Der irakische Premierminister und der syrische Interimspräsident führen erste Gespräche, um nach dem Sturz von Baschar al-Assad die Beziehungen zwischen den beiden Staaten neu zu ordnen.
Der irakische Premierminister Mohammed Shia al-Sudani und der syrische Interimspräsident Ahmed al-Sharaa führten am Dienstag ein Telefongespräch, um über die neue Regierung in Damaskus, den politischen Prozess in Syrien und die Stärkung der bilateralen Beziehungen zwischen den beiden Nationen zu sprechen. Das Gespräch fand zu einem Zeitpunkt statt, an dem sich Bagdad auf ein wichtiges Gipfeltreffen im nächsten Monat vorbereitet, an dem al-Sharaa unbestätigten Berichten zufolge teilnehmen soll.
In einer Erklärung aus al-Sudanis Büro hieß es, der irakische Premierminister »gratuliere dem syrischen Volk zur Bildung der neuen Regierung und übermittle ihm seine besten Wünsche« und bekräftigte die »unerschütterliche Position des Iraks, die Entscheidungen des brüderlichen syrischen Volks zu unterstützen«. Diese Erklärung und das Gespräch zwischen al-Sudani und al-Sharaa veranlassten die kurdische Nachrichtenagentur Rudaw zu der Frage, ob die jüngsten Entwicklungen auf ein Tauwetter in den Beziehungen zwischen Bagdad und Damaskus hindeuten.
Neues Kabinett
Am vergangenen Samstag ernannte al-Sharaa ein 23-köpfiges Kabinett, dem vier Mitglieder von Minderheitengruppen angehören. Die Ernennungen haben jedoch Bedenken aufgeworfen, da ethnische und religiöse Gruppen angaben, während des Ernennungsprozesses nicht konsultiert worden zu sein. Darüber hinaus gehören dem Kabinett Personen an, die von den Vereinten Nationen und den USA wegen ihrer Verbindungen zu extremistischen bewaffneten Gruppen auf die schwarze Liste gesetzt wurden.
Iraks Premier betonte am Dienstag, »wie wichtig es ist, sicherzustellen, dass der politische Prozess [in Syrien] alle nationalen Komponenten der syrischen Gesellschaft einbezieht und auf eine friedliche Koexistenz und soziale Stabilität abzielt, um eine sichere und stabile Zukunft für Syrien und die gesamte Region zu gewährleisten«.
Die syrische Präsidentschaftskanzlei berichtete ihrerseits am Dienstag, die beiden Staatsmänner hätten »die bilateralen Beziehungen zwischen den beiden Ländern und Möglichkeiten zu deren Verbesserung in verschiedenen Bereichen« erörtert und »die Bedeutung des Aufschlagens einer neuen Seite in den bilateralen Beziehungen auf der Grundlage einer gemeinsamen Zusammenarbeit zur Bewältigung regionaler Herausforderungen und zur Verhinderung von Spannungen in der Region« betont.
Auch wünsche al-Sudani al-Sharaa und dem syrischen Volk »kontinuierliche Sicherheit, Stabilität und Fortschritt«. Als Reaktion darauf betonte der Interimspräsident Syriens, »die Souveränität des Iraks zu respektieren« und nicht die Absicht zu haben, »sich in die inneren Angelegenheiten des Landes einzumischen«.
Bevorstehender Gipfel
Das Gespräch zwischen al-Sudani und al-Sharaa fand zu einem Zeitpunkt statt, an dem sich Bagdad auf die Ausrichtung des 34. Gipfeltreffens der Arabischen Liga am 17. Mai vorbereitet, das einen bedeutenden Moment in den umfassenderen Bemühungen des Iraks darstellt, sein regionales und internationales Ansehen zu verbessern. Der Gipfel der Arabischen Liga ist eine wichtige Veranstaltung, bei der die Staatsoberhäupter und hochrangigen Beamten der 22 Mitgliedsländer zusammenkommen und dient als Plattform für die Diskussion kritischer Fragen, mit denen die arabische Welt konfrontiert ist, darunter wirtschaftliche, politische und sicherheitspolitische Herausforderungen.
In den letzten Wochen kursierten jedoch Berichte, al-Sharaa würde möglicherweise an dem hochrangigen Treffen nicht teilnehmen. Während die Mehrheit der arabischen Länder al-Scharaa zu seiner Ernennung zu Syriens Übergangspräsidenten Ende Januar gratulierte, verweigerte der Irak seine Unterstützung und signalisierte damit eine gewisse Vorsicht im Umgang mit der neuen Führung in Damaskus, was wahrscheinlich darauf zurückzuführen ist, dass Bagdad einst ein enger Verbündeter des ehemaligen syrischen Präsidenten war.
Mitte März stattete der syrische Außenminister Asaad al-Shaibani jedoch nach wochenlanger Verzögerung seinen ersten Besuch in Bagdad ab und hielt eine Pressekonferenz mit seinem irakischen Amtskollegen Fuad Hussein ab, bei der er betonte, dass seine erste Reise in den Irak keine diplomatische sei, sondern vielmehr dazu diene, die »historischen Bindungen« zwischen dem Irak und Syrien zu bekräftigen, die al-Sharaa unbedingt aufrechterhalten wolle.
Der syrische Außenminister erklärte sich außerdem bereit, »die Koordination mit dem Irak bei der Bekämpfung der Terroristen des Islamischen Staates entlang unserer Grenzen zu stärken« und fügte hinzu, dass »der Terrorismus keine Grenzen kennt, weshalb wir uns bemühen sollten, ihn zu überwinden. Die Sicherheit des Iraks ist die Sicherheit Syriens und umgekehrt.«
Dies geschehe zu einem Zeitpunkt, »an dem sich beide Länder an einem Scheideweg befinden«, hält Seth J. Frantzman in der Jerusalem Post fest: »Syrien versucht, nach Jahren des Bürgerkriegs neue Einigkeit zu gewinnen. Beide Länder sind Bedrohungen durch den IS ausgesetzt und beherbergen US-Truppen. Darüber hinaus ist die kurdische Region beider Länder von großer Bedeutung.« Außerdem versuche der Irak gerade, sich aus der Einflusssphäre des schiitischen Irans herauszuarbeiten, was die Hinwendung zu den sunnitischen Machthabern in seinem westlichen Nachbarland erklären könnte.