schulen beigebracht wird, dass dies seine „Heimat“ sei, in die es eines Tages – nämlich nach der erwarteten Zerstörung Israels – „zurückkehren“ werde.

Michael Blume weist in seiner Antwort an Mena Watch auf seinen auf dem Blog Salonkolumnisten erschienenen Beitrag hin, in dem er am 27. Juli – vor Bekanntwerden der neuesten Vorwürfe gegen Krähenbühl und die UNRWA – die „allzu ungeprüfte Vergabe internationaler Zuwendungen etwa an die palästinensischen Behörden in Gaza und im Westjordanland“ angeprangert hatte. Zudem wendet er sich in dem Aufsatz gegen die so genannten „Märtyrerrenten“ der Palästinensischen Autonomiebehörde. Diese versage „ihren eigenen Bewohnern zugleich Wahlen, Entwicklung und Rechtssicherheit“ und, fördere „ganz direkt die Entsendung überzähliger Kinder in antisemitische Terroranschläge“. Dies zeige „die Bodenlosigkeit antisemitischer Rentiers“. „Schlecht oder bösartig konzipierte Geldzahlungen fördern eben keinen Frieden, sondern Terror und Krieg“, so Blume.

Kohlenwasserstoffe und Antisemitismus

In dem von ihm kürzlich vorgelegten „Bericht des Beauftragten der Landesregierung Baden-Württemberg gegen Antisemitismus“ hatte Blume – für manche überraschend – den Antisemitismus zudem in Zusammenhang mit der Debatte um die Energieträger Öl, Gas und Kohle gebracht:

„Wenn wir den Antisemitismus global und glaubwürdig bekämpfen, für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit einstehen wollen, dann muss dies auch stärkere Anstrengungen für die Wende zu erneuerbaren Energien und die Dekarbonisierung bedeuten. Die Verfeuerung fossiler Rohstoffe vergiftet nicht nur Umwelt und Klima, sondern verformt auch Gesellschaften, Staaten und religiöse Lehren ins Autoritäre. … Mit jedem Schritt zur Dekarbonisierung, der Förderung erneuerbarer Energien, von Bildung und der Verbesserung von Recycling können Akteure in Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft nicht nur den Umwelt- und Klimaschutz fördern, sondern auch Rechtsstaatlichkeit, Demokratie, Frieden und die Überwindung antisemitischer Propaganda. Idealerweise können wir baden-württembergisches Engagement mit globaler Verantwortung verknüpfen und auch damit für eine Welt mit weniger Zerstörung, Hass, Antisemitismus und Rassismus wirken.“

Auf den ersten Blick wirkt dies so, als ginge es darum, ein wenig populäres Anliegen, das nur selten mit Erfolgsmeldungen in Verbindung gebracht wird – den Kampf gegen Antisemitismus –, mit einem populären Trendthema zu verknüpfen, in der Hoffnung, die Zugkraft des einen Themas für das andere nutzbar zu machen. Das würde wohl kaum funktionieren. Zudem springen andere Schwierigkeiten ins Auge:

  • Öl aus den Golfemiraten oder dem Iran kann Deutschland schon deshalb nicht boykottieren, weil es von dort gar kein Öl bezieht (siehe das FAZSchaubild: „Woher bekommt Deutschland sein Öl?“). Es ist so, als würde man dazu aufrufen, keine kalifornischen Pistazien mehr zu kaufen, weil der Iran ja ebenfalls ein großer Pistazienproduzent ist, in der Hoffnung, dass das die Pistazienpreise fallen lässt und der Iran dann weniger Geld hat. Das ist um zu viele Ecken gedacht. Direkte Sanktionen wären effektiver.
  • Da die Stromerzeugung aus Windkraft und Solaranlagen ständigen Schwankungen unterliegt und es bislang keine effiziente Möglichkeit der Speicherung von Energie gibt, hat die deutsche „Energiewende“ (in Österreich und der Schweiz ist die Situation dank der vielen Wasserkraftwerke eine andere) ohnehin nicht zu einer Verringerung der Verstromung fossiler Energieträger geführt, sondern zu einem redundanten System der Stromerzeugung: Der Strom, der gebraucht wird – oder jederzeit gebraucht werden könnte –, wird von Kohle- und Kernkraftwerken produziert (sie machen weiterhin mehr als 50 Prozent der deutschen Stromproduktion aus); daneben leistet Deutschland sich den Luxus einer eigentlich überflüssigen Stromproduktion aus „Erneuerbaren“. Man kann Kohlekraftwerke durch sauberere Gaskraftwerke ersetzen, doch bei der Stromerzeugung gleichzeitig auf Kohle und Gas verzichten kann Deutschland nicht.
  • Erdöl wiederum hat eine Vielzahl von Anwendungsgebieten, die mit der Stromerzeugung gar nichts zu tun haben.
  • Da Braunkohle in Deutschland produziert wird, müsste dies eigentlich der Energieträger der Wahl sein, wenn es darum geht, sich unabhängig von unerwünschten Regimes im Ausland zu machen.
  • Hätten despotische antisemitische Staaten durch Minderabsatz von Öl und Gas geringere Einnahmen, wäre trotzdem nicht zu erwarten, dass sie deshalb ihre antisemitische Propaganda drosseln. Indonesien etwa war früher ein großer Ölexporteur, der der OPEC angehörte. Wegen nachlassender Produktion und steigendem Eigenverbrauch muss das Land heutzutage selbst Öl einführen. Hat sich dadurch etwas an der antisemitischen Kultur des Landes geändert? Nein. – Außerdem kosten antisemitische Äußerungen ja nichts, zumindest kein Geld.
  • Auch wenn Antisemitismus in vielen muslimischen Ländern als Herrschaftsmittel benutzt wird, heißt das nicht, dass er mit der jeweils gerade herrschenden Regierung verschwinden würde. Er ist tief in den Gesellschaften verankert und Teil der Kultur. Verdüstert sich die wirtschaftliche Lage in einem Land, führt das nicht zu einer Schwächung des Antisemitismus – oft ist das Gegenteil der Fall.
  • Da Öl und Gas Waren sind, die sich immer und überall verkaufen lassen, würde es von den Produzenten nicht einmal bemerkt werden, wenn irgendjemand sich entschlösse, weniger davon zu verbrauchen. Als Schwulenaktivisten 2013 Russland wegen seiner homosexuellenfeindlichen Politik bestrafen wollten, entschieden sie sich klugerweise für den Boykott einer Ware, bei der ein geringerer Absatz im Ausland zumindest theoretisch bemerkt werden könnte: Wodka. Auch das hatte wahrscheinlich keine Auswirkungen, war aber eher erfolgversprechend als die Option, weniger Öl zu verbrauchen, um so Russlands Öleinnahmen zu schmälern.

Zweifellos richtig ist, dass der Ölreichtum der Golfstaaten und die Abhängigkeit des Westens vom Öl mindestens seit den 1970er Jahren tiefgreifende politische Folgen hatten: Sie ermöglichten den Aufschwung – mit „Petrodollars“ finanzierter – dschihadistischer Bewegungen. Sie gabeb der OPEC erheblichen Einfluss auf westliche Regierungen. Dies geschah zum einen durch die Ölmilliarden, die benutzt wurden, um im Ausland radikale Moscheen und Koranschulen zu bauen und geisteswissenschaftliche Fakultäten an westlichen Universitäten zu finanzieren; zum anderen durch die Drohung, dass der Ölboykott vom Herbst 1973 wiederholt werden könnte. „Seit damals verherrlichten politische Parteien, Medien und Graffiti an Wänden in [arabischen] Städten diese ‚von Allah gesandte Waffe’“, schreibt der im Libanon gebürtige amerikanische Dschihadismus- und Terrorismusforscher Walid Phares in seinem Buch „Future Jihad. Terrorist Strategies against the West“ (2006). „Ich erinnere mich, dass jene Slogans im Beirut der 1970er, Slogans wie ‚silah al naft aqwa silah’ (die Ölwaffe, die stärkste Waffe), weitverbreitet waren“, so Phares.

OPEC-Erpressung: Als die EG anti-israelisch wurde

Durch die „Ölwaffe“ konnte das Wahhabi-Regime in Saudi-Arabien einerseits seine Position gegenüber dem Westen stärken, andererseits die Glaubwürdigkeit unter seinen Anhängern und dem Klerus. Der am 19. Oktober 1973 von der OPEC erklärte Ölboykott gegen die Vereinigten Staaten und die Niederlande (zwei Staaten, die von den Arabern als pro-israelisch wahrgenommen wurden) war, was die politischen Auswirkungen auf die Politik der Europäischen Gemeinschaft (EG) betrifft, für Saudi-Arabien ein voller Erfolg: Damals wurde die EG anti-israelisch. Ihre Politik gegenüber Israel formulierte die EG nämlich erstmals in einer Erklärung vom 6. November 1973, in der sie Israels Rückzug aus allen 1967 eroberten Gebieten forderte – nur drei Wochen nach Beginn des OPEC-Boykotts.

Die Erpressung hatte gewirkt. Einen Monat nachdem Israel am höchsten jüdischen Feiertag von Ägypten und Syrien überfallen und das Leben von drei Millionen Israelis bedroht worden war, äußerte die EG keinerlei Kritik an den Aggressoren und stellte keine Forderung auf, deren Verwirklichung das Leben der Israelis irgendwie sicherer gemacht hätte; doch Israel müsse „die Besetzung von Territorium, die es seit dem Konflikt von 1967 beibehalten hat, beenden“ und sich also auf Grenzen zurückziehen, die im Kriegsfall nicht zu verteidigen sind – ein Rezept für Israels Untergang.

Die EU hat diese Anti-Israel-Politik seither beibehalten, obwohl der ursprüngliche Grund – die Angst vor einem Ölembargo durch die arabischen Staaten – schon lange nicht mehr besteht. Das zeigt, dass man sich nicht sicher sein kann, dass Blumes „Dekarbonisierung“ – wenn es sie denn in ferner Zukunft geben wird – tatsächlich das rückgängig machen wird, was die „Ölwaffe“ in Jahrzehnten angerichtet hat. Zumal das Öl ja Reichtümer geschaffen hat, die selbst dann nicht verschwänden, wenn die Ölquellen am Persischen Golf morgen austrocknen sollten. Auch die mithilfe des Ölreichtums durch Prediger, Schulen und Satellitensender verbreiteten Ideen würden nicht verschwinden. Es ist wie mit der Zahnpasta, die nicht in die Tube zurückkehrt, wenn man aufhört zu drücken.

Mit meinen Bedenken konfrontiert, schreibt Michael Blume:

„Die zitierte Rentierstaatstheorie beansprucht ausdrücklich weder eine Alleinerklärung für Antisemitismus zu sein, noch dessen ‚Ursache’ zu beschreiben. Sie erklärt aber sehr gut die Begünstigung autoritärer und regelmäßig antisemitischer Strukturen. … Zu Recht haben Sie zentral den Iran erwähnt (an dem die Rentierstaatstheorie ab 1975 exemplarisch entwickelt wurde), aber sie trifft selbstverständlich auch auf weitere Öl-Rentiersregime wie Saudi-Arabien, Russland, Venezuela, Irak, Libyen usw. zu. Ebenso ist die Rentierstaatstheorie nicht auf Öl beschränkt, sondern generell auf externe Einnahmen, eben ‚Renten’ bezogen. In einem Gastbeitrag für die ‚Salonkolumnisten’ habe ich daher auch ausdrücklich die Problematik von Staats- und UN-Zuschüssen auch mit Bezug auf palästinensische Stellen und sog. ‚Märtyrerrenten’ benannt.“

Man kann darüber spekulieren, ob ein geringerer Verbrauch von Öl und Gas Auswirkungen im Krieg der Ideen gegen Dschihad und Antisemitismus hätte; der Öl- und Gasförderboom in den USA übertrumpft die möglichen Vorteile sicherlich bei weitem, denn er drängt die despotischen Ölförderländer tatsächlich in die Defensive und raubt ihnen ihre politische Macht. Und man darf im Kampf gegen Antisemitismus die vielen kleineren – aber wichtigen – Schritte nicht vergessen. Darüber immerhin konnte der Verfasser im Dialog mit Michael Blume rasch Einigkeit erzielen. Gefragt,

  • ob die Bundesregierung auf die antisemitische Hetze und Anstachelung zum Mord durch die Palästinensische Autonomiebehörde (Stichwort: 300 Millionen US-Dollar Terrorrenten) reagieren sollte
  • ob jüdisches Leben dadurch gefährdet wird, dass die Hisbollah und die PFLP in Deutschland nicht verboten sind
  • ob der Iran noch mehr als andere Rentiersstaaten Antisemitismus auch in Deutschland und Europa schürt,

antwortete Blume: „Die drei von Ihnen gestellten Fragen kann ich jeweils mit einem klaren ‚Ja’ beantworten.“ Zudem würde er sich „ein sensibleres Abstimmungsverhalten Deutschlands in der UN wünschen“, so Blume.

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