Schachmatt dem Kopftuchzwang?

Von Alex Feuerherdt

Die nächste Schach-Weltmeisterschaft für Frauen soll im Iran stattfinden. Dagegen regt sich vehementer Protest vonseiten prominenter Spielerinnen. Denn diese wollen sich nicht mit einem Kopftuch ans Brett setzen und so „die Unterdrückung von Frauen unterstützen“, wie eine von ihnen sagt.

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Die amerikanische Schachmeisterin Nazi Paikidze

Reisen europäische Politikerinnen in den Iran, dann kommt es immer zum gleichen Bild: Selbst wenn iranische Feministinnen sie – wie beispielsweise anlässlich des Iran-Besuchs der deutschen Grünen-Politikerin Claudia Roth zu Beginn des Jahres 2015 – ausdrücklich dazu auffordern, das obligatorische Tragen des islamischen Hidschabs zu verweigern und sich so mit ihnen zu solidarisieren, treten die Frauen in der Öffentlichkeit dennoch mit Kopftuch auf. Auch die Mitglieder der Grünen Jugend aus Deutschland, die unlängst eine Tour durch das Land unternahmen, mochten sich, soweit sie weiblich sind, nicht dazu durchringen, auf dieses Symbol der Frauenunterdrückung (nicht nur) im Iran zu verzichten. Bisweilen geht man in Europa sogar so weit, antike Statuen zu verhüllen, wenn der iranische Präsident seinerseits zu Gesprächen einfliegt – er könnte schließlich an deren Nacktheit Anstoß nehmen, und da handelt man lieber in vorauseilender Unterwürfigkeit, die man bodenlos euphemistisch als Kultursensibilität zu rechtfertigen versucht.

Dass es auch anders geht und der Kulturrelativismus keineswegs alternativlos ist, zeigen gerade einige Schachspielerinnen, nachdem der Weltschachverband FIDE beschlossen hat, die nächste, im Februar 2017 stattfindende Frauen-Weltmeisterschaft im Iran auszutragen. Sie protestieren gegen diese Entscheidung, denn es sei „absolut inakzeptabel, eines der wichtigsten Schachturniere für Frauen an einem Ort stattfinden zu lassen, wo Frauen bis heute gezwungen werden, einen Hidschab zu tragen“, wie etwa die amerikanische Schachmeisterin Nazi Paikidze deutlich machte. „Ich verstehe und respektiere zwar kulturelle Differenzen“, sagte die 22-jährige Georgierin, die seit 2014 dem amerikanischen Schachverband angehört. Doch wenn man sich den iranischen Vorschriften nicht füge, könne man „ins Gefängnis kommen, abgesehen davon, dass die Rechte von Frauen dort generell stark beschnitten werden“.

Sie fühle sich zwar geehrt und sei stolz, sich für die Weltmeisterschaft qualifiziert zu haben, fuhr Paikidze fort. „Aber wenn sich an der Situation nichts ändert, werde ich aller Wahrscheinlichkeit nach nicht an diesem Ereignis teilnehmen.“ Paikidze, die bereits mit 16 Jahren den Titel „Schachgroßmeister der Frauen“ errang, postete auf ihrem Twitter-Account zudem eine Warnung des amerikanischen Außenministeriums vor Reisen in den Iran. Dem amerikanischen Fernsehsender CNN sagte sie darüber hinaus, bereits in der Vergangenheit seien Frauen bei Schachturnieren im Iran gezwungen worden, ein Kopftuch anzulegen.

 

 

„Religiöse und sexistische Diskriminierung“

Bei der Weltmeisterschaft werde das nicht anders sein, denn das Tragen des Hidschabs sei im Iran eine gesetzlich geregelte Pflicht. Und das, so Paikidze, „ist eine religiöse und sexistische Diskriminierung“. Auf die Entgegnung der Kommissionsvorsitzenden für die schachspielenden Frauen im Weltverband FIDE, Susan Polgar, die gefordert hatte, „kulturelle Differenzen“ einfach „zu respektieren“ und sich nötigenfalls mit Kopftuch ans Schachbrett zu setzen, antwortete Paikidze via Twitter: „Bei allem Respekt – mit dem Tragen des Hidschabs würden wir die Unterdrückung von Frauen unterstützen.“

 

 

Ihr zur Seite sprang die frühere panamerikanische Schachmeisterin Carla Haredia, die aus Ecuador stammt und mittlerweile in Texas lebt. „Es geht hier nicht nur um die 64 Spielerinnen, sondern um eine Angelegenheit, die die Welt und die Rechte von Frauen betrifft“, wird sie von CNN zitiert. Der Sport, so Haredia weiter, „sollte frei von dieser Art von Diskriminierung sein“. Weder eine Institution noch eine Regierung und auch keine Schach-Weltmeisterschaft sollte Frauen zwingen, einen Hidschab zu tragen. Zudem gehe es nicht an, so Haredia, „dass eine Frau sich nicht mit einem Mann, mit dem sie nicht verheiratet ist, in einem Raum aufhalten darf“. Das betreffe schließlich auch die Besprechung der Spielerinnen mit männlichen Trainern. Sie hoffe daher, dass der Iran es den Schachspielerinnen erlaube, auf das Kopftuch zu verzichten, ohne eine Bestrafung fürchten zu müssen.

Auch von männlicher Seite gab es Kritik an der Vergabe des Turniers an den Iran. Der englische Schach-Großmeister Nigel Short twitterte: „Der Iran hat den Zuschlag für die Austragung der Schach-Weltmeisterschaft für Frauen 2017 bekommen. Frauen werden dort gezwungen, den islamischen Hidschab zu tragen, was den FIDE-Statuten gegen sexuelle und religiöse Diskriminierung Hohn spricht.“

 

 

Schachverband ohnehin in der Kritik

Der Weltschachverband steht derzeit ohnehin in der Kritik, nachdem gegen seinen Präsidenten, den russischen Multimillionär Kirsan Iljumschinow, und die von diesem geleitete Bank Russian Financial Alliance im November 2015 vom Finanzministerium der USA wegen Unterstützung des syrischen Regimes von Baschar al-Assad Sanktionen verhängt worden waren. Iljumschinow überließ daraufhin den FIDE-Vorsitz dem Vizepräsidenten Georgios Makropoulos – allerdings nur vorübergehend, wie die britische Tageszeitung Telegraph schreibt. Inzwischen geht das frühere Oberhaupt der Republik Kalmückien wieder dem höchsten Amt im Schach nach.

Dass die nächste Weltmeisterschaft der Frauen an den Iran vergeben wurde, liegt nach Angaben einer FIDE-Sprecherin daran, dass das Land sich als einziges dafür beworben hat. Man darf angesichts der Kritik nun gespannt sein, ob es tatsächlich dort ausgetragen wird – und wenn ja, ob noch mehr Spielerinnen so selbstlos handeln werden wie die amerikanische Meisterin Paikidze. Es wäre unbedingt wünschenswert.

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