Wo man eine Ehe für ein paar Stunden schließen kann

Schiitische Geistliche nutzen die Not aus und verheiraten junge Mädchen für beschränkte Zeit an zahlungswillige Männer – eine Form von Kinderprostitution.

Wo man eine Ehe für ein paar Stunden schließen kann
Schrein von Imam Khadym (Quelle: Toushiro, Public Domain)

„Ich gehe durch die Sicherheitsabsperrung die nach Kadhimiyah führt, einer der heiligsten Stätten des schiitischen Islam. Ich stehe in einer Warteschlange, zusammen mit Dutzenden von Pilgern, die aus der ganzen Welt angereist sind, um dem Schrein von Imam Kadhim ihren Respekt zu erweisen. Am Tor berührt mich eine weibliche Wache und schaut in meine Handtasche, wie um mich daran zu erinnern, dass die Geschichte, über die ich hier berichte, nicht einfach sein wird.

Während ich durch die Marktstände um den Schrein herum laufe, bemerke ich die vielen ‚Hochzeitsbüros‘, die um die Moschee herum verstreut sind und Sharia-Ehen durchführen dürfen. Ich hatte Hinweise erhalten, nach denen einige Geistliche hier Ehen auf Zeit – mutaa (Vergnügen) – durchführen, eine nach irakischem Recht illegale Praxis, bei der ein Mann für eine zeitweilige Ehefrau bezahlen kann, während der ausführende Geistliche eine Premie erhält.

Mir wurde gesagt, dass hinter verschlossenen Türen viele dieser Geistlichen die Sharia-Ehegesetze anwenden und missbrauchen, um Frauen für ihren Profit auszubeuten. Diese Männer nutzen schutzbedürftige Mädchen und junge Frauen aus, hübschen sie auf und zwingen sie zur Prostitution – alles unter völliger Straflosigkeit. (…)

Wir stellten fest, dass Mädchen im Teenageralter besonders anfällig für diese räuberischen Männer waren, die von den Geistlichen unterstützt werden, und oft die höchsten Preise für das Unglück der jungen Frauen zahlen. Im Irak wird es im Allgemeinen als Skandal angesehen, wenn ein junges Mädchen seine Jungfräulichkeit außerhalb der Ehe verliert. Durch solch einen Umstand wird die Familie beschämt und ihre Ehre in Mitleidenschaft gezogen. Solche Mädchen werden oft von ihren Familien verstoßen und gemieden. In einigen Fällen werden die jungen Mädchen sogar ermordet. (…)

Die Untersuchung hat gezeigt, wie die Not im Irak nach dem Konflikt und der Aufstieg des schiitischen religiös-konservativen Establishments die Rechte der Frauen zurückgeschraubt haben. Weltliche Gesetze zum Schutz von Frauen und Kindern gehören seit Jahrzehnten zum irakischen Rechtssystem, sind jedoch angesichts der andauernden Missachtung durch mächtige Männer, die vom religiösen und politischen Establishment des Landes unterstützt werden, bedeutungslos geworden. Mittlerweile zahlt eine ganze Generation junger Mädchen und Frauen einen verheerenden Preis.“ (Nawal Al-Maghafi, The Guardian: „In Iraq, religious ‚pleasure marriages’ are a front for child prostitution“)

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