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Wochenbericht, 10.2. bis 16.2.2014

In dieser Ausgabe:
I. Allgemeiner Überblick
II. Schulz und die unhinterfragten Zahlen
III. Gaza und die Frage nach Ursache und Wirkung
IV. Schulz, die EU und die Boykottbewegung gegen Israel
 

I. Allgemeiner Überblick

In der vergangenen Woche erschienen in den von MENA systematisch ausgewerteten österreichischen Tageszeitungen insgesamt 292 Beiträge mit Bezügen zu den Regionen Nordafrika und Naher Osten:

Wochenbericht, 10.2. bis 16.2.2014

Dabei standen folgende Länder im Fokus der Berichterstattung:

Wochenbericht, 10.2. bis 16.2.2014

In den insgesamt 65 relevanten Beiträgen der wichtigsten Fernseh- und Radionachrichtensendungen des ORF wurden folgende Länder am häufigsten erwähnt:

Wochenbericht, 10.2. bis 16.2.2014

Wir wollen uns im Folgenden mit einem der zentralen Themen der Nahostberichterstattung österreichischer Medien in der vergangenen Woche beschäftigen: der Rede des EU-Parlamentspräsidenten Martin Schulz vor der Knesset und den darauf folgenden Protesten einiger israelischer Politiker. Die Kronen Zeitung titelte: „Nach Kritik an Israel: Eklat bei Rede in Knesset“. (Kronen Zeitung, 13. Feb. 2104; ähnlich auch ZiB2, 12. Feb. 2014 und Presse, 13. Feb. 2014) Der Kurier führte aus, dass Schulz schon im Vorfeld der Rede für Aufsehen gesorgt habe: „Im Gespräch mit Journalisten hatte er die ‚bisweilen übergroße Empfindlichkeit in Israel gegenüber Kritik‘ beklagt. … Die Antwort darauf kam postwendend“. Rechte Abgeordnete hätten, „in Rage“ versetzt und einen „Eklat“ provoziert, Premier Netanjahu habe Schulz eine „selektive Wahrnehmung“ sowie eine „einseitige Sicht auf den Nahost-Konflikt“ vorgeworfen. (Kurier, 13. Feb. 2014)
 

II. Schulz und die unhinterfragten Zahlen

Was war es denn nun, das gemäß österreichischer Medien die israelischen Parlamentarier dermaßen erzürnt hatte? Schulz habe in seiner Rede vor der Knesset „den israelischen Siedlungsbau und die Lebensbedingungen der Palästinenser“ kritisiert, wusste der ORF zu berichten. (ZIB 2, 13. Feb. 2014) Als er die „israelischen Siedlungen im palästinensischen Westjordanland als Hindernis für den Frieden bezeichnete, sprangen mehrere Abgeordnete empört auf und verließen den Saal“, führte die Krone aus. (Kronen Zeitung, 13. Feb. 2014) „Abgeordnete der rechten Siedlerpartei von Wirtschaftsminister Naftali Bennet riefen ‚Schande‘ und verließen den Saal, weil Schulz sagte, ‚auch die Palästinenser haben das Recht auf Selbstbestimmung und Gerechtigkeit‘“, war in der Kleinen Zeitung zu lesen. (Kleine Zeitung, 13. Feb. 2014)

Entgegen diesen nur recht wenig an den tatsächlichen Vorgängen interessierten Schilderungen gingen Presse und Standard in ihren Berichten ein wenig mehr ins Detail und kamen damit der Wahrheit ein bisschen näher: „Als (Schulz) schließlich die Gaza-Blockade kritisierte und den früheren israelischen Premier Yitzhak Rabin mit den Worten zitierte, dass ‚Frieden mit Feinden gemacht wird, nicht mit Freunden‘, verließ die gesamte Fraktion der Israel Beitenu den Saal.“ (Presse, 13. Feb. 2014. Zur hier passierten Verwechslung von Israel Beteinu und haBajit haJehudi sehen Sie den MENA-Beitrag „Differenzierungen in der israelischen Rechten“.) Allerdings war es nicht, wie insinuiert, die bloße Erwähnung des Gazastreifens, die Kritik hervorrief, sondern die Art und Weise, in der Schulz in Bezug auf den Gazastreifen argumentierte.

Schulz, so fasste der Standard eine der zentralen und umstrittenen Passagen der Rede zusammen, „sprach die zum Teil harten Lebensbedingungen der Palästinenser an, die etwa unter der israelischen Blockade des Gazastreifens litten. Schulz gab die Frage eines palästinensischen Jugendlichen wieder: ‚Wie kann es sein, dass Israelis 70 Liter am Tag benutzen dürfen und Palästinenser nur 17?‘ Er habe die genauen Zahlen nicht überprüfen können, fügte der EU-Parlamentspräsident allerdings hinzu.“ (Standard, 13. Feb. 2014) Genau diese ungeprüfte Wiedergabe von Zahlen war es, die Schulz‘ Kritiker so erzürnte. So führte Wirtschaftsminister Bennett in einem Interview aus: „I thought Schulz would express the EU’s regular criticism about Israel in the West Bank. He started out speaking nicely about the Holocaust, he showed a lot of empathy. He spoke about the importance of peace, and I get it, he’s not in the Bayit Yehudi,’ Bennett recounted. ‚We can accept criticism, but we cannot live with lies.’“

Was Bennett als Lügen bezeichnete, waren für Kurt Seinitz, der sich aufs Neue darüber freute, dass jemand „Israel die Leviten las“, nur „Binsenweisheiten“. (Kronen Zeitung, 14. Feb. 2014; zu Seinitz‘ Freude darüber, wenn jemand Israel maßregelt, sehen Sie hier). Davon konnte freilich keine Rede sein: Die Wasserverteilung zwischen Israelis und Palästinensern, die in den Osloer Verträgen geregelt ist, ist nicht nur eine komplexe Materie, die sich nicht so einfach auf eindeutige Zahlen bringen lässt, sie ist darüber hinaus auch Teil des auch mit Zahlen geführten Propagandakrieges zwischen der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) und Israel. Einerseits hängt die Frage nach der Pro-Kopf-Menge an verbrauchtem Wasser ganz wesentlich davon ab, von wie vielen Einwohnern in der Westbank ausgegangen wird. Die von der PA stets gelieferten Bevölkerungszahlen gelten weithin als deutlich zu hoch und dienen dem Versuch, die behauptete demographische Lage und daraus abzuleitende Trends als Druckmittel gegen Israel in Anschlag zu bringen. Der Effekt, den solche Zahlen auf die errechneten Wasserverbrauchsmengen hat, ist unschwer zu verstehen: Selbstverständlich macht es einen gravierenden Unterschied, ob eine gegebene Menge an Wasser auf ein bis zwei Millionen Menschen mehr oder weniger verteilt berechnet wird.

Andererseits kommt in Israel wiederaufbereitetem und entsalztem Wassers eine zentrale Rolle zu, wie die SN berichteten: „Israel entsalzt Hunderte Millionen Kubikmeter Meerwasser – Palästinensern steht die Option nicht offen.“ (Salzburger Nachrichten, 14. Feb. 2014) Die SN erwähnten allerdings nicht, dass Israel wiederholt angeboten hat, die Palästinenser mit entsalztem Wasser zu versorgen, was von der PA jedoch aus politischen Erwägungen heraus grundsätzlich abgelehnt wird. Israelischen Stellen gemäß stehen jedem Israeli jährlich 160 Kubikmeter Frischwasser zur Verfügung, während die Palästinenser über 129 Kubikmeter pro Kopf verfügen können. Die Weltbank, welche das wiederaufbereite Wasser in ihre Kalkulationen mit einberechnete, kam für Israelis auf 240 Kubimeter – was mit einer Differenz von etwas mehr als hundert Kubikmetern immer noch weit entfernt ist von der Relation 1:4, die Schulz in seiner Rede anführte.

Wie auch immer die Zahlen im Detail aussehen, bei der Rede und der anschließenden Empörung ging es um einen anderen Punkt: Wie Schulz selbst unumwunden zugab, gingen seine Ausführungen auf Angaben zurück, die er in Ramallah aufgeschnappt hatte. Dies hinderte ihn jedoch nicht, diese Zahlen als eine Art Beleg anzuführen und sie, wenn auch in Frageform, als Unterstreichung seiner Forderung nach „Selbstbestimmung und Gerechtigkeit“ für die Palästinenser zu formulieren. Dass ein führender Vertreter der Europäischen Union in einer offiziellen Rede anlässlich eines Staatsbesuchs einfach so und völlig unhinterfragt Zahlen gegen Israel in Stellung brachte, die mit der Realität höchstens tangential in Berührung kommen – das war es, was seine Kritiker für untragbar erachteten. „Schulz admitted that he didn’t check if what he said was true, but he still blamed us. People accept any attack on Israel without checking it. They plug their ears,” brachte Netanjahu die Kritik auf den Punkt.

Mit seinem unbedachten Vorgehen brachte Schulz ungewollt einen Umstand zum Vorschein, an dem die allseits beliebte Kritik an Israel oftmals krankt. Schulz gehört nicht zu jenen innerhalb der EU, die eine betont unfreundliche Haltung gegenüber dem jüdischen Staat einnehmen, und dennoch fand er nichts dabei, in seiner Knesset-Rede mit (falschen) Zahlen zu hantieren, die ihm irgendwo zu Ohren gekommen waren. Das Problem, das damit deutlich wurde, fasste Jonathan S. Tobin zusammen: „Why would a high-ranking EU official casually toss of such phrases and then express surprise and anger when some of the Knesset members present responded by angrily walking out? The answer goes deeper than a discussion of the admittedly difficult subject of water allocation or the facts about Gaza. What Schulz’s speech shows is how pervasive anti-Israel invective has become. If even a politician looking to mend fences thinks there’s nothing offensive about saying such things, this should serve as a wake-up call to Israel’s friends that they must redouble their efforts to tell the truth about the Jewish state and the Middle East conflict.“
 

III. Gaza und die Frage nach Ursache und Wirkung

Schulz sprach in seiner Rede auch den Gazastreifen an, wobei er den israelischen Parlamentariern folgende Worte ins Stammbuch schrieb: „Die Blockade des Gaza-Streifens ist Ihre Reaktion auf Angriffe auf die Zivilbevölkerung, und ich kann das verstehen. Aber sie lässt auch keine wirtschaftliche Entwicklung zu und treibt Menschen in die Verzweiflung, die wiederum von Extremisten benutzt wird. Möglicherwiese schafft die Blockade so nicht mehr, sondern weniger Sicherheit. Wie kann man die Spirale der Gewalt erzeugenden Gewalt brechen? Diese Frage stand am Beginn des europäischen Einigungsprozesses. Und die Gründer der Europäischen Union haben eine Antwort gefunden.“

Hier verwechselte Schulz, nachdem er pflichtschuldig die Angriffe auf die israelische Zivilbevölkerung erwähnt hatte, Ursache und Wirkung und folgte der in Europa so beliebten Vorstellung, dass es Armut, Not und Hoffnungslosigkeit und nicht etwa islamistische Ideologie und Antisemitismus seien, die die permanenten Angriffe auf Israel und die Gegnerschaft zu jedweder Friedenslösung auf Seiten der Hamas hervorrufen. Somit, so der gar nicht anders zu ziehende Schluss, sei Israel als Verantwortlicher der durch die „Blockade“ erzeugten „Verzweiflung“ letzten Endes zumindest mit schuld am Raketenbeschuss, mit dem die Bevölkerung im Süden Israels leben muss. (Allein seit Jahresbeginn 2014 wurden mehr als 30 Raketen aus dem Gazastreifen auf Israel abgefeuert.)

Als Israel sich 2005 aus dem Gazastreifen zurückzog und seine dortigen Siedlungen evakuierte, ließ es die existierenden Gewächshäuser bestehen, um sie der palästinensischen Bevölkerung zugänglich zu machen, und so deren Versorgungssituation zu garantieren bzw. zu verbessern. Statt diese Gewächshäuser jedoch zu nutzen, war es eine der ersten Aktionen der Hamas, sie zu zerstören – gemeinsam mit den in den Siedlungen bestehenden Synagogen –, um auch das letzte Anzeichen des ‚zionistischen Besatzers‘ aus dem Gaza-Streifen zu eliminieren. Als dann im Jahr 2006 die Hamas die palästinensischen Parlamentswahlen gewann und im Jahr 2007 die Macht im Gazastreifen übernahm, folgte eine Eskalation der militärischen Übergriffe auf Israel. Weit entfernt davon, dass der israelische Rückzug von palästinensischer Seite goutiert worden wäre, folgten eine Reihe von Terroranschlägen, die Entführung des Soldaten Gilad Shalit und fortgesetzter Raketenbeschuss, von dem mehrere Millionen Israelis ständig bedroht werden.

Als Reaktion auf diese Attacken verhängte Israel gegenüber dem Gazastreifen ein Embargo über Güter, die zu militärischen Zwecken, wie dem Bau von Waffen, Bunkern und dergleichen, verwendet werden können. Eine „Blockade“, wie sie von Schulz an den Pranger gestellt wurde, existiert jedoch nicht: Während Ägypten seit der Absetzung des islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi scharf gegen den Schmuggel in den Gazastreifen vorgeht und damit den Warenverkehr so gut wie zum Erliegen gebracht hat, transportierte Israel beispielsweise allein in der vergangenen Woche 31.451 Tonnen an Gütern nach Gaza, darunter Lebensmittel und Baumaterial. Speziell letzteres benutzt die Hamas oft, um ihre Stellungen gegen Israel auszubauen, anstatt damit etwas zu Gunsten der palästinensischen Bevölkerung zu tun und sich beispielsweise um die Verbesserung der Infrastruktur zu kümmern. Israel liefert auch Elektrizität in den Gazastreifen, die in einem Kraftwerk in Ashkelon produziert wird – was palästinensische Terroristen freilich nicht davon abhält, auch diese Stadt immer wieder mit Raketen zu beschießen. Daneben liefert Israel pro Jahr etwa fünf Millionen Kubikmeter Wasser in den Gazastreifen und übererfüllt damit die Quoten, die in den Osloer Verträgen vereinbart wurden. Das hinderte die Salzburger Nachrichten nicht daran, in einer Reportage zu behaupten, dass der Gazastreifen „überhaupt kein Wasser aus Israel erhält“, obwohl die Versorgungslage dort „verheerend“ sei. (Salzburger Nachrichten, 14. Feb. 2014)

Dass das israelische Embargo Auswirkungen auf Lebensumstände der Menschen im Gazastreifen hat, ist unbestritten. Die Verantwortung für das Embargo liegt aber bei jenen Kräften unter den Palästinensern, die fortwährend die eigene Bevölkerung in Geiselhaft für ihren Krieg gegen Israel nehmen. Deshalb muss man von einer Verkehrung von Ursache und Wirkung sprechen, wenn Schulz insinuiert, die israelische „Blockade“ rufe Extremismus hervor und provoziere selbst den gegen den jüdischen Staat gerichteten Terror. Eine solche Schuldumkehr mag im Europaparlament kein Aufsehen verursachen, bei Abgeordneten der israelischen Knesset rief sie aber völlig berechtigten Protest hervor.

Dass Schulz den Israelis in diesem Zusammenhang die Geschichte der Europäischen Union als Vorbild schmackhaft machen wollte, war insofern bemerkenswert, als er dabei eine nicht ganz unbedeutende Kleinigkeit unter den Tisch fallen ließ: Bevor das von ihm beschworene europäische ‚Friedensprojekt‘ in die Gänge kommen und die „Aussöhnung mit dem Erzfeind Frankreich“ von statten gehen konnte, hatte der „Kriegsschuldige Deutschland“ zuerst mit vereinten militärischen Kräften niedergekämpft und zur bedingungslosen Kapitulation gezwungen werden müssen. Hinter all der Friedensrhetorik verschwand die Voraussetzung der von Schulz bemühten europäischen Einigung: Erst in Folge seiner vollständigen militärischen Niederlage konnte Deutschland „in die internationale Gemeinschaft zurückkehren und eine stabile Demokratie werden“.

Was aber bedeutet das umgelegt auf den Nahen Osten und den israelisch-arabischen Konflikt? Es gibt Beobachter, die der Meinung sind, auch hier werde Friede erst infolge einer klaren militärischen Entscheidung möglich sein. So bemerkt Daniel Pipes vom Middle East Forum: „Wars end, the historical record confirms, when one side concedes defeat and the other wins.“ Auch der israelisch-arabische Konflikt werde erst zu einem Ende kommen, wenn die arabische Seite sich nach einer eindeutigen und vollständigen Niederlage von ihrem Ziel verabschiede, den jüdischen Staat zu vernichten. Pipes‘ einfach klingendes Rezept für den Frieden lautet daher: „Israel defeats its enemies.“ Hätte Martin Schulz seine eigenen Ausführungen über den europäischen Einigungsprozess konsequent durchdacht und dessen militärische Voraussetzung nicht einfach unterschlagen, hätte er eigentlich genau das fordern müssen. Aber irgendwie beschleicht einen das Gefühl, dass er es so nicht gemeint hat.
 

IV. Schulz, die EU und die Boykottbewegung gegen Israel

Für Susanne Knaul stand „(d)ie Empfindlichkeit“, mit der die „nationalreligiösen Politiker“ auf die Rede von Schulz reagiert hätten, „im Zusammenhang mit drohenden Boykottmaßnahmen gegen israelische Siedlerprodukte.“ Sollten die Verhandlungen mit den Palästinensern zu keinem erfolgreichen Abschluss kommen, werde „mit großer Wahrscheinlichkeit Israel international für das Scheitern verantwortlich gemacht.“ (Presse, 13. Feb. 2014)

Knaul traf damit zumindest insofern einen Punkt, als Schulz, wenn auch an anderer Stelle und nicht zu dem Zeitpunkt, als einige Abgeordnete unter Protest den Saal verließen, tatsächlich auf drohende Boykottmaßnahmen gegen Israel zu sprechen kam: „Lassen Sie mich hier etwas klar sagen: ein Boycott ist für die EU und für mich außer Frage. Ich bin der Überzeugung, daß wir mehr Zusammenarbeit und nicht Spaltung brauchen.“ Mit Sicherheit werden einige der anwesenden israelischen Abgeordneten geglaubt haben, ihren Ohren nicht trauen zu können – immerhin ist es ja niemand anderer als die EU, die seit Monaten damit droht, eine Kennzeichnungspflicht für Waren zu erlassen, die in von den Europäern für illegal erklärten israelischen Gemeinden im Westjordanland produziert werden. Das würde zwar nicht direkt die Verhängung eines EU-Boykotts gegen Israel bedeuten, doch wäre das auch gar nicht notwendig angesichts der zu erwartenden Reaktionen europäischer Konsumenten. So erklärte der EU-Botschafter in Israel Lars Faaborg-Andersen: „Es würde genügen, privaten Unternehmen die Problematik zu erklären, die aus Geschäftsbeziehungen mit Siedlungen erwachsen. Die Verbraucher selber würden dann durch ihr Verhalten den Israelis einen Markt entziehen. Israel würde international immer mehr isoliert“.

Schulz‘ Behauptung, dass für ihn und die EU ein Boykott Israels nicht zur Debatte stünde und nicht in Frage käme, ist darüber hinaus aber nichts wert, weil sie durch die von der EU betriebene Politik konterkariert wird. Gerald M. Steinberg, Chef der Organisation NGO-Monitor, machte in einem Kommentar in der Jerusalem Post deutlich, warum: „(T)he European Union and its member states are actively promoting and funding the boykott and isolation of Israel.“ Faktum sei, dass die EU seit Jahren eine Vielzahl so genannter Nichtregierungsorganisationen (NGOs) mit Millionen von Euro unterstützt, die sich dezidiert anti-israelischer Agitation verschrieben haben. „Although claiming to support moral causes such as human rights, democracy and peace, these EU funding policies actively promote boycott and isolation of Israel.“ Zwischen 2007 und 2010 seien allein über die EU-Organisation European Instrument for Human Rights and Democracy (EIDHR) mehr als 11 Millionen Euro an Projekte im Zusammenhang mit dem israelisch-arabischen Konflikt geflossen. „EIDHR channeled more money into Israeli-Palestinian issues than to any other country or part of the world“, ein großer Teil dieser Gelder komme Organisationen zugute, die völlig offen jene Politik vorantreiben, die Schulz‘ Aussagen zufolge für ihn und die EU indiskutabel seien – Boykotte und die De-Legitimation des jüdischen Staates.

Dass sich so viele NGOs dieser anti-israelischen Agenda verschreiben, sei Steinberg zufolge in erster Linie nicht etwa eine unmittelbare Reaktion auf die israelische Besatzungspolitik im Westjordanland, sondern Ergebnis der großzügigen Finanzspritzen u. a. aus den Töpfen der EU, die solchen Organisationen die Verfolgung ihrer radikalen und in Wahrheit weder an Menschenrechten noch am Frieden zwischen Israel und den Palästinensern interessierten Ziele ermöglichen. Im Laufe der Jahre sei daraus im Grunde eine Art anti-israelisches Zitier-Kartell entstanden: Millionen Euros fließen in die Kassen von Organisationen, die mit diesen Mitteln höchst einseitige, verzerrende und Israel de-legitimierende Publikationen und sonstige Machwerke produzieren, die dann wiederum als vermeintlich objektive Berichte den EU-Verantwortlichen vorgelegt werden und von Catherine Asthon abwärts als Grundlage dafür dienen, den Druck auf Israel immer weiter zu erhöhen: „In many cases, the reports and lobbying efforts of these NGOs are central to EU policy formation, forming a closed circle in which biased anti-Israel narratives are reinforced.“

Wenn für Schulz Boykotte des jüdischen Staates und ähnliche Politikformen wirklich so indiskutabel sind, wie er in seiner Rede vor der Knesset dargestellt hat, dann wäre es höchst an der Zeit, die Vergabe von Fördergeldern der EU zu reformieren und zu verhindern, dass Organisationen, die hasserfüllte Agitation gegen Israel betreiben, mit Millionenbeträgen aus dem EU-Budget finanziert werden. Solange er nichts dergleichen unternimmt, setzt er sich dem Verdacht aus, nur wohlfeile Worte zu formulieren, die mit der Realität wenig zu tun haben.

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