Der mutige Auftritt des „Grünen Prinzen“

Vor dem UN-Menschenrechtsrat hat der palästinensische Dissident Mosab Hassan Yousef, Sohn eines Hamas-Mitbegründers, eine denkwürdige Rede gehalten. Darin griff er die palästinensischen Repräsentanten scharf an, sprach ihnen die Legitimation ab und pulverisierte ihr antiisraelisches Opfernarrativ. Das ließ die arabischen Delegierten im Rat, die vorher einmal mehr verbal gegen den jüdischen Staat zu Felde gezogen waren, perplex zurück.

Als der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen in Genf zu seiner 36. Sitzung zusammentrat, die sich vom 11. bis zum 29. September erstreckte, schien alles seinen gewohnten Verlauf zu nehmen, als am vergangenen Montag der siebte Tagesordnungspunkt aufgerufen wurde. Dieser siebte Tagesordnungspunkt ist bei jeder Versammlung des Rates der gleiche: Er trägt den Titel „Menschenrechtliche Situation in Palästina und anderen besetzten arabischen Gebieten“ und wird von den Ratsmitgliedern stets dazu genutzt, den jüdischen Staat ausgiebig zu dämonisieren und zu delegitimieren. Israel ist das einzige Land, dem ein solcher fester Tagesordnungspunkt gewidmet wird. Auch diesmal überboten sich diejenigen Mitgliedsstaaten, in denen die menschenrechtliche Situation himmelschreiend ist, mit Anklagen gegen die einzige Demokratie im Nahen Osten.

„Die Besatzungsmacht Israel setzt ihre koloniale Politik und ihre täglichen Menschenrechtsverletzungen fort“, sagte beispielsweise ein Vertreter der Palästinenser. Der jüdische Staat betreibe ethnische Säuberungen und verhafte willkürlich Menschen, außerdem stehle er Land, natürliche Ressourcen und Geld, behauptete er weiter. Ein syrischer Delegierter warf Israel eine „Judaisierung Jerusalems, Häuserzerstörung, Landraub und die Vergiftung natürlicher Ressourcen“ vor. Katar unterstellte Israel „rassistische Übergriffe“, Pakistan bezichtigte das Land der „Kolonisation“ und der „Apartheid“. Venezuela beschuldigte Israel, „Grausamkeiten“ gegen Palästinenser zu begehen und für „massive Zerstörungen“ verantwortlich zu sein. Der Repräsentant des Iran hielt dem jüdischen Staat „Kriegsverbrechen“, „ethnische Säuberungen“ und „Staatsterrorismus“ vor.

Die Nichtregierungsorganisation UN Watch errechnete im August 2015, dass der UN-Menschenrechtsrat seit seiner Gründung im Jahr 2006 Israel in Resolutionen häufiger verurteilt hat als alle anderen Länder der Welt zusammen. Auf 62 solcher Verurteilungen kam der jüdische Staat seinerzeit, auf 55 der gesamte Rest der Welt, darunter sämtliche Autokratien, Despotien und Diktaturen. Diese Besessenheit ist Ausdruck eines institutionalisierten Antisemitismus, der für die Vereinten Nationen insgesamt charakteristisch ist und im Menschenrechtsrat besonders deutlich zutage tritt. UN Watch ergreift bei Sitzungen des Rates immer wieder einmal selbst das Wort, so beispielsweise im März dieses Jahres, als der Geschäftsführer der Organisation, Hillel Neuer, in einem fulminanten „J’accuse“ deutlich machte, wes Geistes Kind man bei dieser Einrichtung der Uno und ihren Mitgliedern ist.

Perplexe Israelfeinde

Der mutige Auftritt des „Grünen Prinzen“
Palästinensische Delegation während der Rede Yousefs (Quelle: Tapfer im Nirgendwo)

Auch am vergangenen Montag wartete UN Watch im Anschluss an die absurden Anklagen der palästinensischen, der syrischen, der katarischen, der pakistanischen und der iranischen Delegierten gegen Israel mit einem Statement auf. Diesmal war es jedoch nicht Hillel Neuer, sondern ein Palästinenser, der für sie Klartext sprach:

„Mein Name ist Mosab Hassan Yousef. Ich bin in Ramallah als Mitglied der Hamas aufgewachsen. Ich richte meine Worte an die PLO, die von sich behauptet, die ‚alleinige legitime Vertretung‘ des palästinensischen Volkes zu sein.

Ich frage: Woher nehmen Sie diese Legitimität? Das palästinensische Volk hat Sie nicht gewählt, und es hat Sie nicht dazu veranlasst, von Ihnen vertreten zu werden. Sie haben sich selbst ernannt!

Sie fühlen sich für Ihre eigenen Leute nicht verantwortlich. Der Beleg dafür ist die totale Verletzung von deren Menschenrechten durch Sie. Tatsache ist, das palästinensische Individuum und seine menschliche Entwicklung ist Ihr geringstes Anliegen. Sie entführen palästinensische Studenten vom Campus und quälen sie in Ihren Gefängnissen. Sie quälen Ihre politischen Konkurrenten. Das Leiden des palästinensischen Volkes ist das Ergebnis Ihrer egoistischen politischen Interessen. Sie sind der größte Feind des palästinensischen Volkes.

Würde Israel nicht existieren, hätten Sie niemandem, dem Sie Schuld zuschieben könnten. Übernehmen Sie Verantwortung für die Resultate Ihres eigenen Handelns!

Sie schüren die Flammen des Konflikts, um Ihren Machtmissbrauch fortzusetzen. Sie benutzen sogar diese Plattform, um die internationale Gemeinschaft und die palästinensische Gesellschaft zu täuschen, um ihnen weiszumachen, Israel sei für die Probleme verantwortlich, die Sie selbst erschaffen haben.“

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Schon während dieser furiosen Rede sah man den arabischen Delegierten an, wie perplex sie waren. Und nachdem Mosab Hassan Yousef geendet hatte, gab es im Saal für einige Sekunden völliges Schweigen und lange Gesichter.

„Es sind die langen Gesichter jener, die Israel bei jeder Gelegenheit kritisieren und für alle Konflikte im Nahen Osten verantwortlich machen und dabei in das Geheule des wölfischen Chors der übelsten Menschheitsverbrecher einstimmen“, kommentierte der Autor, Regisseur und Schauspieler Gerd Buurmann auf seinem Blog Tapfer im Nirgendwo das Szenario treffend. Weiter schrieb er: „So sehen Menschen aus, wenn ihr Judenhass entlarvt wird“ – von einem Palästinenser, der die alte Mär von den brutalen israelischen Tätern und den unschuldigen palästinensischen Opfern, wie sie auch im Menschenrechtsrat immer wieder erzählt wird, mal eben in 90 Sekunden pulverisiert hat.

Ermutigendes Plädoyer für Dissidenz

Und dabei ist Mosab Hassan Yousef nicht irgendein Palästinenser, auch nicht nur ein einfaches früheres Hamas-Mitglied, sondern kein Geringerer als der Sohn des Mitbegründers der Hamas, Scheich Hassan Yousef. Im Mai 1978 geboren, wuchs er in einem gewalttätigen Umfeld auf und stand schließlich selbst am Scheideweg zum Terrorismus. Als er erstmals inhaftiert wurde, sah er mit eigenen Augen, wie rücksichtslos und brutal die Hamas auch die eigenen Leute misshandelt, foltert und ermordet. Mosab Hassan Yousef wurde klar, dass es den Islamisten nicht um das Wohl der Palästinenser geht. Vielmehr kämpfen sie für einen islamischen Gottesstaat, und dafür gehen sie über Leichen – nicht nur über israelische, sondern auch über palästinensische.

Der mutige Auftritt des „Grünen Prinzen“
MENA-Gründer Erwin Javor mit dem Regisseur von The Green Prince, Nadav Schirman, bei der Filmpräsentation in Wien

Mit dieser Erkenntnis traf Mosab Hassan Yousef eine Grundsatzentscheidung: Er ließ sich 1996 von Gonen Ben Yitzhak als Spion des Schin Bet, des israelischen Inlandsgeheimdienstes, anwerben. Als rechte Hand seines Vaters hatte er Zugang zu vielen für die Israelis wichtigen Informationen und Akteuren, darunter zu palästinensischen Terroristen, Drahtziehern und Selbstmordattentätern. In den folgenden elf Jahren verhinderte er mit seinem Tun zahlreiche Terroranschläge und rettete damit unzählige Menschenleben. Bevor seine Tarnung aufflog, floh Mosab Hassan Yousef in die USA, wo ihn erst die Aussage von Gonen Ben Yitzhak davor bewahrte, in den sicheren Tod abgeschoben zu werden.

Im Buch „Son of Hamas“ (deutscher Titel: „Sohn der Hamas“) veröffentlichte er 2010 seine Lebensgeschichte, die auch im Film „The Green Prince“ („Der Grüne Prinz“) erzählt wird. Mena-Watch hat diesen Film im Dezember 2014 in Wien gezeigt, auch der Regisseur Nadav Schirman war anwesend.

Nun hat Mosab Hassan Yousef mit einem denkwürdigen Auftritt ein weiteres Zeugnis seines Mutes abgelegt. Er hat Tacheles gegenüber der palästinensischen Delegation im Menschenrechtsrat geredet, die Legitimität der palästinensischen Vertretung rundweg infrage gestellt und deren antiisraelisches Narrativ attackiert. Damit hat er zugleich deutlich gemacht, wie sehr der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen seinem edlen Namen Hohn spricht. An der Verfasstheit und der Praxis des Rates dürfte das zwar vorerst nichts ändern. Aber es ist ein ermutigendes, sehr notwendiges Plädoyer für Dissidenz.

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