Die Tötung von Yahya Sinwar zu genau jenem jüdischen Fest, an dem er ein Jahr zuvor seine mörderischen Taten gegen Israelis begangen hatte, ist mehr als symbolisch.
Der Tod von Yahya Sinwar, dem als »Schlächer von Khan Yunis« bekannt gewordenen Chefs der Hamas, der das Massaker vom 7. Oktober 2023 geplant und auch viele seiner eigenen palästinensischen Mitbürger gefoltert hatte, wurde nun bestätigt. Nachdem die Israelischen Verteidigungsstreitkräfte (IDF) seinen langjährigen Stellvertreter Mohammed Deif, der ebenfalls für unzählige Morde an israelischen Zivilisten verantwortlich war, und das gesamte Kommando der Hisbollah-Militärführung im Libanon ausgeschaltet haben, könnte diese aktuelle Entwicklung das Blatt wenden.
Anstehende Aufgaben
Angesichts der aktuellen Lage im Gazastreifen, der Zerstörung der Militärstruktur der Hamas und des Fehlens einer sichtbaren alternativen Führung müssen mehrere Probleme angegangen werden: An erster Stelle steht die dringende Frage der Rückkehr der 101 israelischen Geiseln, die noch immer festgehalten werden. Obwohl viele Stimmen meinen, jetzt sei genau der richtige Zeitpunkt für einen Geiseldeal, ist es höchst unwahrscheinlich, dass es derzeit in Gaza einen Ansprechpartner gibt, mit dem Verhandlungen geführt werden können.
Diese Tatsache wird noch verschärft durch die Annahme, dass die Geiseln über die gesamte Enklave verstreut sind und von verschiedenen Akteuren festgehalten werden, von denen einige Zivilisten sind, die in dieser Angelegenheit mit der Hamas zusammenarbeiten. Um sie aufzuspüren, müsste das gesamte Gebiet Haus für Haus und Tunnel für Tunnel durchsucht werden.
Die ägyptischen Vermittler könnten hierbei eine wichtige Rolle spielen, indem sie in der palästinensischen Bevölkerung Hinweise über den Aufenthaltsort der Geiseln sammeln und sicherstellen, dass diese befreit werden können. Für die Informanten gibt es verschiedene Belohnungen wie zum Beispiel einen sicheren Zufluchtsort außerhalb der Enklave.
Die Ägypter, die an einem Kriegsende sehr interessiert sind, um ihre wirtschaftliche Stabilität zu sichern, müssen begreifen, wie wichtig ihre derzeitige Rolle ist, um die Angelegenheit zu einem Abschluss zu bringen. Es kann und wird kein Ende der Feindseligkeiten geben, solange es im Gazastreifen israelische Geiseln gibt. Daher sollte ihre Motivation für deren Befreiung besonders hoch sein.
Von den Führern der freien Welt wird erwartet, dass sie genau jetzt ihre Stimme erheben, und zwar nicht gegen Israel, sondern gegen jene, die nach wie vor Geiseln festhalten, und ihnen deutlich machen, dass es sich für sie lohnen würde, diese freizulassen.
Radikaler Wandel erforderlich
Darüber hinaus ist derzeit eine starke Militärpräsenz im Gazastreifen erforderlich, um sicherzustellen, dass das Führungsvakuum nicht von alternativen radikalen Gruppen einschließlich des Islamischen Staates gefüllt wird. Um nicht ein Modell zu kreieren, das dem afghanischen Beispiel gleicht, das nach dem Rückzug der USA wieder auf den Status der Taliban-Herrschaft vor dem US-Einmarsch zurückgefallen ist, wird noch für einen relativ langen Zeitraum eine begrenzte IDF-Präsenz erforderlich sein.
Der Waffenschmuggel in den Gazastreifen, auch über den Philadelphi-Korridor und den Grenzübergang Rafah, muss nachhaltig unterbunden und eine wirkungsvolle Pufferzone im Norden des Gazastreifens eingerichtet werden, um sicherzustellen, dass sich ein ähnliches Szenario wie bei den Massakern vom 7. Oktober 2023 nicht wiederholen kann. Kein souveränes Land der Welt würde es hinnehmen, dass ein Feind weniger als hundert Meter von seiner Grenze entfernt ist und ihm zum Reagieren keine Zeit bleibt, wenn dieser Feind seine genozidalen Angriffsdrohungen wahr macht.
In der Zwischenzeit wird es eine große Herausforderung sein, die Streitkräfte oder die Körperschaft zu bestimmen, die erforderlich ist, um eine völlig neue Realität im Gazastreifen zu schaffen, darunter der Aufbau einer zivilen Verwaltung sowie eines geänderten Lehrplans, der frei von islamistischer und antisemitischer Indoktrination und Aufwiegelung ist.
Angesichts der aktuellen Verfasstheit der maßgeblichen palästinensischen (politischen) Kräfte auch abseits der Hamas kann diese temporäre Institution keine palästinensische sein. Ohne eine externe Macht, die eine völlige Neuordnung der palästinensischen Administration vorschreibt, wird kein Sieg über die Hamas und die anderen terroristischen Gruppierungen ausreichen, da die religiöse und politische Indoktrination weiterhin Radikalismus aus der Asche aufsteigen lassen würde.
Diese Herausforderungen könnten jedoch zu einer Chance werden, wenn der erforderliche Wandel als Teil einer umfassenderen strategischen Vereinbarung vollzogen wird, die auch das Westjordanland einschließt, wo Indoktrination und Aufwiegelung genauso schlimm sind wie im Gazastreifen und die Hamas seit Jahren von der Islamischen Republik Iran gestärkt und gefördert wird.
Tatsächlich scheint der Gedanke an eine umfassende Veränderung sowohl im Gazastreifen als auch im Westjordanland naiv zu sein – und doch hat sich die Realität in Israel und der Region seit dem 7. Oktober 2023 so stark verändert, dass ein geringerer Umbau der aktuellen Situation unzureichend wäre.
Die Tötung von Yahya Sinwar zu Sukkot und damit zu genau jenem jüdischen Fest, an dem er vor einem Jahr seine mörderischen Taten gegen Israelis begangen hatte, ist mehr als symbolisch. Sie kann zu dem Wendepunkt werden, der nötig ist, um mit dem Aufbau einer neuen regionalen Ordnung zu beginnen, die das Wohlergehen aller Menschen in der Region im Blick hat.