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Alkoholverbot in der Trinkermetropole des Nahen Ostens?

Ho! a cup, and fill it up, and tell me it is wine,
For never will I drink in shade if I can drink in shine.
Curst and poor is every hour that sober I must go,
But rich am I whene’er well drunk I stagger to and fro.
Speak, for shame, the loved one’s name, let vain disguises fall;
Good for naught are pleasures hid behind a curtain-wall.

„Love and Wine“ von Abu Nuwas (756–814)

Mit der Mehrheit der Stimmen schiitischer Parteien verabschiedete das irakische Parlament kürzlich ein Gesetz, das fortan Produktion und Vertrieb alkoholischer Getränke unter Strafe stellen wird. Kein Alkohol mehr im Irak? Das wird natürlich niemals funktionieren, im ganzen Nahen Osten sind Irakis als schwere Trinker bekannt, in den Straßen Bagdads oder Basras habe ich in den frühen 90er Jahren so manche Alkoholleiche auf der Straße schnarchen gesehen und eine klassische irakische Einladung zum Abendessen bestand darin, dass man die ersten vier Stunden auf nüchternen Magen soff und soff und dann gegen Mitternacht erst mengenweise Essen serviert wurde. Irak ohne Alkohol geht nicht. Alkohol und Valium waren auch die wenigen Möglichkeiten, die den Menschen unter Saddam Hussein blieben, der ganzen Malaise wenigstens für ein paar Stunden zu entfliehen.

iraq-alcoholKein Wunder also, dass die kurdische Autonomieregion umgehend erklärte, für sie gelte dieses Verbot nicht und das irakische Parlament möge sich doch bitte um dringendere Angelegenheiten kümmern.

Aber geht es wirklich um die Durchsetzung hehrer islamischer Werte ganz nach dem Vorbild der Islamischen Republik Iran, die bei diesem Gesetz ganz sicher Pate gestanden hat? Zeigt das Gesetz nur die weiter voranschreitende Islamisierung der irakischen Gesellschaft? Ein irakischer Parlamentarier jedenfalls meldet da Zweifel an:

„An Iraqi MP revealed the reasons behind banning alcohol in Iraq, saying that opium poppy plant is being grown in the southern Iraq and the Shi’ite factions have prohibited alcohol in order to increase trading with the drugs made from the opium poppy.

In a press conference in the Iraqi parliament building on Wednesday, Faiq al-Sheikh Ali, the Iraqi MP and leader of People’s Party, revealed that there are a large number of gambling dens and brothels in Iraq which are run  and protected by the Shi’ite militias. He noted that the militias of the Shi’ite factions earn $2 million daily from this business, using it for purchasing weapons and funding their election campaigns.

Ali claimed that the Islamic Shi’ite factions who are attaining a large amount of money from those illegal and immoral sources are the ones who have created such a choatic situation in Iraq, and now ‚these factions are banning alcohol because they are growing opium poppy in the south of Iraq and importing drugs from Iran.‘“

Ganz Unrecht hat der Mann sicher nicht. In kaum einem anderen Land der Welt wird so viel Opium konsumiert wie im Iran, ja die Regierung in Teheran muss inzwischen offen zugeben, dass sie mit einem gewaltigen Drogenproblem zu kämpfen hat. Unzählige Razzien, eine wachsende Zahl von Exekutionen – nichts hilft. Was dem Iraki der Arrak war und ist, um die unerträgliche Lage in seinem Land wenigstens für ein paar Stunden zu vergessen, ist dem Iraner das Opium. Über sechs Millionen Iraner sollen inzwischen schwerst abhängig sein.

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Alkoholschmuggler an der iranisch-irakischen Grenze nahe Suleymaniah

Entsprechend lukrativ sind aber auch Anbau und Handel mit der Droge und wo immer im Iran etwas lukrativ ist, haben die Revolutionsgardisten, Bassiji-Milizen, der Rafsanji-Clan und all die anderen ihre Finger im Spiel. Es dürfte kaum verwundern, wollten sie ihre Geschäfte auch auf den Irak ausdehnen, wo Opium und Haschisch bisher weitgehend unbekannte Drogen sind. Und auch beim Alkoholschmuggel verdienen sie alle immens mit, denn es ist ja keineswegs so, dass im Iran nicht getrunken würde. Ganz im Gegenteil: Man muss nur einen Tag an die irakisch-kurdisch-iranische Grenze fahren und zuschauen, was da alles hinübergeschafft wird. Spitzenreiter sind Kästen mit Whisky und Pornos. Und nicht nur das. Im Iran, man mag es kaum glauben, stellt Alkoholismus sogar ein ernsthaftes Problem dar: Jüngst erst sollen landesweit 150 Entgiftungseinrichtungen für schwere Alkoholiker eröffnet worden sein. Nichts ist nämlich leichter, als im Iran an Alkohol zu kommen.

Und natürlich hat jeder kurdische Schmuggler auf der anderen Seite einen iranischen Offiziellen, mit dem er kooperiert. Das Alkoholverbot beschert den Funktionären der Islamischen Republik sozusagen ein Schnapsmonopol und ermöglicht es ihnen zugleich, jederzeit gegen alle vorzugehen, deren Partys und Feiern als subversiv eingestuft werden. Auf der einen Seite Millionen verdienen, auf der anderen Seite immer neue Gründe schaffen, damit die Religionspolizei jede und jeden jederzeit schikanieren und einschüchtern kann, genau darin besteht das Erfolgsmodell iranischer Herrschaftssicherung.

Und es scheint dies das Modell zu sein, das den schiitischen Parteien und ihren Milizen für den Irak vorschwebt. Natürlich wird weiter getrunken werden, nur eben heimlich und nicht mehr in jenen abgedunkelten Bars, für die der Irak einst berühmt war, in denen man sich traf um zu trinken, die Bierflaschen auf dem Tisch stehen blieben – und die immer auch ein Ort waren, um seinem Unmut über die herrschenden Verhältnisse zum Ausdruck zu bringen. Trinken im Irak ist eine Passion, die in Gesellschaft betrieben wurde. Und der Trinker war auch der, der sich einfach verweigerte. Damit soll nun Schluss sein. Opium passt besser zur islamistischen Herrschaft, es vereinzelt. Ein Freitagnachmittag in Teheran gibt darüber Aufschluss: Überall schleichen abständige Menschen durch die Straßen, blicken ins Leere, reden mit sich selbst. Das sind die Opiumkonsumenten, sie stellen kein subversives Potential dar.

iraq_alcohol_iiAlso soll Schluss ein mit der irakischen Trinkerei, besser Irakis gewöhnen sich ans iranische Opium oder trinken heimlich. Das ist dann ein gottgefälliges Leben. So nämlich sähe er aus, ein weiterer Sieg des Iran im Nachbarland, das er ja längst als Teil seines neuen Imperiums betrachtet. Die große Frage wird sein, ob die Irakis sich das gefallen lassen. Schon früher gab es ja Versuche, Alkoholverkauf in Bagdad zu unterbinden. Sie scheiterten kläglich.

Immerhin kann derweil, wer weiter in aller Ruhe öffentlich trinken will, übers Wochenende nach Suleymaniah, Arbil oder Dohuk in Kurdistan fahren. Bis dann hoffentlich bald der ganze Spuk ein Ende hat und nicht nur in der Abu Nuwas-Straße in Bagdad, die nach dem Dichter benannt ist, der einst die Freuden der Liebe und des Weines besang, wieder ordentlich getrunken werden kann, sondern die alten Bars in Teheran, von denen man nur Schwarzweißbilder kennt, wieder ihre Pforten öffnen.

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