Achille Mbembes problematische Interpretation des Judentums

Achille Mbembe und sein 1992 erschienener Text „Israel, die Juden und wir“
Achille Mbembe und sein 1992 erschienener Text „Israel, die Juden und wir“ (Quelle: Twitter, © Imago Images / Gallo Images)

Der Historiker und Philosoph muss es sich gefallen lassen, dass nachgefragt – und gegebenenfalls auch kritisiert – wird, welche Thesen er in seinen Büchern vertritt.

Jürgen Kaube, NDR

[E]s wurde nur nachgefragt, was denn für krude Urteile in seinen Schriften stehen. Achille Mbembe hat die „Besetzung Palästinas“ zum „größten moralischen Skandal“ unserer Zeit erklärt und zur globalen Isolation Israels aufgerufen. Es herrscht Meinungsfreiheit, er darf so etwas sagen. So wie sich ein Antisemitismusbeauftragter darüber erstaunen darf. Und ein Abgeordneter bitten darf, eine Festival-Einladung an jemanden, der so redet, zu überdenken. Mehr hat der FDP-Mann in Düsseldorf nämlich gar nicht getan. Dafür wirft ihm Mbembe jetzt vor, ein Rassist zu sein.

Wer Israels Regierung zum Inbegriff des Verwerflichen unserer Zeit erklärt, muss mit Rückfragen rechnen. Wer insinuiert, im Westjordanland werde den Palästinensern etwas angetan, das Israel auf einer Gewaltskala irgendwo zwischen Südafrika und dem Holocaust eine Stelle sichert, muss sich sogar Fragen nach seinem historischen Verstand gefallen lassen. Zumal, wenn er, wie Mbembe als Muster aller unseligen Gewalt die angebliche Vergeltungslogik der alten jüdischen Rechtsordnung bezeichnet. In einem Text hat Mbembe einst formuliert, ein antikolonialer Intellektueller wie Frantz Fanon litte anders als ein jüdischer wie Walter Benjamin, wenn es um Gewalt gehe, „nicht unter der Bürde der hebräischen Bibel oder dem rabbinischem oder mosaischen Gesetz“.

Die Bürde der hebräischen Bibel. Der Historiker Thomas Weber hat auf einen Reisebericht aus Jerusalem aufmerksam gemacht, den Mbembe vor fast 30 Jahren unter dem Titel „Israel, die Juden und wir“ publiziert hat. In ihm zeigt sich, wie früh ihm der Holocaust als ein Ereignis in der Geschichte des Kolonialismus erschien. Weswegen für Mbembe die Politik Israels ein einziger Verrat an der Verfolgungserfahrung der Juden ist. Vor dem Hintergrund seiner Aufteilung der Weltgeschichte in Täter und Opfer, so Thomas Weber, ähnele die israelische Besatzungspolitik für Mbembe den Schandtaten afrikanischer Despoten in der nachkolonialen Ära.

Über Israel, von dem es bei Mbembe 2015 heißt, es gehe den Weg einer schrittweisen Auslöschung der Palästinenser, heißt es schon 1992, es nehme „den Platz der Mörder ein“. Auch hier vergaß Mbembe übrigens nicht zu erwähnen, dass der Gott der Juden ein Rachegott sei.

Jürgen Kaube über Mbembe: “Einfach lächerlich”

Bleiben Sie informiert!
Mit unserem wöchentlichen Newsletter erhalten Sie alle aktuellen Analysen und Kommentare unserer Experten und Autoren sowie ein Editorial des Herausgebers.

Zeigen Sie bitte Ihre Wertschätzung. Spenden Sie jetzt mit Bank oder Kreditkarte oder direkt über Ihren PayPal Account. 

Mehr zu den Themen

Das könnte Sie auch interessieren

Wir sprechen Tachles!

Abonnieren Sie unseren Newsletter und erhalten Sie einen unabhängigen Blickzu den Geschehnissen im Nahen Osten.
Bonus: Wöchentliches Editorial unseres Herausgebers!

Nur einmal wöchentlich. Versprochen!