„Der Westen hat Syrien einfach aufgegeben und den Russen überlassen“

Bei der internationalen Geberkonferenz in London wurden Milliardenbeträge für Hilfe für syrische Flüchtlinge in Aussicht gestellt. Obwohl die Summen beeindruckend klingen mögen, handelt sich angesichts der schieren Größe des Problems um kaum mehr als einen Tropfen auf den heißen Stein, meint Thomas von der Osten-Sacken, Geschäftsführer der deutsch-irakischen Hilfsorganisation WADI, im Gespräch mit Florian Markl von Mena Watch. Hilfsprojekte wie etwa die sehr erfolgreiche Kampagne gegen weibliche Genitalverstümmelung oder Initiativen zur Unterstützung traumatisierter Jesidinnen, die dem Islamischen Staat entfliehen konnten, werden dagegen finanziell ausgehungert.

 

TvdOS

 

Mena Watch (MW): Sie sind jetzt seit etwas mehr als einer Woche wieder im Nordirak. Wie sind Ihre Eindrücke vor Ort, wie stellt sich die Lage dar?

Thomas von der Osten-Sacken (TvdO): Katastrophal. Die ökonomische Situation verschlechtert sich gerade in rasantem Tempo, weil die Ölpreise einfach so niedrig sind, dass de facto sowohl die kurdische Regionalregierung als auch die Bagdader Zentralregierung pleite sind. Hier sind seit sieben Monaten keine Gehälter mehr gezahlt worden. Die Leute haben langsam ihre Ersparnisse aufgebraucht. Zusätzlich sitzen hier auch geschätzte 1,3 Millionen Flüchtlinge und intern Vertriebene. Die Situation hat sich noch einmal massiv verschlechtert, weil auch die Gelder ausgehen, um die notwendigste Grundversorgung der Flüchtlinge aufrecht zu erhalten. Und natürlich fordern auch die Katastrophen in der gesamten Umgebung ihren Tribut. Die Leute verlieren ganz massiv die Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Auch hier, in Irakisch-Kurdistan, also nicht nur unter den syrischen oder den irakischen Flüchtlingen, sondern auch unter den irakischen Kurden, macht sich im Moment Defätismus breit. Die Themen, über die man redet, sind entweder die ökonomische Notsituation – oder aber, wie man nach Europa kommt.

MW: Sie haben in der Vergangenheit immer wieder auf die absurde Situation hingewiesen, dass viele Leute nach Europa kommen, die überhaupt nicht hierher wollen – das sind ja nicht in erster Linie Menschen, die von einem Leben im Westen geträumt haben, sondern die einfach keine andere Chance mehr sehen.

TvdO: Die Leute wollen nicht weg. Wir arbeiten ja auch sehr viel mit jesidischen Flüchtlingen, mit syrischen Flüchtlingen. In den vergangenen Tagen war ich hier sehr viel unterwegs, es ist völlig abstrus, welche Äußerungen man mitbekommt. Wir unterstützen hier eine selbstverwaltete syrische Schule, deren Lehrer – die sich gerade eine Mahlzeit am Tag leisten können, weil syrische Lehrer nicht bezahlt werden; sie bekommen genauso keine Gehälter wie alle anderen – uns erzählen, dass sie wissen, dass die Situation in Deutschland in den Flüchtlingslagern katastrophal ist. Aber der Unterschied zu hier sei, dass man dort wenigsten zwei Mal am Tag etwas zu essen bekomme. Deshalb überlegen auch sie, zu gehen.

Gestern haben wir die Mitarbeiterinnen von einem unserer Projekte getroffen – wir unterstützen hier seit über zehn Jahren ein Community-Radio in Halabdscha, das wir jetzt auf Flüchtlingsradio umgestellt haben. Es ist das erste Mal, dass arabische, kurdische, irakische und syrische Flüchtlinge ein eigenes Radioprogramm machen. Ein Mädchen sagte, sie liebt Syrien, Syrien ist das schönste Land der Welt, sie will zurück dorthin und hat überhaupt kein Interesse daran, nach Europa zu kommen. Aber wenn es so weiter geht, müsse sie einfach gehen. Wenn es irgendeine Chance gebe, wolle sie wieder zurück nach Syrien und da eben auch Radio-Journalistin werden.

Generell ist es nicht so, dass die Leute gehen wollen, aber die Situation hier ist inzwischen einfach so schlecht und verschlimmert sich auch ersichtlich dauernd weiter, sodass ihnen keine andere Möglichkeit mehr bleibt. Und sie verfolgen natürlich sehr genau, was in Europa geschieht, es herrscht so eine Art Torschlusspanik: Man ist mit seinen Freunden und Verwandten über WhatsApp, Facebook oder Telefon verbunden und man weiß, die Europäer investieren gerade massiv in Grenzschutz. Und man hat das Gefühl, wenn man jetzt noch wartet, dann ist es zu spät.

Für die Syrer ist natürlich jetzt noch das Problem, dass die Türkei, auch auf Druck der Europäer, eine Visumspflicht eingeführt hat. D.h. die Flugroute nach Istanbul, die man früher einfach nehmen konnte, ist nun keine Option mehr, weil man ein Visum braucht. Und für das Visum braucht man einen noch sechs Monate gültigen Pass. Unsere Buchhalterin zum Beispiel, die Syrerin ist, hat jetzt das Dilemma, dass ihr Pass in einer Woche abläuft und sie den nirgends verlängern kann. Durch solche Aktionen werden die Leute hier noch mehr eingepfercht und überlegen sich genau, ob es Sinn macht, noch ein halbes Jahr zu warten, wenn die Situation sich weiter verschlechtert und das Grenzregime noch brutaler gegen sie eingesetzt wird.

MW: Sie haben die 1,3 Millionen Flüchtlinge im Nordirak erwähnt. Bei den Berichten über die Geberkonferenz zu Syrien in London war immer von Unterstützung für die Aufnahmeländer von Flüchtlingen die Rede: von Jordanien, dem Libanon, der Türkei und manchmal auch noch von Ägypten. Nur sehr selten wurde in diesem Zusammenhang der Irak erwähnt.

TvdO: Wenn man sich den Irak ansieht, ist ja interessant, dass er hauptsächlich eine inländische Fluchtalternative ist. So schlimm die Situation im Irak ist, sobald die Leute eine Möglichkeit haben, in ihrem eigenen Land zu fliehen, machen sie das zuerst. Das war ja auch immer ein Argument für eine Flugverbotszone in Syrien, dass der Großteil der Syrer in einen Safe Haven innerhalb von Syrien geflohen wäre, hätte es den gegeben – was ja auch immer eine Forderung der syrischen Opposition gewesen ist. Das sieht man hier im Irak ganz deutlich: Die Leute, die aus den Gebieten kommen, die jetzt vom Islamischen Staat kontrolliert werden, sind als allererstes entweder nach Bagdad oder nach Irakisch-Kurdistan geflohen. D.h. ein Großteil der Flüchtling sind entweder Jesiden aus dem Sindschar oder aber Araber und Christen aus Mossul sowie aus Falludscha oder Ramadi, also den Städten des sunnitischen Dreiecks. Bislang wurden die über die Bagdader Zentralregierung noch notdürftig versorgt, weil sie eben irakische Staatsbürger sind, also vor allem die Araber; die Jesiden haben fast alle ihre Papiere verloren, was ihre Versorgung schwierig macht.

Die meisten Syrer, die hier sind, kommen aus den syrisch-kurdischen Gebieten, geschätzt drei- bis vierhundert Tausend. Die Zahl syrischer Flüchtlinge ist im Vergleich zu den zweieinhalb Millionen in der Türkei, den eineinhalb Millionen im Libanon und den offiziell über 635.000 Flüchtlingen in Jordanien nicht so hoch.

Es ist fraglich, ob diese elf Milliarden, die jetzt [bei der Geberkonferenz in London] freigegeben werden sollen über einen Zeitraum von vier Jahren, wirklich in so einer Katastrophe nachhaltig helfen. Wenn man das einmal hochrechnet, sind das bei vielleicht vierzehn Millionen Binnenvertriebenen und Flüchtlingen knapp tausend Dollar pro Kopf. Dann wird diese Zahl gleich wieder zusammengestutzt auf das, was sie letztlich ist: auch nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

MW: Bleiben wir bei den Geldern, die da beschlossen wurden. Wenn man die Medienberichte darüber liest, hört sich das ja toll an. Es sollen Schulen gebaut werden, Ausbildungsplätze für Jugendliche zur Verfügung gestellt und Arbeitsplätze geschaffen werden – nicht nur für die Flüchtlinge selbst, sondern auch für die Bevölkerung in den Aufnahmeländern. Der österreichische Kanzler meinte, die Gelder würden „gut investiert“, weil sie dazu beitragen würden, die Fluchtgründe zu beseitigen. Er sagte, wenn es Perspektiven gebe, dann begäben sich weniger Menschen auf die gefährliche Reise nach Europa. UN-Generalsekretär Ban Ki-moon hat von einem „großartigen Erfolg“ gesprochen: Noch nie sei an einem Tag so viel Geld für eine Krise gesammelt worden. Nach dem, was Sie bereits über die Hilfsgelder gesagt haben, ist anzunehmen, dass Sie weniger begeistert sind?

TvdO: Erst einmal liegt die Fluchtursache nicht in der Türkei, im Irak oder im Libanon, sondern in Syrien. Während diese Geberkonferenz stattgefunden hat, wurde Aleppo eingeschlossen – von Hisbollah, irakischen Milizen und mit Unterstützung der russischen Luftwaffe und noch ein paar syrischen Truppen. Im Augenblick sind also 1,3 bis 1,4 Millionen Menschen in Syrien von jeder Nahrungsmittelversorgung abgeschnitten. Wenn es so weitergeht, können wir in den nächsten Wochen einem schleichenden zweiten Ruanda beiwohnen, indem Leute systematisch ausgehungert werden. Solange die Situation in Syrien nicht geändert wird, werden die Syrer fliehen; vorletzte Nacht 70.000 an die türkische Grenze – das war eine einzige Nacht. Jeder, der kann, wird versuchen, nach Nordsyrien und von da über die Grenze in die Türkei zu fliehen, weil ganz offensichtlich ist, dass der Westen, Europa und die USA, Russland und dem Iran carte blanche gegeben haben, da zu tun und zu lassen, was sie wollen.

Bei den Aufnahmestaaten der Flüchtlinge haben wir es mit Ländern zu tun, in denen inzwischen jeder vierte Bewohner ein Flüchtling ist und in denen gerade auf lange Sicht eine Diaspora entsteht, die der palästinensischen nach 1947 ähneln wird – Menschen, die ohne Perspektiven über Jahrzehnte hinweg in irgendwelchen Flüchtlingslagern vor sich hin existieren werden. In Ländern, die ja auch ökonomisch überhaupt nicht in der Lage sind, solche Menschenmengen zu absorbieren. Angesichts dessen sind die Ankündigungen über Hilfsgelder eher schöne Sonntagsreden. Selbst wenn man von nur 10 Millionen Flüchtlingen ausgeht, sind 11 Milliarden ein Klacks. Deutschland muss dieses Jahr für die syrischen Flüchtlinge alleine um die 30 Milliarden Euro ausgeben, und das für nur eine Million Flüchtlinge. 30 Milliarden, die nur die reine Grundversorgung abdecken und in keinster Weise die Integration in den Wohnungsmarkt, den Arbeitsmarkt oder was auch sonst immer einschließen.

MW: Das Kieler Institut für Wirtschaft hat errechnet, dass, sollte der Flüchtlingszustrom anhalten, für die Versorgung der Flüchtlinge Kosten von 55 Milliarden Euro jährlich anfallen würden. Schon allein im Vergleich zu dieser Zahl sind die neun, zehn oder auch elf Milliarden, die in London angekündigt wurden, eine geradezu lächerliche Summe …

TvdO: … über vier Jahre. Brechen wir das einmal herunter: Im vergangenen Jahr, als es noch wesentlich weniger Flüchtlinge gab, haben die UN als reine Nothilfsgelder 8,4 Milliarden gefordert, für ein Jahr – und nur einen Bruchteil davon bekommen, was dazu geführt hat, dass im Augenblick 13 Dollar im Monat pro Kopf an Nahrungsmittelunterstützung für syrische Flüchtlinge ausgegeben werden. Also noch einmal: Elf Milliarden klingen ganz toll, sind aber in Wahrheit fast nichts.

Und dann kommt noch dazu: Wo wollen sie denn die Schulen bauen? Der Nahe Osten bricht auseinander. Der Irak ist ein Land, in dem ein großer Teil von ISIS, ein anderer von schiitischen Milizen kontrolliert wird, während hier in Irakisch-Kurdistan die Wirtschaft zusammenbricht. Jordanien und der Libanon sind in einer sehr prekären Situation, in der Osttürkei wird gekämpft. Solange man keine langfristige Perspektive hat, wie man diese Region verändern kann, bringen solche Geldspritzen relativ wenig, die dann bei den UN landen, die sich als äußerst unfähig erwiesen haben, oder an Erdogan überwiesen werden. Das ist eher ein Feigenblatt.

MW: Gleichzeitig mit den milliardenschweren Ankündigungen wird die finanzielle Unterstützung für Hilfsinitiativen gekürzt. In einer Stellungnahme von WADI war zu lesen, dass die EU und die einzelnen Mitgliedsstaaten auch Organisationen wie die UNICEF im Stich lassen und damit sehr erfolgreiche Projekt vor dem Nichts stehen. Können Sie konkret beschreiben, welche Projekte jetzt eingestellt oder nicht mehr in ihrer bisherigen Form weitergeführt werden können?

TvdO: Das eine ist unsere langfristige Kampagne gegen Genitalverstümmelung, die wir 2004 hier begonnen haben und die als eine der erfolgreichsten überhaupt gilt – zumindest hat Human Rights Watch sie einmal so bezeichnet – und seit zwei Jahren von UNICEF unterstützt worden ist. (Wir haben lange dafür gekämpft, dass die UN überhaupt anerkennen, dass im Irak die Genitalverstümmelung ein großes Problem ist.) Die UN haben dann gesagt, sie machen ein langfristiges Projekt, das auch Südostasien bis nach Indonesien inkludieren soll. Dafür sei die Entwicklung in Kurdistan, wo die Genitalverstümmelung jetzt per Gesetz verboten worden ist und wo es eine sehr große Öffentlichkeit gibt, als Beispiel für andere Länder sehr wichtig. So hat es 2014 geheißen. Jetzt haben uns die UN, hat uns UNICEF gesagt, dass sie kein Geld haben, um Projekte wie genitalverstümmelungsfreie Dörfer fortzuführen. Das sind langfristige Projekte, die ganz gezielt auf den Kampf gegen jede Form von Gewalt gegen Frauen abzielen. Das ist Arbeit in den Dörfern und den ärmeren Stadtvierteln, wo es um Genitalverstümmelung, aber auch um Zwangsheiraten und andere Formen der Gewalt gegen Frauen und Kinder sowie um eine Auseinandersetzung mit der Sexualität geht. Das alles müssen wir jetzt auf ein absolutes Minimum herunterfahren, weil diese Gelder plötzlich weg sind.

Das zweite, das die UNICEF einstellt, ist ein Zentrum für jesidische Mädchen, das wir auf deren Bitte letztes Jahr eröffnet haben. Darin werden hauptsächlich Rückkehrerinnen betreut, die von ISIS als Sexsklavinnen missbraucht worden sind, also Mädchen zwischen 14 und 21 Jahren, die vollkommen traumatisiert sind. Zeitgleich hat die deutsche Bundesregierung auch ihre Unterstützung für unsere Projekte für diese jesidischen Mädchen eingestellt.

Wir haben im Moment einen Rückgang von fast 70 Prozent unserer Finanzierung und müssen versuchen, mit Erspartem, mit Privatspenden und ein bisschen Unterstützung von Stiftungen all diese Projekte weiterzuführen, die wir im Moment machen. Die Flüchtlinge erfordern immer wieder neue Projekte, weil man schlecht Nein sagen kann, wenn es wirklich ums existenzielle Überleben geht.

Projektarbeit, wie wir sie seit 25 Jahren machen, ist auf eine langfristige Veränderung angelegt. Im Nahen Osten ist es besonders wichtig, dass man eine Perspektive von fünf bis zehn Jahren hat: dass Menschen sich verändern, Strukturen sich verändern, Institutionen sich verändern. Solche Projekte, die wir relativ erfolgreich im Kleinen implementiert haben, werden immer weniger unterstützt, weil jetzt alles nur in Nothilfe fließt – und diese Nothilfe immer nur eine Perspektive von drei bis sechs Monaten hat. Und selbst innerhalb der Nothilfe stellt man jetzt fest, dass z.B. die Jesiden, die noch vor zwei Jahren das ganz große Thema gewesen sind, völlig aus dem Blick verschwinden und plötzlich der Wiederaufbau der Gebiete, die man von ISIS zurückerobert hat, im Vordergrund steht. Wobei der Wiederaufbau vollkommen verrückt ist, weil im Moment kaum jemand dorthin zurückgehen wird. Aber es klingt jetzt gut, deswegen werden die Gelder aktuell dafür zur Verfügung gestellt.

Das führt letztlich dazu, dass die grundlegenden Ideen, die vernünftige Leute hier immer fordern: eine langfristige Transition dieser komplett kaputten Region hin zu mehr Demokratie, zu mehr Rechtstaatlichkeit, mehr ökonomischer Diversifikation usw. in Vergessenheit geraten. Immer wieder fixiert man sich auf die verrückte Idee der ‚Stabilisierung‘. Nur: Hier ist eben nichts mehr zu stabilisieren. Wir sehen im Kleinen unserer Arbeit dasselbe, was im Großen außenpolitisch gemacht wird. Und wie man bereits in den vergangenen Jahren immer prognostizieren konnte, dass das schiefgeht, kann man jetzt schon wieder voraussagen, dass dieses Den-Ereignissen-mit-ein-paar-Milliarden-hinterher-Hecheln, wieder schiefgehen wird.

MW: Lassen Sie uns zum Abschluss noch einen Blick auf die Syrien-Gespräche in Genf werfen, die im Grunde schon gescheitert sind, bevor sie überhaupt richtig begonnen haben. Kam das so schnelle Scheitern überraschend?

TvdO: Ich habe zu Beginn der Syrien-Gespräche auf Facebook einen von mir verfassten Artikel gepostet mit dem Hinweis, dass er schon vom Januar 2014 ist. Schon damals war klar, welch absurde Züge die Syrien-Politik nimmt. Es war lustig, dass viele Leute gedacht haben, es wäre ein aktueller Artikel und ihn als solchen geteilt haben. Die Organisation „Adopt a Revolution“, die die syrische Zivilgesellschaft und Opposition unterstützt, hat genau dasselbe gemacht: Sie hat ihre Presseerklärung von 2014 einfach noch einmal veröffentlicht.

Diese Friedensgespräche waren keine. Das ist eine rein virtuelle Realität, die der Westen sich da kreiert, um so zu tun, als würde er etwas tun, während die andere Seite, also Iran, Russland, Hisbollah und Assad, ganz offensichtlich für dieses Wochenende ihre Großoffensive in Nordsyrien vorbereitet haben. Diese Friedensgespräche waren einmal mehr nichts weiter als ein Schlag ins Gesicht der USA und Europas, die natürlich wieder zurückgewichen sind. Bis hin zu dem absurden Punkt, dass die syrische Opposition die Einhaltung von UN-Resolutionen, also das Ende von Fassbomben, freien Zugang für humanitäre Hilfe in eingeschlossene Gebiete, zur Grundvoraussetzung ihrer Teilnahme erklärt haben – und dann die USA gesagt haben, das seien nicht-akzeptable Vorbedingungen. Man ist inzwischen an dem Punkt, dass UN-Resolutionen als Vorbedingungen für Verhandlungen verurteilt werden.

Es war dieses Mal von Anfang an klar, dass die Russen und die Syrer zeigen, dass sie tun und lassen können, was sie wollen. Und die Reaktion der anderen Seite ist, dass das Weiße Haus seine Hoffnung erklärt, dass die sogleich unterbrochenen Verhandlungen Ende Februar wieder aufgenommen werden. Wenn die Offensive in Syrien in dem Tempo weitergeht, wird es Ende Februar eine namhafte Opposition in Syrien nicht mehr geben, sondern nur noch hungernde Menschen, die eingeschlossen sind – und weitere 500.000 oder 750.000 syrische Flüchtlinge, die sich an der jordanischen oder türkischen Grenze drängeln.

MW: Frank-Walter Steinmeier wurde im Standard mit den Worten zitiert, es könne sehr schnell gehen, dass alles wieder zerstört wird, was in Sachen Syrien erreicht worden sei.

TvdO: Es ist nichts erreicht worden. Und man signalisiert der anderen Seite, dass man ihr im Prinzip den Schauplatz überlassen hat. Wenn zeitgleich, während diese Gespräche laufen, die größte russische Luftoffensive seit der offenen Intervention der Russen stattfindet, Horst Seehofer Putin die Hände schüttelt und Steinmeier in Teheran ist, dann signalisiert man eindeutig: Man hat Syrien nicht nur aufgegeben, sondern an Russland und den Iran delegiert. Es ist mir unerklärlich, aber offensichtlich gibt es die Hoffnung, dass, wenn Assad, Iran, die Hisbollah und Russland Syrien in irgendeiner Weise kontrollieren, es dort zu Ruhe und Stabilität kommt und dann weniger Menschen fliehen. Was vollkommen verrückt ist, weil diese Kampagne in Syrien ein systematisches Vorgehen ist, das auf die demografische Veränderung der syrischen Bevölkerung abzielt. Jeder geflohene Sunnit ist aus der Sicht Assads und seiner Unterstützer ein positives Ergebnis Er destabilisiert die Türkei, er destabilisiert Europa und er minimiert die Anzahl an Sunniten in Syrien. Nur ein kleiner Teil der Sunniten wird jemals wieder bereit sein, unter Assad zu leben, nach den Massakern und allem sonst, was dieses Regime da angestellt hat.

 

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