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Antisemitismus auf der documenta fifteen: Und jetzt der Blick nach vorne

Auch Künstler der documenta nahmen an der antisemitischen Demonstration zu deren Eröffnung teil
Auch Künstler der documenta nahmen an der antisemitischen Demonstration zu deren Eröffnung teil (© Imago Images / Hartenfelser)

Wenn Antisemitismus keine mörderische Ideologie sein soll, sondern eine »kulturspezifische Erfahrung«, die deutsche Gefühle verletzt.

Mit ganz viel Diskursgewese werden jetzt aus dem documenta-Skandal folgende Funken schlagen: Was in Deutschland als Antisemitismus wahrgenommen und gefühlt wird, ist anderswo etwas ganz anderes.

Das hängt immer vom kulturellen Kontext ab. Denn im »globalen Süden« gibt es keinen wirklichen Antisemitismus, sondern nur – manchmal eben etwas überzogene – Reaktionen auf den »israelisch-palästinensischen Konflikt«. Das klingt dann so:

»Der Vorsitzende des documenta-Forums, Jörg Sperling , hat die Entfernung des als antisemitisch kritisierten Kunstwerks auf der Kasseler Kunstausstellung kritisiert. (…)

Es gehe in dieser Debatte um Politik, nicht um Kunst. Das Bild sei eine Karikatur und seiner Meinung nach von der Kunstfreiheit gedeckt. Die Kunst hat ein Thema aufgebracht, das außerhalb der Kunst liegt: das Verhältnis von Palästinensern und Israelis. Dieses Problem kann die Kunst nicht lösen, das kann auch die documenta nicht lösen.‹«

Aber natürlich ist man bereit, Rücksicht auf die Gefühle der Deutschen (von Juden ist eh so gut wie nie Rede) zu nehmen und künftig so etwas nicht mehr so auszustellen, und wenn, dann mit der Triggerwarnung: »Vorsicht! Könnte deutsche Gefühle verletzen.«

So, wie halt anderswo Mohammed-Karikaturen Gefühle verletzen oder nackte Büsten. Wie gesagt, es kommt auf den kulturellen Kontext und die jeweils eigenen Erfahrungswelten an.

Das müssen in den nächsten Tagen und Wochen jetzt nur noch in angebrachter Diktion möglichst viele Künstlerinnen und Künstler aus dem Süden so auch bestätigen. Dann hat man sich des nervigen Problems entledigt und kann endlich als deutsches Kulturestablishment international punkten: Jetzt haben auch wir etwas, das unsere Gefühle verletzt.

Wie die documenta bekannt gab, habe man den Direktor der Bildungsstätte Anne Frank, Meron Mendel, als Berater gewonnen, der nun die Betreuung dieses ganzen Transformationsprozesses kritisch begleiten und am Ende sicherlich mit dem Koscher-Stempel versehen wird.

Wer danach noch mäkelt oder kritisiert, hat nicht verstanden, dass man doch das große Versprechen abgegeben hat, in Zukunft keine Gefühle mehr zu verletzen – und jetzt ganz doll aufarbeitet. Denn Aufarbeitung, die kann man in Deutschland, auch das haben »wir« der Welt schon gezeigt.

Der Artikel erschien ursprünglich bei JungleBlog.

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