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Wie naiv darf ein deutscher Außenminister sein?

"Hier geht's lang" - Russlands Außenminister Lawrow weist seinem deutschen Kollegen Steinmeier den Weg

Das ist im Grunde der große Schwachpunkt amerikanischer Außenpolitik unter Obama, der ja angetreten war, Amerika aus vielen dieser, wie er sagte, überflüssigen und unnötigen Konflikte herauszuhalten. Und jetzt sehen wir, dass diese Konflikte ohne amerikanisches Engagement noch schlimmer geworden sind – im Irak, auch in Afghanistan, auch in Libyen, wo man sich nur aus der Luft dazu bequemte, Gaddafi zu bombardieren und dann keine wirklichen Maßnahmen am Boden durchgriff. Das bleibt ein großes Problem amerikanischer Politik, dass sie in dieser gesamten Region und insbesondere in Syrien als nicht mehr handlungsfähig, als nicht mehr glaubwürdig angesehen wird und damit ein Vakuum entsteht, in das nicht nur Mächte wie Russland, sondern auch regionale Hegemonialmächte wie die Türkei, wie Saudi-Arabien, wie der Iran eingreifen. Der Kontrollverlust Amerikas in dieser Region ist eine Katastrophe und die Europäer haben nichts getan, um da irgendetwas dagegen aufzubauen. (…)

Prinzipiell haben die Amerikaner natürlich die militärischen Kapazitäten, die politischen Kapazitäten, das ökonomische Potenzial, um in solche Konflikte eingreifen zu können. Aber der innenpolitische Wille, so was zu tun, ist natürlich nach den Bush-Jahren quasi auf null gesunken und Obama zieht sozusagen die Lehren aus dieser überaggressiven und überaktiven Politik der Bush-Generation, wenn Sie so wollen. Aber diese Lehren, die er zieht, übertreibt er und diese Lehren sind zum Teil auch falsch, weil er nicht sieht, dass es ein Nullsummenspiel ist in der internationalen Politik. Und wenn die Amerikaner dort an Einfluss verlieren und Einfluss zurücknehmen, wird automatisch jemand anders diesen Einfluss gewinnen, und das sind zum Teil Mächte, die uns sehr, sehr übel gesinnt sind und die in dieser Region Hegemonialbestrebungen betreiben und nicht daran interessiert sind, diesen Konflikt irgendwie zu lösen. (…)

Das ist eine Linie des Außenministeriums seit Langem, auf diese Modernisierungspartnerschaft mit Russland zu setzen. Die ist schon mal krachend gescheitert über dem Ukraine-Konflikt und jetzt ist es eher quasi eine Halluzination zu glauben, dass die Russen an irgendeiner Form von Befriedung dieses Konflikts interessiert sind. Sie selbst haben die Möglichkeiten, indem sie jetzt ja direkt Kampfpartei sind, den Konflikt immer wieder hochzujubeln. Sie wollen im Grunde gar nicht, dass dieser Konflikt irgendwie abstirbt, weil solange man diesen Konflikt am Köcheln halten kann, wird man im Westen gebraucht. Und einige wie Steinmeier in dem von Ihnen gerade gemachten Zitat fallen offenbar darauf herein, dass man mit den Russen doch irgendwie eine Verhandlungslösung finden können wird. Das halte ich für völlig ausgeschlossen und hoffnungslos naiv.

(Der Politikwissenschaftler Stephan Bierling im Interview im Deutschlandfunk: „Es kann immer noch schlimmer werden“)

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