Die Verlogenheit der deutschen Friedensbewegung: In Syrien gibt es doch keinen Krieg, oder?

Von Thomas von der Osten-Sacken

Klickt man sich durch die Seiten führender Organisationen innerhalb der deutschen Friedensbewegung, muss man den Eindruck gewinnen, in Syrien gäbe es keinen Krieg mit Millionen von Flüchtlingen und hunderttausenden Toten, mit Hunger, Folter, systematischer sexualisierter Gewalt und dem Einsatz völkerrechtswidriger Waffen wie Giftgas, Fassbomben und Phosphor. Denn es herrscht dort ein eisiges, verbissenes Schweigen. Man echauffiert sich über Endlager, Atommüll und behandelt noch so abseitige Themen.

Erinnert sich noch jemand an 2003, damals während des Irakkrieges, als Pax Christi und IPPNW im gefühlten Stundentakt den Militäreinsatz der USA verurteilten, von den Kriegen Israels gegen seine Feinde ganz zu schweigen? Sind es aber nicht die USA und Israel, deren Flugzeuge die Bomben abwerfen, sondern Russland, der Iran und die syrische Armee, also alles irgendwie doch Garanten für eine andere, friedlichere Welt, dann vernäht man sich lieber die Lippen.

Der oberste Eintrag auf der Homepage von Pax Christi zu Syrien etwa stammt aus dem Januar 2016 und worum geht es da? Richtig: „Aktiv gegen Syrieneinsatz der Bundeswehr“.

Pax Christi

Und bei IPPNW, den Ärzten gegen den Atomtod ? Da stammt laut Suchmaschine der letzte Beitrag zu Syrien gar vom  April 2015:

IPPNW

Und dann ist natürlich da noch der „Bundesauschuss Friedensratschlag“. Der ist gerade damit beschäftigt eine Demonstration für den 8. Oktober in Berlin zu organisieren.

Friedensratschlag

Dass es auch anders geht, zeigt der Guardian, dessen Positionen ansonsten sich kaum von denen der deutschen Friedensbewegung unterscheidet. In einem Editorial schreibt er zu den jüngst dokumentierten neuen Giftgasangriffen in Aleppo:

„It is nearly 100 years since the use of chemical weapons was outlawed by the international community. Then it was the League of Nations’ Geneva protocol, a practical response to the horror of the use of chlorine and mustard gas by all sides in the first world war which had left millions of ex-combatants either blind or with lungs so damaged that they were semi-invalids. The protocol never quite lapsed, but during the cold war it was widely ignored. Only in the 1990s was a new treaty drawn up, which unlike the original one outlawed the production and stockpiling of chemical weapons as well as their use. Now backed by more than 160 countries, it is monitored by the Hague-based Organisation for the Prohibition of Chemical Weapons. Yet, as one doctor in Aleppo observed bitterly, using chemical agents without accountability is the new normal in Syria.

Ever since the crossing of President Obama’s red line by the sarin attack in Damascus three years ago, the Assad regime has appeared increasingly confident that it can attack with chemical weapons without fear of reprisal. The UN’s monitors are due to report by November. But the taboo has already been broken, and many hundreds of people are likely to suffer the consequences of this new failure by the international community.“

Update: Pax Christi hat Mena Watch darauf hingewiesen, dass der zitierte Artikel aus dem Januar 2016 nicht, wie es ursprünglich hieß, der aktuellste Artikel der Organisation zu Syrien ist, sondern lediglich der oberste auf der entsprechenden Rechercheseite. Da die neueste Eintragung zum Thema – mit Erscheinungsdatum 27. März 2016 auch nicht unbedingt zeitnah – allerdings die Einführung der Gemeinwohlökonomie zu ihrem Hauptthema hat, erlauben wir uns die Frage an Pax Christi, wie dies der Zivilbevölkerung in Syrien gegen Hungerbelagerungen, gegen den Einsatz von Chlorgas und von Fass-, Streu- und Thermitbomben oder gegen die systematische Zerstörung von Spitälern durch Assad-Truppen helfen soll?

Mag man es auch als durch und durch zynisch ansehen, dass Pax Christi das Leid der Zivilbevölkerung in Syrien zum Anlass nimmt, um ideologische Vorstellungen alternativer Ökonomiemodelle ans geneigte Publikum zu bringen, so kommt man doch nicht darum herum festzustellen, dass dies weniger gefährlich ist als etwa die Versuche der Organisation, für die diplomatische Anerkennung des Islamischen Staates zu werben.

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