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Antisemitisch motivierter Angriff auf Berliner Kultursenator

Der Berliner Kultursenator Joe Chialo
Der Berliner Kultursenator Joe Chialo (© Imago Images / dts Nachrichtenagentur)

Auf das private Wohnhaus des Berliner Kultursenators Joe Chialo (CDU) in Berlin-Pankow wurde am Montagmorgen ein Anschlag antiisraelischer Aktivisten verübt.

Unbekannte beschmierten die Fassade des Wohnhauses des Politikers mit roter Farbe und hinterließen Parolen, die Joe Chialo einen »Völkermord« unterstellten und ihn im Stil der Mafia aufforderten, nicht näher bezeichnete »Forderungen« zu erfüllen.

Wie die Berliner Tageszeitung B. Z. meldete, verschafften sich die Täter Zugang zum Innenhof und verschütteten auch dort rote Farbe, was Nachbarn und deren Kinder auf dem Weg zur Kita gesehen haben sollen: »Kinder meiner Nachbarn haben verstört reagiert«, erzählte Joe Chialo BILD. Der B. Z. sagte er: »Ich lasse mich nicht einschüchtern. Aber wenn mir als Senator im Berliner Kulturbetrieb schon so viel Hass entgegenschlägt, mache ich mir Gedanken darüber, was Künstler mit Haltung hier auszuhalten haben. Ihnen gilt meine uneingeschränkte Solidarität.«

»Chialo zählt zu den Hauptfeindbildern der Palästina-Bewegung in Berlin«, schreibt taz-Redakteur Rainer Butz. Hintergrund der »anhaltenden Hasskampagne« seien vor allem die Konflikte um das Neuköllner Kulturzentrum Oyoun: »Nach Antisemitismusvorwürfen im Zusammenhang mit einer nach dem Hamas-Massaker in Israel vom 7. Oktober im ›Oyoun‹ abgehaltenen Veranstaltung der antizionistischen Kleinstgruppe ›Jüdische Stimme‹ hatte die von Chialo geleitete Senatsverwaltung dem Trägerverein des Kulturzentrums die Fördergelder gestrichen.«

Hier sei daran erinnert, dass eine andere taz-Redakteurin, Susanne Memarnia, seinerzeit suggerierte, Chialo unterdrücke »Kritik« an Israel: »Was ist antisemitisch? Reicht es schon, kritisch gegenüber Israels Palästina-Politik zu sein, um unter dieses Verdikt zu fallen? Diesen Eindruck kann bekommen, wer den derzeitigen Streit um das Oyoun verfolgt. Dem Neuköllner Kulturzentrum soll offenkundig wegen einer Veranstaltung die staatliche Förderung gestrichen werden.«

Etliche Absätze später gab sie selbst einen Eindruck von jener »Kritik«. Die BDS-Gruppe, die im Oyoun eine Veranstaltung abgehalten hatte, wollte die Massaker des 7. Oktober als »Gefängnisausbruch« verstanden wissen, »nachdem die Insassen zur lebenslangen Haft verurteilt wurden, nur weil sie Palästinenser:innen sind«.

Feindbild von Linksextremisten

Auf der Website des Oyoun werden die von der mittlerweile verbotenen PFLP-Vorfeldorganisation Samidoun organisierten Pro-Hamas-Demonstrationen, bei denen die Massaker an Israelis gefeiert wurden, als Kundgebungen für »Unterdrückte« stilisiert.

Angeblich nur wegen ihrer Kleidung und Hautfarbe – und nicht etwa wegen der Pflastersteine, die sie auf Polizisten geworfen haben – seien einige Teilnehmer festgenommen worden, so die Darstellung von Oyoun: »Die staatliche Reaktion auf die Solidarität mit den Palästinenserinnen und Palästinensern hat es gezeigt: Die Maske der parlamentarischen Republik fiel und zur Schau kam die hässliche Fratze des repressiven Polizeistaats. Meinungs- und Versammlungsfreiheit verschwanden über Nacht. Wer die Kufiya – das ›Palästinensertuch‹ – trug oder nicht ›deutsch‹ genug aussah, konnte von der Polizei misshandelt oder verhaftet werden. Hundertschaften durchstreiften die Kieze und schüchterten die Menschen ein.«

Der Text spricht für sich. Dass ein Ort, der offensichtlich der Förderung von Aktivitäten des militant-linksextremen und des terroristisch-antiisraelischen Spektrums dient, bis vor einem Jahr staatlich gefördert wurde, ist bemerkenswert, wenn auch – zumal in Berlin – nicht völlig überraschend. Dass dies nun nicht mehr der Fall ist, ist nicht nur Joe Chialo, sondern auch Kai Wegner (CDU) zu verdanken. Denn der Regierende Bürgermeister »bestimmt die Richtlinien der Regierungspolitik«, wie es in Artikel 58 der Berliner Landesverfassung heißt.

Doch vor allem auf Joe Chialo, den in Bonn geborenen Sohn von Eltern aus Tansania, projizieren die militant antisemitischen Gruppen ihren Hass. Vielleicht, weil er nicht dem oft gemalten Bild des »globalen Südens« entspricht, dem in Feuilletons unterstellt wird, gegen Israel zu sein – so, als wären ethische Werte und politische Ansichten eine Frage der geografischen Herkunft.

Angriff auf der Straße

Am 12. September, wenige Tage vor dem Anschlag auf sein Haus (über das Der Spiegel schrieb, es sei von »propalästinensischen Aktivisten« »bemalt« worden), war Chialo selbst das Ziel von Gewalt gewesen, als er in der Berliner Siemensstraße das Zentrum für Kunst und Urbanistik eröffnet hatte. Die Berliner Polizei meldete:

»Kurz vor 19:00 Uhr trat der Senator an ein Rednerpult vor dem Eingang des Gebäudes und begann seine Rede. Mit Redebeginn sammelten sich unmittelbar vor dem Rednerpult ungefähr vierzig Personen, die größtenteils sogenannte Palästinensertücher trugen. Die Personen skandierten verbotene, gegen den Senator gerichtete Parolen und beleidigten diesen zudem. Im weiteren Verlauf drängte die Menschenmenge die Treppe zum Rednerpult hinauf und umringte den Senator. Aus der Menge heraus wurde Pyrotechnik gezündet sowie ein vorher von der Treppe gezogener Mikrofonständer in Richtung des Senators geworfen, der eine direkt vor dem Senator stehende Frau traf. Ob diese durch den Wurf verletzt wurde, ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht bekannt.

Zum Ort alarmierte Polizeikräfte trennten die Menschenmenge vom Senator, drängten sie zurück und ermöglichten ihm unter Polizeischutz ein ungefährdetes Verlassen des Geländes. Der Senator blieb unverletzt. Nach Eingreifen der Einsatzkräfte entfernte sich die Menschenmenge in Richtung Emdener Straße und löste sich in Kleingruppen auf. In der Emdener Straße trafen die Polizeikräfte noch rund zwanzig Personen der vormaligen Menge an, wovon neun Personen die Freiheit beschränkt und überprüft wurden [sic!]. Die Ermittlungen wegen des Verdachts des Landfriedensbruchs, des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen, der Beleidigung, der Nötigung sowie des Hausfriedensbruchs führt der Polizeiliche Staatsschutz des Landeskriminalamts Berlin.«

Er bemerke »eine zunehmend aggressive Verrohung in den Auseinandersetzungen«, die er kaum noch als »Debatte« bezeichnen könne, beklagte Chialo in einem SpiegelInterview: »Es scheint ausschließlich darum zu gehen, dass radikale Linke und selbst ernannte Unterstützer der Hamas ihr einseitiges und verzerrtes Weltbild zur Schau stellen, ohne Rücksicht auf die Konsequenzen.«

Chialo sprach von »aggressiven und gewalttätigen Übergriffen«, bei denen auch Unbeteiligte verletzt werden könnten. »Dieses Verhalten ist inakzeptabel. Besonders erschütternd finde ich es, dass solche Aktionen auch noch mit der Forderung nach Fördermitteln verknüpft werden – das ist dreist und macht mich fassungslos.«

An Diskussionen hätten die Täter offensichtlich kein Interesse gehabt: »Wer mit strafrechtlich relevanten, antisemitischen Forderungen auftritt und Gewalt propagiert, hat kein Interesse an einem Dialog. Zudem ist die persönliche Diffamierung bedenklich: Mich als Rassisten zu bezeichnen, zeugt von einer gravierenden Geschichtsvergessenheit und ist inakzeptabel.« Eine »konsequente Reaktion des Rechtsstaates« hält Chialo für notwendig, obwohl er dies bedaure. »Wer ernsthaft debattieren möchte, ist herzlich willkommen. Antisemitische Hetze und Gewalt werden wir jedoch niemals tolerieren.«

Eingeschüchtert und am Pranger

Der Anschlag auf das Haus von Joe Chialo ist eine Nachahmeraktion: Im Juni hatten Täter aus dem Anti-Israel-Spektrum in New York die Häuser der jüdischen Direktorin des Brooklyn Museums und dreier anderer Museumsleiter ebenfalls mit roter Farbe und Parolen beschmiert. Auch die Störaktion gegen die jüdische CNN-Moderatorin Dana Bash, als diese ihr Buch vorstellte – das mit Israel gar nichts zu tun hat –, gehört in dieses Bild, zumal die Störerinnen in ihren aggressiven Reden auch ihre Wohnadresse erwähnten. Die Botschaft: Wir wissen, wo du wohnst, wir können dich und deine Familie treffen.

Die Opfer sollen – vom materiellen Schaden abgesehen – eingeschüchtert und an den Pranger gestellt werden. Ihr Privates wird angegriffen und dadurch in die Öffentlichkeit gezerrt, während die Täter selbst anonym bleiben. Stets wird dabei den Opfern vorgeworfen, (Mit-)Täter eines »Genozids« zu sein. Der Berliner Kultursenator, die Museumsdirektorin in Brooklyn und die Fernsehmoderatorin in Washington, sie alle sind aus Sicht der Täter Teil einer weltweiten Verschwörung.

Wer solche Vorwürfe ersinnt, der nimmt für sich das Recht in Anspruch, Selbstjustiz zu üben, um den behaupteten Völkermord zu stoppen, der angeblich von einer Wohnung in Berlin-Pankow aus geplant wird. Das ist nicht nur eine Hass-, sondern auch eine Terrorkampagne, die Angst und Schrecken verbreiten soll. Der Angriff auf das Haus von Joe Chialo wird nicht der letzte dieser Art gewesen sein.

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