Anschläge in Ägypten, Israel, Syrien: Das neue Gesicht des Islamischen Staates

Die berühmt-berüchtigten Flaggen des lslamischen Staates
Die berühmt-berüchtigten Flaggen des lslamischen Staates (© Imago Images / ZUMA Wire)

In den letzten Monaten hat die Terrororganisation Islamischer Staat verstärkt versucht, wieder in den Vordergrund zu treten, indem sie vermehrt Anschläge verübten und ihre Anhänger zu Attentaten in Europa aufrief.

Am 7. und 11. Mai verübte die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) zwei Anschläge auf dem Sinai im Nordosten Ägyptens, bei denen 16 Soldaten getötet und mehrere verwundet wurden. Ende März wurden in Israel drei Anschläge verübt, bei denen elf Menschen getötet wurden; zu zwei dieser Anschläge bekannte sich der IS.

Auch der Versuch des IS, im Januar Mitglieder aus einem Gefängnis in Al-Hasaka in Syrien zu befreien und die mit dem Überfall einhergehenden Kämpfe mit kurdischen Truppen, bei denen Hunderte von Menschen ums Leben kamen, sind ein weiterer Beleg für den Versuch der Organisation, wieder in den Vordergrund zu treten.

In der vergangenen Woche machten Dutzende von IS-Kämpfern die Region um den Wadi Al-Abyad-Damm, zwanzig Kilometer vom Stadtzentrum von Palmyra in Zentralsyrien entfernt, unsicher und trugen zum ersten Mal seit Jahren wieder offen die schwarzen Fahnen der Organisation: eine Entwicklung, die Beobachter als gefährlich einschätzen. Jassim Muhammad, Direktor des Europäischen Zentrums für Terrorismusbekämpfung und nachrichtendienstliche Studien, erklärte diesbezüglich:

»Das öffentliche Auftreten von IS-Kämpfern in der antiken Stadt Palmyra bestätigt, dass die Gefahr, die von dieser Organisation ausgeht, immer noch besteht. Die Rolle der von den USA geführten internationalen Koalition gegen den IS hat in Syrien stark abgenommen, insbesondere in den Gebieten, die unter der Kontrolle des syrischen Regimes und Russlands stehen.«

Dies, so Muhammad abschließend, ermögliche es dem IS, sich neu zu organisieren.

Neuorganisation des IS

Zu den Angriffen in Israel meint der Experte für terroristische Organisationen, Hisham Al-Najjar, der IS versuche, sich eine neue Identität zu schaffen, um neue Anhänger und Kämpfer zu gewinnen, nachdem sein Image als Träger des Kalifats durch die Niederlage gegen die internationale Koalition im Jahr 2019 stark beschädigt worden war.

Dazu versuche der Islamische Staat »für sich das Image der Organisation zu kreieren, die gegen Israel kämpft, um so Anhänger palästinensischer Bewegungen wie der Hamas zu gewinnen« und den Kreis seiner Kämpfer zu erweitern.

Der Versuch, jene Propagandastrategie zu ändern, auf die der IS sich seit seinem Auftauchen im Jahr 2014 verlassen hat, ist nach Ansicht des Autors und Islamismus-Forschers Amr Abdel Moneim auch mit einer Änderung der militärischen Strategie der Organisation verbunden.

»Das Wiederauftauchen des IS in Ägypten und anderen Ländern bedeutet nicht, dass die Organisation ihre organisatorischen Fähigkeiten wiederhergestellt hat, sondern vielmehr, dass sie eine neue Taktik anwendet, die dem Guerillakrieg näherkommt. So wendet der IS in letzter Zeit verstärkt Straßenkampfmethoden an, die auf Überraschung, Beweglichkeit und Angriffen mit Schusswaffen oder Messern beruhen.«

In dem Zusammenhang wies Abdel Moneim auf die Vorteile dieser Strategie für die Gruppierung hin, die vor allem darin bestehen, dass nur wenige Kämpfer für solche Angriffe benötigt werden. Trotz dieser geänderten Taktik hieß es in einer im vergangenen Monat von der amerikanischen Zeitschrift Foreign Policy veröffentlichten Analyse, dass »der Islamische Staat nicht mehr über die Kräfte oder Ressourcen verfügt, um Anschläge im Westen zu verüben«.

»Der IS ist keine als Land auftretende Organisation mehr, die junge Muslime, die am Rande der westlichen Gesellschaften leben, anzieht, sich ihr anzuschließen. Auch kontrolliert sie nicht mehr die Ölquellen und treibt Steuern von den Einwohnern ein, um damit Anschläge zu finanzieren.«

Die Zeitschrift stellte fest, dass die zunehmende Zusammenarbeit zwischen den europäischen Geheimdiensten viele IS-Attentate verhindert hat. Deutschland konnte zwischen 2015 und 2020 neun Bombenanschläge vereiteln, und in mehreren europäische Ländern wurden etliche Mitglieder der Organisation festgenommen.

Vor Wochen rief der IS seine Anhänger und Schläferzellen in einer Audioaufnahme, die auf Telegram-Kanälen der Organisation gepostet wurde, dazu auf, Anschläge in Europa zu verüben, da die Aufmerksamkeit der europäischen Länder derzeit auf dem Ukraine-Krieg fokussiert ist.

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