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Antisemitische Ausschreitungen in Montreal

Bei einer Anti-Nato-Demonstration Montreal kam es zu antisemitischen Ausschreitungen
Bei einer Anti-Nato-Demonstration Montreal kam es zu antisemitischen Ausschreitungen (© Imago Images / ZUMA Press)

Bei einer Anti-Nato-, Anti-Israel-und Pro-Russland-Demonstration in der kanadischen Metropole Montreal gab es am Freitag vergangener Woche antisemitische Ausschreitungen.

Anlass der Zusammenrottung war eine Konferenz, die am Wochenende im Montreal Convention Center stattfand. Dreihundert Delegierte aus Nato-Staaten und von Partnerländern trafen sich dort, um über Hilfen für die Ukraine, den Klimawandel und die Zukunft des Militärbündnisses zu diskutieren. 

Bei den Krawallen wurden Gewalttaten gegen Menschen, darunter die Polizei, verübt, Schaufenster eingeschlagen, und Autos angezündet. In einem Video ist zu sehen, wie eine Puppe angezündet wurde, die den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu darstellen soll. Es wurden iranische, libanesische und russische Flaggen geschwenkt, dazu die der kommunistischen Partei Kanadas. Israelische Fahnen wurden verbrannt. 

Die Montreal Gazette, die Tageszeitung von Montreals englischsprachiger Minderheit, berichtete, die »Proteste« hätten zeitgleich mit »einer Welle studentischer pro-palästinensischer Proteste in ganz Montreal« stattgefunden. Zwei verschiedene Demonstrationszüge seien aus unterschiedlichen Orten der Stadt aufgebrochen und hätten sich dann am Place des Arts in der Nähe der Universität Concordia vereint. Anschließend seien die Demonstranten durch die Stadt gezogen.

»Um 18:10 Uhr eskalierten die Spannungen, als Demonstranten eine Puppe des israelischen Premierministers Benjamin Netanjahu mitten in der Menge anzündeten. Im weiteren Verlauf des Marsches wurden Gegenstände, darunter kleine Sprengsätze und Metallgegenstände, auf die Straße geschleudert, die auf Polizisten zielten. Gegen 18:40 Uhr hatten Demonstranten Schaufenster in der Nähe der St.-Urbain-Straße und des René-Lévesque-Boulevards eingeschlagen und zwei Fahrzeuge in Brand gesteckt.«

Bizarr: In dem Bericht heißt es weiter, die Polizei von Montreal sei sich am Montag nicht mehr sicher, dass Demonstranten die Autos angezündet hätten, die »Ursache« des Brandes werde »nun untersucht«, so ein Sprecher.

In den sozialen Medien gefeiert

Videos in den sozialen Medien zeigen den aufgeheizten Mob. Im »israelkritischen« Spektrum wird die Gewalt gefeiert: »Anarchisten und Demonstranten gegen den Völkermord zerstören während ihres Anti-NATO-Marschs in Kanada das Montreal Convention Center«, kommentiert ein X-Account namens »Palestine Online« ein Video von sinnloser Zerstörung. Ein Anti-Israel-Account namens »World News« schreibt:

»Über 85.000 Studenten in Quebec streiken für #Gaza, fordern Intifada und Endlösung. Der Protest fand Berichten zufolge auf allen zwölf Stockwerken des Concordia-Hauptgebäudes statt, und auf Schließfächer wurde ›Free Gaza‹ gesprüht.«

Die Zahl der Demonstranten dürfte stark übertrieben sein. Die Videos der Demonstrationen und Ausschreitungen deuten auf eine Zahl von etlichen hundert oder einigen tausend Teilnehmern hin. Die »Endlösung« allerdings wurde tatsächlich gefordert. In einem Video ist eine mit einem Palästinensertuch vermummte Frau zu sehen, die zur Kamera gerichtet sagt: »Die Endlösung kommt zu euch. Die Endlösung. Wisst ihr, was die Endlösung ist?«

Dieselbe Frau zeigte auch den Hitlergruß. Ein antisemitischer Account mit dem Namen »Es ist menschlich, die Zionisten zu hassen« unterstellte, dass es sich dabei um eine Mossad-Agentin handle und forderte die Internetnutzer dazu auf, die Person zu identifizieren. Kurz darauf wurde bekannt, dass es sich um eine Franchisenehmerin der Café-Kette Second Cup handelte – ihr Café ist ausgerechnet in einem jüdischen Krankenhaus. Die Frau heißt Mai Abdulhadi. Second Cup kündigte an, den Franchise-Vertrag mit ihr zu beenden.

»Was wir am Freitagabend in den Straßen von Montreal sahen, ist schockierend«, sagte Montreals Bürgermeisterin Valerie Plante bei einer Pressekonferenz. »Antisemitische Gesten, Vandalismus, Gewalt und Brutalität gegenüber der Polizei oder Mitbürgern haben keinen Platz. Dies ist keine Art, sich auszudrücken.« Gleichzeitig verteidigte sie die Anti-Israel-Demonstrationen mit dem kuriosen Argument, diese seien von »professionellen Vandalen« unterwandert worden:

»Der Protest selbst sollte die Besorgnis darüber zum Ausdruck bringen, was in Palästina geschieht, und die Vandalen haben den Protest übernommen. Es bedeutet, einen Zweck zu nutzen, um Dinge kaputt zu machen und die Sicherheit von Menschen zu gefährden. Der Protest ist ein Zeichen einer gesunden Demokratie, aber die Vandalen denken nur an sich selbst und nicht an die Ursache oder die Auswirkungen, die er auf andere haben wird.«

Das ist etwa so, als würde man sagen, die SA habe den Antisemitismus gekapert, um ihn für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. 

Bedrohung für Juden

Im Februar hatten Bürger und Gruppen in einem von der Montreal Gazette veröffentlichten offenen Brief die Bürgermeisterin aufgefordert, mehr gegen den seit dem 7. Oktober 2023 in Montreal wütenden Antisemitismus zu unternehmen. In dem Brief heißt es, dass es in Montreal zu einer Welle antisemitischer Angriffe gekommen sei, darunter auch Schüsse auf zwei jüdische Schulen, die Bürgermeisterin plante jedoch bislang weder eine ausreichende Verurteilung des Antisemitismus noch äußerte sie die Forderung nach der Freilassung der israelischen Geiseln. 

Die Unterzeichner kritisierten auch die Antirassismusbeauftragte Bochra Manaï, die an antiisraelischen Kundgebungen teilgenommen hatte, darunter eine, bei der der umstrittene Imam Adil Charkaoui Allah aufforderte, »alle Zionisten auszurotten«. Manaï entschuldigte sich nicht für ihre Teilnahme an den Veranstaltungen, räumte jedoch bei einem Treffen mit der jüdischen Menschenrechtsgruppe B’nai Brith Canada ein, dass sie künftig keine Kundgebungen mehr besuchen sollte.

In Montreal leben mehr als 80.000 Juden, es ist eine der ältesten Gemeinden Kanadas. Auch der Dichter und Sänger Leonard Cohen kommt von dort. Doch seit einiger Zeit ist die Stadt auch für die Aktivitäten von antisemitischen Gruppen bekannt. Im Juli war im Internet eine Liste mit Restaurants jüdischer Inhaber veröffentlicht worden, zu deren Boykott aufgefordert wurde, weil die Inhaber »Zionisten« seien.

Anfang November gab es eine Demonstration, bei der ein vermummter Sprecher sagte, »Zionisten« seien »nirgendwo auf der Welt willkommen«. Das war eine Erinnerung an die Situation der späten 1930er und frühen 1940er Jahre und passt zu der Forderung nach der »Endlösung«.

Währenddessen wurde bekannt, dass der Montrealer Rabbi Adam Scheier von der Gemeinde Shaar Hashomayim am Rande der antisemitischen Demonstration am Freitag von der Polizei zum Verlassen des Ortes aufgefordert wurde. Das berichtete die Montreal Gazette nach einem Telefongespräch mit ihm. Er sagte:

»Das Einzige, dessen ich mich schuldig gemacht habe, ist, in der Innenstadt von Montreal einzukaufen … während ich eine Kippa trug. Der Polizist erklärte mir, er habe Angst, dass ›zwischen den beiden Seiten ein Feuer ausbricht‹. Offenbar wird meine Anwesenheit als ausreichende Provokation für einen Rauswurf angesehen, während ihre hasserfüllten Parolen weitergehen dürfen.«

Scheier sagte weiters, er sei der Einzige gewesen, der aufgefordert wurde zu gehen, obwohl Dutzende andere auf der Straße gestanden und viele von ihnen mit ihren Handys Videos von dem Protest gemacht hatten. Das habe ihn zu der Annahme verleitet, er sei wegen seines jüdischen Aussehens ins Visier genommen worden.

»Es war sehr beunruhigend, denn es war klar, dass er mich nur deshalb ansprach, weil ich eine Kippa trug. Das war wirklich ein Schlag in die Magengrube. Und ich bin nur gegangen, weil meine Kinder weinten und sie mich aus Angst zum Auto zerrten. Das war eine schreckliche Botschaft.«

Scheier gibt nicht dem Polizisten die Schuld, denn er glaubt, dass dies kein Einzelfall sei. Schon Anfang November hätten Polizisten jüdische Teilnehmer einer Veranstaltung in seiner Synagoge aufgefordert, den Veranstaltungsort durch die Hintertür zu betreten und zu verlassen, weil sich draußen antiisraelische Demonstranten versammelt hätten. An diesem Tag habe ihn ein Polizist auch angewiesen, nicht vor der Synagoge zu stehen, weil dort Demonstranten seien. Dies sende die Botschaft, sagte er, dass die Polizei nicht daran interessiert sei, die jüdische Gemeinde zu schützen. Sie schütze vielmehr »die Rechte der Demonstranten, in unserer Gemeinde Angst zu verbreiten«.

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