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Wenn den Taliban vorgeworfen wird, zu feministisch zu sein

Afghaninnen in London demonstrieren am Internationalen Frauentag gegen die Taliban
Afghaninnen in London demonstrieren am Internationalen Frauentag gegen die Taliban (© Imago Images / ZUMA Wire)

Die Gratulation des afghanischen Außenministeriums zum Weltfrauentag ist ein Schlag ins Gesicht aller Frauen. Tatsächlich werden ihnen alle Rechte für ein selbstständiges Leben genommen.

Ein Tweet von Abdul Qahar Balkhi, dem Sprecher des Taliban-»Außenministeriums« zum Weltfrauentag am 8. März hat bei extremistischen Muslimen für Empörung gesorgt: Die Taliban sollten sich nicht den »Ungläubigen« anbiedern und stattdessen Frauen so behandeln, wie es der Islam vorschreibe.

In dem Tweet, über den auch die amerikanische Website Vice berichtete, wünscht Balkhi im Namen des »Außenministeriums des Islamischen Emirats Afghanistan«, dass dieser Tag »für alle Frauen glückverheißend sei«. Er schreibt weiter:

»Der langwierige Krieg in Afghanistan war für Frauen äußerst schädlich. Die IEA (Islamisches Emirat Afghanistan) setzt sich dafür ein, die Not der afghanischen Frauen anzugehen und Einrichtungen für ein ehrenvolles und segensreiches Leben im Lichte der edlen Religion des Islam und unserer anerkannten Traditionen bereitzustellen.«

Geschlechtersegregation

Nach ihrer Machtübernahme führten die Taliban eine strikte Geschlechterapartheid ein. Frauen wurden nicht nur aus der Regierung, sondern aus der gesamten Verwaltung ausgeschlossen und ihnen der Besuch von Universität bzw. weiterführenden Schulen untersagt. Sie dürfen keinen Sport betreiben, das Tragen westlicher Kleidung wird mit Auspeitschung bestraft.

Frauen dürfen sich nur in Begleitung eines engen männlichen Angehörigen über Distanzen von mehr als 72 Kilometern bewegen. Alle Fahrzeughalter sind außerdem aufgefordert, nur Trägerinnen eines islamischen Hidschabs zu transportieren. Afghanischen Fernsehsendern wurde untersagt, Filme und Serien mit Schauspielerinnen auszustrahlen.

Frauen, die der früheren Regierung oder dem Militär gedient haben, werden von den Taliban gejagt, wobei auch ihre Wohnungen durchsucht werden, um ihrer habhaft zu werden. Viele Frauen werden mitten in der Nacht in ihren Wohnungen verhaftet und danach nicht mehr gesehen.

Demonstrationen von Frauen sind verboten und werden gewaltsam aufgelöst. Die dabei verhafteten Teilnehmerinnen werden ausgepeitscht.

Eine Frau, die im Januar an einem öffentlichen Protest teilgenommen hatte, berichtete einem Reporter der britischen Tageszeitung The Independent unter dem Schutz der Anonymität, sie sei nach ihrer Verhaftung bis in die frühen Morgenstunden mit einem Kabel geschlagen und getreten worden und habe vor laufender Videokamera gestehen müssen, dass ihr Protest »sündhaft und falsch« gewesen sei.

Wenn sie sich widersetze oder mit der Presse sprechen würde, so drohten ihr die Taliban, würden sie und ihre Familie getötet werden. »Es gibt keine Worte, um zu beschreiben, was sie mir angetan haben«, sagte die Frau.

Ersonnen und überwacht werden die tyrannischen Regeln vom »Ministerium für Gebet und Orientierung sowie zur Förderung der Tugend und zur Verhinderung von Lastern«. Im Februar wies es darauf hin, dass Frauen, die noch berufstätig sind, »ordentlich verhüllt« sein müssten, »notfalls mit einer Bettdecke«.

Erbost

Der Tweet der Taliban zum Weltfrauentag kam bei einigen ihrer Mitstreiter und Sympathisanten nicht gut an. Nutzer »Noor Ahmad« verlangt:

»Bruder, bitte lösch das.«

Nutzer @Hf32567789 kommentiert:

»Dies ist eine äußerst enttäuschende Aussage der IEA [Islamisches Emirat Afghanistan]. Die Kuffar [Ungläubigen] werden niemals glücklich mit euch sein, also macht euch keine Gedanken um sie. Behandelt die Frauen so, wie es der Islam verlangt, und feiert oder bezieht euch nicht auf solche westlichen Traditionen und Tage!«

Nutzer »Umar Rumi« fordert den Taliban-»Außenminister« auf:

»@QaharBalkhi! Bitte sei vorsichtiger und bewusster, bevor du auf einen scheinbar neutralen ›Internationalen Tag‹ aufspringst, und studiere vorher seine Ursprünge, Geschichte, Hintergründe und Bedeutung. Dies war (und ist) eine kommunistisch-feministische Feier. Dass das Emirat da mitmacht, ist absolut erschreckend.«

Die Taliban könnten nun also wahrheitsgemäß behaupten, dass manche ihnen vorwerfen, zu feministisch zu sein.

Auch der Taliban-»Regierungssprecher« Zabihullah Mujahid hat sich anlässlich des Internationalen Frauentags am 8. März auf Twitter zu Wort gemeldet:

»Das Islamische Emirat setzt sich für die Wahrung der Scharia-Rechte aller afghanischen Frauen ein. Der Internationale Frauentag ist eine großartige Gelegenheit für unsere afghanischen Frauen, ihre legitimen Rechte einzufordern. Wir schützen und verteidigen die Rechte unserer afghanischen Frauen, so Gott will.«

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