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Der grassierende Antisemitismus an US-Universitäten

Einer der Hotspots des universitären Antisemitismus: die Columnia University in New York City. (© imago images/SOPA Images)
Einer der Hotspots des universitären Antisemitismus: die Columnia University in New York City. (© imago images/SOPA Images)

Vier Fünftel der jüdischen Studenten an amerikanischen Universitäten haben in den vergangenen eineinhalb Jahren Antisemitismus erlebt.

Die Federal Task Force der US-Regierung zur Bekämpfung von Antisemitismus hat angekündigt, zehn Universitäten zu besuchen, bei denen es seit dem 7. Oktober 2023 zu antisemitischen Vorfällen gekommen ist. Die behördenübergreifende Arbeitsgruppe wurde am 3. Februar ins Leben gerufen, nachdem Präsident Donald Trump am 29. Januar eine Executive Order mit dem Titel »Zusätzliche Maßnahmen zur Bekämpfung des Antisemitismus« erlassen hatte. Das Hauptaugenmerk liegt auf zehn Universitäten: Columbia University, George Washington University, Harvard University, Johns Hopkins University, New York University, Northwestern University, University of California Los Angeles; University of California Berkeley, University of Minnesota sowie die University of Southern California.

Leo Terrell, führendes Mitglied der Task Force und leitender Berater des stellvertretenden Generalstaatsanwalts für Bürgerrechte, informierte die betroffenen Universitäten, es wären Vorwürfe gemeldet worden, nach denen die Hochschulen es möglicherweise versäumt hätten, jüdische Studenten und Lehrkräfte vor unrechtmäßiger Diskriminierung zu schützen.

Die Task Force will sich mit Universitätsleitungen, betroffenen Studenten und Mitarbeitern, den örtlichen Polizeidienststellen und Bürgern der jeweiligen Orte treffen, um Informationen über diese Vorfälle zu sammeln und zu prüfen, ob Abhilfemaßnahmen erforderlich sind.

»Der Präsident, Generalstaatsanwältin Pamela Bondi und die gesamte Verwaltung setzen sich dafür ein, dass sich niemand aufgrund seiner Religion auf dem Campus unsicher oder unwillkommen fühlt«, sagte Terrell. »Das Mandat der Task Force besteht darin, die gesamte Kraft der Bundesregierung in unsere Bemühungen zur Ausrottung des Antisemitismus, insbesondere an (Hoch-)Schulen, zu stecken. Diese Besuche sind nur einer von vielen Schritten, die diese Regierung unternimmt, um dieser Verpflichtung nachzukommen«, heißt es in einer Erklärung des Justizministeriums.

Auch die neue Bildungsministerin Linda McMahon hat sich zum Antisemitismus an Universitäten geäußert: »Seit über einem Jahr sehen die Amerikaner voller Entsetzen zu, wie jüdische Studenten auf Elite-Universitätsgeländen angegriffen und schikaniert werden. Unrechtmäßige Zeltlager und Demonstrationen haben den täglichen Universitätsbetrieb völlig lahmgelegt und jüdischen Studenten die Lernmöglichkeiten vorenthalten, auf die sie Anspruch haben.« Bezüglich der Columbia University sagte sie:

»Institutionen, die Bundesmittel erhalten, haben die Verantwortung, alle Studenten vor Diskriminierung zu schützen. Columbias offensichtliches Versagen, seinen Teil dieser Grundvereinbarung einzuhalten, wirft sehr ernste Fragen über die Eignung der Institution auf, weiterhin Geschäfte mit der US-Regierung zu machen.«

Täglicher Antisemitismus

An der Columbia University in New York wurden nicht nur Gebäude besetzt und Scheiben eingeschlagen; einer der Rädelsführer, Khymani James von der Gruppe Columbia University Apartheid Divest, verlangte die Tötung von »Zionisten«, da diese nicht zu leben verdienten.

Eine jüdische Studentin, welche die Columbia verklagt hat, berichtete, sie und andere sichtbar jüdische Studenten hätten sich durch das »Gaza-Solidaritätslager« zunehmend der Gefahr von Schikanen und körperlichen Angriffen ausgesetzt gesehen: »Sie wurden geschlagen, geschubst, bespuckt, an der Teilnahme am Unterricht und daran gehindert, sich frei auf dem Campus zu bewegen, und sie wurden mit terroristischen Hassreden bedroht, sowohl verbal als auch in schriftlicher Form auf großen Bannern und Schildern mit Aussagen wie ›Tod den Juden‹, ›Lang lebe die Hamas‹ oder ›Globalisiert die Intifada‹.«

Laut einer Umfrage, welche die Anti-Defamation League (ADL) und die jüdische Studentenorganisation Hillel International Ende Januar veröffentlichte, erlebten oder beobachteten 83 Prozent der jüdischen Kommilitonen seit dem Hamas-Angriff auf Israel am 7. Oktober 2023 an ihrer Universität irgendeine Form von Antisemitismus. Darüber hinaus gab mehr als ein Viertel (27 Prozent) an, antisemitische Aktivitäten von Lehrkräften beobachtet zu haben.

Die Umfrage ergab auch, dass zwei Drittel (66 Prozent) der jüdischen Studenten (und 60 Prozent der nichtjüdischen) nicht davon überzeugt waren, dass ihre Universität antisemitische Vorfälle verhindern könne. »Seit dem Angriff vom 7. Oktober in Israel fühlen sich jüdische Studenten auf dem Campus zunehmend bedroht, unwillkommen und nicht unterstützt, sowohl vonseiten anderer Studenten als auch von Lehrkräften«, sagte ADL-Vorsitzender Jonathan A. Greenblatt.

»Es ist inakzeptabel, dass jüdische Studierende kein Vertrauen in die Fähigkeit ihrer Universität haben, antisemitische Vorfälle anzugehen und zu verhindern, und dass sie nun in einer Welt leben, in der sie sich gezwungen fühlen, ihre Identität und ihren Glauben zu verbergen. Diese Ergebnisse unterstreichen die dringende Notwendigkeit, dass die Universitätsleitungen jüdische Studenten stärker schützen.«

Keine Konsequenten

In einem Meinungsbeitrag auf The Free Press erklärte Deborah Lipstadt, Historikerin, Holocaustforscherin und zwischen Mai 2022 und Februar 2025 Gesandte von US-Präsident Joe Biden zur Bekämpfung von Antisemitismus, warum sie die angebotene Gastprofessur der Columbia University nicht annehmen wird: Ausschlaggebend seien die im ganzen Land schwachen Reaktionen von Universitätszeitungen auf Antisemitismus, Regelverstöße und Straftaten.

Zum Beispiel stürmten im mit der Columbia verbundenen Barnard College Vermummte Ende Januar eine Lehrveranstaltung über israelische Geschichte und warfen antisemitische Flugblätter auf die Tische. Auf einem davon zertritt ein Stiefel einen Davidstern. Zwei Studentinnen wurden suspendiert. Lipstadt berichtete, wie anschließend ein Mob mit einer Gebäudebesetzung die Universitätsleitung zu erpressen versuchte, um die Suspendierungen rückgängig zu machen:

»Sie betraten das Gebäude – maskiert und schreiend – mit solcher Brutalität, dass ein Mitarbeiter, der sie konfrontierte, körperlich misshandelt wurde und ins Krankenhaus gebracht werden musste. Studenten, die zum Unterricht gehen wollten, wurden von Universitätsbeamten ausgesperrt.«

Dieselbe Verwaltung, die ein paar Tage zuvor zwei Studenten ausgeschlossen hatte, habe »stundenlange, langwierige Verhandlungen« geführt:

»Die Dekanin bot an, sich mit drei Vertretern der Gruppe zu treffen – die Gruppe bestand auf vier –, verlangte jedoch von ihnen, ohne Maske zu kommen und sich als Barnard-Studenten ausweisen zu können. Die Studenten lehnten ab. Die Dekanin bat um Erlaubnis, die Toilette benutzen zu dürfen, die von den protestierenden Studenten blockiert wurde. Nach einiger Diskussion stimmten die Studenten zu. Auf dem Weg zur Einrichtung und zurück musste sie durch ein Spalier von Buhrufen. Der Unterricht, der in diesem Gebäude stattfinden sollte, wurde abgesagt. Konsequenzen? Keine.«

Die Verhandlungen hätten sich hingezogen, die Universitätsverwaltung habe sich »praktisch auf Augenhöhe« mit den Besetzern begeben: »Anwesende Fakultätsmitglieder bestanden darauf, dass sie neutral seien und nur eine Eskalation verhindern wollten. Eine Farce. Die Studenten hatten die Situation durch ihre Machtübernahme und ihren Angriff bereits eskalieren lassen.«

Schließlich, nach etwa sechs Stunden, sei den Studenten vom Dekanat mitgeteilt worden, dass »wir keine Disziplinarmaßnahmen wegen Ihrer Anwesenheit im Gebäude ergreifen werden«, sollten sie bis 22.30 Uhr das Gelände verlassen. Lipstadt: »Sie gingen. Konsequenzen? Keine.«

Demütigende Dramen

In den vergangenen anderthalb Jahren habe es »zu viele demütigende Dramen wie dieses« gegeben, so Deborah Lipstadt. »Als ich sah, wie Barnard vor der Mob-Gewalt kapitulierte und es nicht schaffte, seine eigenen Regeln und Vorschriften durchzusetzen, kam ich zu dem Schluss, dass ich nicht an die Columbia University gehen konnte, nicht einmal für ein einziges Semester.«

Die Historikerin weiß, dass Barnard und Columbia, obgleich miteinander verbunden, verschiedene Hochschulen sind, fürchtet aber, dass ihr an der Columbia Ähnliches widerfahren könne. Erstens sei sie nicht davon überzeugt, dass die Universität es ernst meine, notwendige und schwierige Maßnahmen zu ergreifen. Zweitens fürchte sie, ihre Anwesenheit könnte als »Beruhigungsmanöver« verwendet werden, um die Außenwelt davon zu überzeugen, dass nun alles wieder in Ordnung sei. »Ich werde mich nicht dazu verwenden lassen, eine völlig inakzeptable Situation zu vertuschen«, so Lipstadt. Und drittens wüsste sie nicht, ob sie an der Columbia sicher wäre oder überhaupt unterrichten könnte, ohne belästigt zu werden. »Ich schrecke nicht vor Drohungen zurück. Aber dies ist keine gesunde oder akzeptable Lernumgebung.«

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