Warum nahöstliche Diktatoren Giftgas lieben

Es scheint ein ganz besonderes Verhältnis nahöstlicher Diktatoren zum Giftgas zu geben. Saddam Hussein ließ es massenhaft erst gegen iranische Soldaten einsetzen, dann gegen kurdische Zivilisten und Peshmerga.

Die Assad-Dynastie ist seit den 70er Jahren mit ihrem Programm zu Gange und auch Muammar al Gaddafi ließ sich – wie alle vornehmlich mit deutscher Unterstützung – ein beträchtliches Arsenal aufbauen, das er 2003 auch anders als sein Atomprogramm keineswegs aufgab. Libysche Rebellen fanden die Waffen nach seinem Sturz in der Wüste versteckt.

Giftgas nun ist sicher eine billig zu beschaffende und herzustellende Massenvernichtungswaffe, die Atombombe für Arme wurde es einmal genannt.

Der gezielte Einsatz von Kampfgas durch Regimes wie das irakische oder syrische zeigt allerdings auch, was baathistische Diktatoren von der eigenen Bevölkerung halten. Wer sich der Führung widersetzt und opponiert, gilt nämlich im wahrsten Sinne des Wortes als Schädling, der entsprechend zu bekämpfen sei.

Joost Hiltermann zitiert in seinem Standardwerk über den Giftgasangriff auf Halabja „A Poisonous Affair“ 1988 einen hochrangingen irakischen Offizier, der erklärt, dass es für jedes Insekt eben das passende Insektizid gäbe. Und der damalige irakische  Vizepräsident Tarik Aziz – er galt vielen als das gemäßigte Gesicht des Saddam-Regimes  – soll dem Waffeninspekteur Richard Butler in einem Gespräch unter vier Augen sogar gesagt haben, man habe diese Waffen gegen „Perser, Juden und andere Insekten“ entwickelt.

Ganz ähnliche Worte wählte der syrische Präsident in einer seiner Reden im Jahre 2011, wenige Monate nach Ausbruch der Massenproteste. Damals bezeichnete er in einer Rede die Demonstranten auf den Straßen Syriens gar als Bakterien.

Insekten und Bakterien aber bekämpft man als Ungeziefer mit Insektiziden, aus denen Giftgas ja teilweise auch gewonnen wird. Und als Ungeziefer betrachten und behandeln diese Regimes ihre eigenen Bürger, sollten diese es wagen, ihre Loyalität zu kündigen. Dies sollen die Giftgasangriffe auch demonstrierten, nicht nur Angst und Schrecken verbreiten und jedem in den von Rebellen kontrollierten Gebieten deutlich machen, dass es keinerlei Sicherheit gibt.

Indem die USA und Europa 2013 Assad den Giftgasangriff auf die Ghoutas nahe Damaskus nicht nur durchgingen ließen, sondern ihn sogar noch adelten, indem er zum Vertragspartner eines Abrüstungsabkommens wurde, von dem schon damals jeder wissen konnte, dass er sich nicht an es halten würde, schlossen sie sich dieser Botschaft an.

Und in der Tat scheint es, als hätten Syrer bislang kaum mehr Rechte als Insekten gehabt, als könnten sie wahllos und unter Einsatz von international geächteten Waffen wie Phosphor, „barrel bombs“ und eben Giftgas vor aller Augen massakriert werden.

Genau so wie damals 1988 die Bewohner Halabjas und unzähliger anderer Orte im Irak. Jahre später gedachte man des Massakers von Halabja und erklärte auf internationalen Konferenzen, so etwas dürfe nie wieder geschehen. Das Assad-Regime und seine Verbündeten in Moskau und Teheran zeigten in den vergangenen Jahren, was diese Lehre wert war.

Ob sich nach dem jüngsten Militärschlag daran etwas grundlegend ändern wird, lässt sich noch nicht absehen, zu wünschen wäre es auf jeden Fall. Wer Trump jetzt für seine Entscheidung kritisiert, statt weitere Schritte gegen Assad zu fordern, zeigt nur, dass auch ihm die Menschen in Syrien wenig mehr bedeuten als Insekten.

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