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Achille Mbembe und der Angriff auf das Holocaustgedenken

Im Anschluss an die Mbembe-Debatte ist in Deutschland eine Diskussion über die Singularität des Holocaust entbrannt
Im Anschluss an die Mbembe-Debatte ist in Deutschland eine Diskussion über die Singularität des Holocaust entbrannt (Heike Huslage-Koch / CC BY-SA 4.0, © Imago Images / ZUMA Press)

Im letzten Jahrzehnt haben sich Alternativen zur klassischen Holocaustleugnung entwickelt – etwa die Infragestellung der Singularität der Vernichtung des europäischen Judentums.

Manfred Gerstenfeld, BESA

Die Erinnerung an den Holocaust wird seit Jahrzehnten von allen Seiten angegriffen: von der extremen Rechten, der extremen Linken und von Teilen der islamischen Welt. Eine gängige Taktik ist die Behauptung, dass es – entgegen der jüdischen Behauptung – keine Singularität des Holocaust gebe.

Betrachtet man die Frage auf einer rein empirischen Grundlage, so war der Holocaust eindeutig ein Ereignis, das als singulär zu betrachten ist. Während einige Elemente mit anderen Völkermorden vergleichbar sind, sind es all seine Merkmale zusammengenommen nicht. Mehrere Kriterien machen den Holocaust in seiner Gesamtheit zu einem beispiellosen Ereignis: die Gesamtheit der Zielpersonen (alle Juden weltweit), seine absolute Priorität (alle Zweige des deutschen Staates waren an den Bemühungen beteiligt), sein industrieller Charakter und seine Irrrationalität (statt Juden für Arbeitszwecke auszubeuten, wurden sie getötet). (…)

In Deutschland wurde die Debatte über die Singularität des Holocaust durch die Affäre um Achille Mbembe befeuert. Der Intellektuelle aus Kamerun war eingeladen worden, die Eröffnungsrede beim deutschen Kulturfestival Ruhrtriennale im August dieses Jahres zu halten. Im Vorfeld war bekannt geworden, dass er ein anti-israelischer Hetzer ist und an antisemitischen Handlungen beteiligt war, worauf eine öffentliche Debatte folgte, die trotz der Absage des Festivals wegen der Coronavirus-Pandemie fortgesetzt wurde.

Eine von vielen Behauptungen gegen Mbembe war, dass er den Holocaust mit der Apartheid verglichen und behauptet habe, der einzige Unterschied bestehe in deren jeweiliger Größenordnung. Der Journalist Alan Posener antwortete, dass diese Behauptung grundfalsch sei „Der Holocaust war nicht eine viel größere Form der Apartheid, und, was wichtiger ist, die Apartheid nicht eine kleinere Version des Holocausts. Vielmehr handelt es sich um ein nicht quantitativ, sondern qualitativ anderen Vorgang.“ (…)

Ein weiterer Angriff auf die Einzigartigkeit des Holocaust findet in der internationalen Wissenschaft statt. Der führende israelische Völkermordforscher Israel W. Charny fasst dies folgendermaßen zusammen:

„In der akademischen Welt hat sich eine Alternative zur klassischen ‚schmuddeligen‘ Holocaustleugnung entwickelt. Einige Wissenschaftler propagieren nun die explizit falsche These, dass die Juden nicht als Opfer ins Visier genommen wurden, weil sie Juden waren. Vielmehr wird behauptet, sie seien bloß eine Minderheit gewesen, die zusammen mit anderen Minderheiten von den Nazis verfolgt wurde. (…) Diese verzerrte Haltung, dass der Holocaust einer von vielen Völkermorden ist, die das deutsche Nazi-Regime begangen hat, ist eine Verharmlosung der grundlegenden Bedeutung des Holocaust, die mittlerweile von einer schockierenden Anzahl gutgläubiger Völkermordforschern vertreten wird.“

In den letzten zehn Jahren ist ein rasanter Anstieg der Holocaust-Relativierung zu beobachten. Sie manifestiert sich in vielerlei Hinsicht – etwa der Verkehrung des Holocaust (d.h. in der Behauptung, Israel handele wie die Nazis), der Leugnung, Ablenkung und Beschönigung, der Entjudung, Gleichsetzung und Trivialisierung sowie in anderen Verzerrungen, die in den letzten Jahren entstanden sind.

Zuerst erschienen in: The Begin-Sadat Center for Strategic Studies.
The Attacks on the Uniqueness of the Holocaust

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