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Israel, der Sudan und das Abraham-Abkommen

Im Sudan ist kein Frieden in Sicht
Im Sudan ist kein Frieden in Sicht (Quelle: JNS)

Frieden ist im Sudan nur möglich, wenn die Ursachen der fast siebzigjährigen Instabilität ernsthaft angegangen werden.

Ben Cohen

Die Kriegsherren, die seit der Unabhängigkeit des Sudans von Großbritannien im Jahr 1956 unsägliches Elend über das Land gebracht haben, lassen nicht locker. Seit zwei Wochen ist das drittgrößte Land Afrikas in einen erbitterten Bürgerkrieg zwischen zwei rivalisierenden Herrschern verwickelt, der Hunderte von Toten, Tausende von Verletzten und Zehntausende von Flüchtlingen, die über die Grenzen des Landes in die Nachbarstaaten strömen, zur Folge hat.

Die gegenwärtige Krise geht auf den Umsturz im Jahr 2019 zurück, der nach monatelangen Protesten der Bevölkerung gegen das Regime des islamistischen Diktators Omar al-Bashir, der dreißig Jahre lang regiert hatte, zu dessen Sturz führte. Danach übernahm ein Übergangsrat die Macht, der im September 2021 einen Militärputsch vereiteln konnte, bevor ein weiterer im darauffolgenden Monat zur Entlassung von Premierminister Abdalla Hamdok und zu dessen Ersetzung durch den Chef des sudanesischen Militärs, Generalleutnant Abdel Fattah al-Burhan, führte.

Keine Lösung in Sicht

Unter al-Burhan blieb der Sudan nominell einem demokratischen Übergang verpflichtet, und zwar durch ein Abkommen vom Dezember 2022, das den 1. April dieses Jahres als Frist für eine endgültige Lösung festgelegt hatte. Das Abkommen enthielt die Verpflichtung, die von General Mohamed Hamdan Dagalo befehligten Schnellen Eingreiftruppen (RSF) in die nationalen Streitkräfte zu integrieren. Dazu kam es jedoch nicht, nachdem Dagalo (besser bekannt unter seinem Kampfnamen Hemedti) erklärt hatte, er wolle den Prozess um zehn Jahre verschieben. Doch al-Burhan wollte einem Aufschub von mehr als zwei Jahren nicht zustimmen, womit der Boden für die derzeitigen brutalen Kämpfe gelegt war.

Der Streit zwischen al-Burhan und Hemedti lässt sich weder auf ideologische noch auf religiöse Gründe zurückführen. Wie in vielen Kriegen Afrikas geht es auch im Sudan um die Kontrolle von Ressourcen, wobei Hemedtis RSF ihre Kontrolle über die lukrativen Goldminen in der Provinz Darfur nicht aufgeben möchte. Folglich gibt es momentan weder einen ansprechbaren Partner für die westlichen Demokratien noch ein vernünftiges politisches Projekt, das internationale Unterstützung verdiente. Darüber hinaus ist schwer vorstellbar, wie sich ein globaler Konsens über den Sudan herauskristallisieren könnte, zumindest abgesehen von der naheliegenden Erkenntnis, dass ein erneuter Rückfall in den Bürgerkrieg in niemandes Interesse ist. 

Die Welt ist heute stärker gespalten als je zuvor seit dem Ende des Kalten Krieges, und sowohl Russland als auch China verfolgen seit Langem eigenständige wirtschaftliche und strategische Ziele im Sudan, was bedeutet, dass sie nicht mit den Vereinigten Staaten oder anderen westlichen Nationen zusammenarbeiten werden; insbesondere nicht, solange der Krieg in der Ukraine und die Spannungen um Taiwan andauern.

Spezieller Faktor

Ein Faktor, der diesen speziellen Konflikt im Sudan ungewöhnlich macht, ist die Tatsache, dass Israel, das einst als unerbittlicher Feind in Khartum galt, jetzt ein Akteur vor Ort ist, nachdem es im Jahr 2020 ein Normalisierungsabkommen mit der auf Bashir folgenden Regierung unterzeichnet hat, das Teil des mit einer Reihe arabischer Staaten unter der Schirmherrschaft der Vereinigten Staaten geschlossenen Abraham-Abkommens ist.

Einem Bericht der amerikanischen Nachrichtenwebsite Axios zufolge hat der Prozess, der in den letzten drei Jahren zwischen Israel und dem Sudan ausgehandelt wurde, den Israelis einen einzigartigen Einblick in die Mentalität sowohl von al-Burhan als auch von Hemedti gewährt, und damit in das, was die beiden konkurrierenden Militärführer beeinflussen könnte. 

Israel möchte Berichten zufolge die Kämpfe so schnell wie möglich beenden, da es befürchtet, der Krieg könnte die Bildung einer Zivilregierung und damit das Friedensabkommen gefährden. Für die Regierung von Premierminister Benjamin Netanjahu, die sich mit beispiellosen Protesten im eigenen Land und erneuter Kritik an ihrer Politik den Palästinensern gegenüber im Ausland konfrontiert sieht, muss sich die Unterschrift von jedem arabischen Staat, der ein Friedensabkommen mit Jerusalem unterzeichnet, wie eine Unterstützungserklärung anfühlen. Als langjähriges Mitglied der Arabischen Liga, dessen Schicksal eng mit dem seines ägyptischen Nachbarn im Norden verbunden ist, wäre die Unterzeichnung des Sudans, wie Hemedti es wohl ausdrücken würde, Gold wert.

Problem Instabilität

Das Problem ist, dass auch die anderen in den Abraham-Abkommen assoziierten Staaten (Vereinigte Arabische Emirate, Bahrain, Marokko) in Bezug auf ihre innere Stabilität gespalten sind. Keiner dieser Länder ist eine Demokratie, wenn auch einige stabiler sind als andere, und alle weisen eine beklagenswerte Menschenrechtsbilanz auf. 

Der Sudan ist radikal instabil und hat seit seiner Unabhängigkeit mehr Putsche erlebt als jedes andere Land in Afrika. Der Sudan ist nicht nur ein gescheiterter Staat, sondern war auch lange Zeit ein sogenannter Schurkenstaat, der sich bis 1993 als Basis für den ehemaligen Al-Qaida-Anführer Osama bin Laden anbot. 

Als der israelische Außenminister Eli Cohen heuer im Februar Khartum besuchte, gaben die Partei der Volkskonferenz und der Islamische Block, der zehn verschiedene islamische Parteien umfasst, Erklärungen ab, in denen sie al-Burhan warnten, er habe kein Mandat, mit Israel Frieden zu schließen. Aus zahlreichen Gründen wäre es also töricht, den Frieden zwischen Israel und dem Sudan – genauer gesagt: zwischen Israel und den zerstrittenen sudanesischen Militärs – als bereits dauerhaft darzustellen.

Doch wenn israelische Politiker in Lobeshymnen über die Vorteile des Friedens mit dem Sudan schwelgen, scheint es, als würden sie die Realität verleugnen. Während seines Besuchs in Khartum würdigte Cohen das »historische Friedensabkommen mit einem strategisch wichtigen arabischen und muslimischen Land« und versicherte, das »Friedensabkommen zwischen Israel und dem Sudan wird die regionale Stabilität fördern und zur nationalen Sicherheit des Staates Israel beitragen«. Solche Aussagen sind in einem Land, in dem die Macht immer noch aus dem Gewehrlauf und nicht aus der Wahlurne kommt, fehl am Platz. Im Sudan geht es nicht darum, ob nun al-Burhan oder Hemedti regieren soll, sondern, ob einer von den beiden überhaupt als legitimer Führer angesehen werden kann.

Auf al-Burhans Konto geht das Massaker an friedlichen Demonstranten in Khartum im Juni 2019, bei dem Hunderte von ihnen ermordet, gefoltert und vergewaltigt wurden und von dem Berichte über in den Nil geworfene Leichen vorliegen. Hemedti ist aus einer der monströsesten paramilitärischen Milizen dieses Jahrhunderts hervorgegangen: den arabischen Dschandschawid, die von 2003 bis 2020 in der Region Darfur eine völkermörderische Schreckensherrschaft ausübten. 

Hochtrabende Vorstellungen wie das nationale Interesse oder die nationale Versöhnung sind beiden Männern völlig fremd, für die politische Macht in erster Linie eine Gelegenheit ist, ihren persönlichen Reichtum zu konsolidieren und ihre Rivalen auszuschalten.

Israel kann versuchen, einen Waffenstillstand zwischen den Gegnern zu vermitteln, aber selbst wenn einer zustande kommt, wird er nicht von Dauer sein. Friede ist im Sudan nur möglich, wenn die Ursachen der fast siebzig Jahre währenden Instabilität ernsthaft angegangen werden. Geht es um den Aufbau von Nationen, verfügt Israel über einen reichen Erfahrungsschatz. Aber sowohl al-Burhan als auch Hemedti werden nur solange auf Außenstehende hören, wie es ihnen in den Kram passt.

Ben Cohen ist ein in New York lebender Journalist und Autor, der eine wöchentliche Kolumne über jüdische und internationale Angelegenheiten für Jewish News Syndicate schreibt. (Der Artikel erschien auf Englisch beim Jewish News Syndicate. Übersetzung von Alexander Gruber.)

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